8.000 Neuevangelisierer stecken die Köpfe zusammen
Neuevangelisierung
– wie macht man das? Darüber beraten an diesem Samstag etwa 8.000 Experten und Praktiker
aus vielen westlichen Ländern im Vatikan. Eingeladen hat sie der neue Päpstliche Rat
für die Neuevangelisierung unter Erzbischof Rino Fisichella. Am Abend wird auch Papst
Benedikt dazustoßen. Zuvor werden Menschen, die auf ihre Weise schon längst mit diesem
Projekt begonnen haben, aus ihren Erfahrungen berichten. Johannes Seidel ist einer
von ihnen: Der Mannheimer koordiniert so genannte Alphakurse in katholischen Pfarreien
in Deutschland und Österreich. Eine von vielen Ideen, um die es an diesem Samstag
in Rom geht.
„Der Alphakurs ist ein Kurs von zehn Einheiten; in der Regel
wird er wöchentlich gehalten, und jeder Abend beginnt mit einem Abendessen. Es ist
deshalb auch nicht so sehr ein Kurs, es ist vielmehr eine Einladung. Ein zweiter Teil
ist ein Impulsvortrag über eines der grundlegenden christlichen Themen: Wer ist Jesus?
Wozu starb Jesus? Wie kann ich beten? Was bedeutet die Bibel? Wie führt mich Gott?
Und der dritte Teil –das ist eigentlich der wichtigste Teil – ist ein Gespräch in
Kleingruppen, in denen sich die Leute frei über das austauschen, was sie gehört haben,
was sie empfunden haben, wo sie Schwierigkeiten haben.“
Alphakurse sind
eigentlich eine anglikanische Idee: Eine Londoner Pfarrei erfand sie vor etwa zwanzig
Jahren. Aber jede gute Idee ist willkommen, wenn sie den Christen im Westen neuen
Schwung zu geben vermag, findet Seidel.
„Das Anliegen des Alphakurses ist,
die Begegnung mit dem Herrn auch anderen zugänglich zu machen. Durch die Gemeinschaft
beim Essen, durch Lehre und Zeugnisse, aber auch dadurch, dass man Menschen kennen
lernt, die Christen sind. Viele Menschen heute in unserer Zeit, in unseren säkularisierten
Ländern kenne überhaupt niemanden, der sich zu Christus bekennt und das pflegt. Das
ist sozusagen die Grundlage: Christus bekannt zu machen. Für viele ist der Alphakurs
so etwas wie die offene Tür zur Gemeinde. Wenn man in einen Gottesdienst geht, erschließt
sich unser Glaube nicht von alleine durch die Heilige Messe. Manche haben gesagt,
der Alphakurs sei wie der erste Teil eines Films, von dem wir immer nur den zweiten
Teil sehen. In meinem eigenen Dorf in unserem ersten Alphakurs hat jemand geschrieben:
Wenn ich jetzt in den Gottesdienst gehe, ist mir nicht mehr so langweilig, weil mich
jetzt jemand anspricht.“
Langweilig wird`s auch den Kongressteilnehmern
im Vatikan nicht: Dafür sorgt u.a. der bekannte italienische Tenor Andrea Bocelli.
Einige Gruppen wollen nach dem Treffen im Vatikan auch mal rausgehen nach Rom und
dort auf den Straßen evangelisieren. Dabei werden sie auch auf Teilnehmer der „Indignados“-Protestmärsche
treffen, die an diesem Samstag durch alle europäischen Hauptstädte und eben auch durch
Rom ziehen.
Am Sonntag feiert Papst Benedikt mit den Kongressteilnehmern die
Messe im Petersdom. Dabeisein wird auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Erzbischof Robert Zollitsch. Er erklärte dem Kölner Domradio, worum es dem Papst bei
der Neuevangelisierung geht.
„Er sieht ganz klar, dass unsere Geschichte
vom Evangelium geprägt ist, dass wir eine gute christliche Basis besitzen - der Glaube
an Jesus Christus aber an Glanz verloren hat. Wir müssen eine neue Sprache für den
Glauben finden. Eine Sprache, die die Menschen verstehen, in Bildern, die die Menschen
verstehen. Darum müssen wir ringen!“
Unter den Gästen der Konferenz im
Vatikan an diesem Samstag sind ranghohe Vertreter von mehr als 30 nationalen Bischofskonferenzen
sowie knapp 120 geistlichen Gemeinschaften, Orden und Gruppen. Aus dem Vatikan sind
rund zwei Dutzend Kurienbischöfe sowie ein halbes Dutzend Kardinäle anwesend. Vortragende
bei der Konferenz hinter verschlossenen Türen sind Erzbischof Rino Fisichella (seine
italienische Rede hat sechs Druckseiten), der kolumbianische Militärbischof Fabio
Suescun Mutis und der italienische Publizist Vittorio Messori. Ferner ist ein Referat
von Veronica Berzosa vorgesehen, der Gründerin der im vergangenen Dezember vom Vatikan
anerkannten spanischen Gemeinschaft „Iesu Communio“, die sich der Mission unter Jugendlichen
widmet. Über das Gespräch zwischen Wissenschaft und Glauben hält der italienische
Astrophysiker Marco Bersanelli von der Universität Mailand einen Vortrag.