Bischof Hinder: „König Abdullah ist um Öffnung bemüht“
Mit der Gründung des
„König Abdullah“-Zentrums in Wien schreibt sich Saudi-Arabien den interreligiösen
und interkulturellen Dialog auf die Fahnen. Im Ausland wohlgemerkt, denn in dem absolutistischen
Staat auf der arabischen Halbinsel gibt es de facto keine Religionsfreiheit. So ist
zum Beispiel der christlichen Minderheit jede öffentliche Ausübung ihrer Religion
verboten, und sei es nur ein Kreuz zu tragen. Für den apostolischen Vikar von Südarabien,
den Schweizer Kapuziner und Bischof Paul Hinder, ist das kein unauflösbarer Widerspruch.
Im Gespräch mit Radio Vatikan kennzeichnet er das saudische Staatsoberhaupt König
Abdullah Al Saud als „vorsichtigen Modernisierer“ seines Landes. Die Anregung des
interreligiösen Zentrums in Wien sei in dieser Perspektive zu sehen, erklärt Hinder:
„Warum das Zentrum gerade in Wien ist, nicht etwa in Dschidda oder anderswo,
zeigt ja auch, dass es offenbar leichter ist, ein solches Zentrum außerhalb der unmittelbaren
Einflusssphäre zu errichten als zu Hause, weil dort vermutlich erheblicher Widerstand
entstünde. Ich begrüße das als einen gewaltigen Schritt und hoffe und bete auch dafür,
dass diese sachten Schritte vorwärts, um die sich der König seit einigen Jahren bemüht,
zu Erfolg führen. Ich wünsche das dem saudischen Volk, ich wünsche das dem König,
ich wünsche das allen, die darum bemüht sind, eine maßvolle, aber effiziente Öffnung
der Gesellschaft in Saudi-Arabien beizubringen.“
Zu den „sachten Schritten“
König Abdullahs innerhalb von Saudi-Arabien zähle auch seine jüngste Entscheidung,
Frauen in absehbarer Zeit als Kandidaten bei den Lokalwahlen zuzulassen. In Abdullahs
Amtszeit fanden in Saudi-Arabien die ersten Wahlen überhaupt statt. Allerdings waren
zu diesen Wahlen keine Parteien zugelassen. Positiv seien solche Schritte allemal,
meint dazu Bischof Hinder. Der apostolische Vikar Südarabiens beklagt allerdings das
„Schneckentempo“, in dem solche Entwicklungen in dem Land zugelassen werden.
„Ich
denke, dass der König tatsächlich ehrlich bemüht ist, sachte eine Öffnung voranzutreiben.
Inwieweit ihm das gelingt und inwieweit ihm die herrschenden Schichten im Volk dann
folgen, ist eine andere Frage. Man muss sich einfach vor Augen halten, es geht schon
arg langsam. Gerade das Stimmrecht für die Frauen, da braucht es noch einige Jahre,
bis es dann wirklich in Kraft tritt. Warum eigentlich? Das offenbart doch auch eine
Angst vor der Situation, wie der König sie vorfindet innerhalb des Machtverhältnisses
der herrschenden Schichten Saudi-Arabiens.“
In der Tat soll das passive
Wahlrecht für Frauen in Saudi-Arabien erst in vier Jahren Wirklichkeit werden; das
heißt, Frauen dürften dann auch gewählt werden, nicht nur selber wählen. Und noch
eine Einschränkung nach aktuellem Stand: Anders als männliche Anwärter, dürfen Politikerinnen
nicht auf Wahlplakaten erscheinen. Die Staatreligion in Saudi-Arabien ist der salafitische
Islam, der auch Wahabismus genannt wird. Die christliche Minderheit setzt sich ausschließlich
aus asiatischen Gastarbeitern und Emigranten zusammen, etwa aus den Philippinen oder
aus Vietnam.
Bischof Hinder geht weiter auf das historische Treffen zwischen
König Abdullah und Papst Benedikt XVI. ein. Als erster saudischer König überhaupt
war König Abdullah im November 2007 im Vatikan zu Besuch. Bei der Begegnung hatte
Abdullah „gemeinsame Werte“ als Bindeglied zwischen Islam und Christentum benannt.
Er verwies auf die Notwendigkeit, zusammenzuarbeiten, um einen „Zusammenstoß der Zivilisationen“
zu vermeiden. Dazu Bischof Hinder:
„Soweit ich informiert bin, ist König
Abdullah ein sehr religiöser Mensch, ein überzeugter Muslim, der aber auch aus einer
tiefen religiösen Haltung heraus Politik betreibt. Im positiven Sinne, also nicht
im fundamentalistischen Sinne. Ihm ist es auch ein Anliegen, dass weltweit die Kräfte,
die sich einigen können auf grundlegende Werte, auf die es ankommt in der Gesellschaft
– ich denke, dass das auch damals einer der Gründe war, warum er den Besuch beim Heiligen
Vater gemacht hat –, dass er aus diesem Bewusstsein heraus Alliierte finden will in
einem gemeinsamen humanen Ethos. Wie auch immer man dann dazu im Einzelfall steht,
ich denke, dass das etwas Positives ist.“
Bischof Paul Hinder war bis zuletzt
für die gesamte arabische Halbinsel mit Ausnahme von Kuwait zuständig. Im Mai ordnete
der Heilige Stuhl die Kirchenstrukturen im arabischen Raum neu und übertrug Hinder
als Zuständigkeitsbereich das Vikariat „Arabien-Süd“. Dazu gehören die Vereinigten
Arabischen Emirate, Oman und Jemen. Hinders Bischofssitz befindet sich in Abu Dhabi
in den Emiraten.