Als „erfolgreiche
Deeskalation“ beschreibt der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück das Gespräch zwischen
Kardinal Schönborn und Mitgliedern der „Pfarrer-Initiative“. Der Dogmatiker war einer
der Fachleute, die als Vermittler zu dem Treffen geladen waren. Der Wiener Erzbischof
hatte sich am Mittwoch zum zweiten Mal zu Gesprächen mit der progressiven Initiative
getroffen, die im Juni ein Reform-Manifest mit dem Titel „Aufruf zum Ungehorsam“ veröffentlicht
hatte. Bei der Begegnung mit Kardinal Schönborn hätten Vertreter der Gruppe ihre Loyalität
zum Bischof und den Willen zu Mitwirkung am Wiener Reformprozess bekräftigt, berichtet
der Theologe im Interview mit Radio Vatikan. Damit hätten sie die zwei Anliegen des
Kardinals erfüllt, die dieser beim ersten Treffen formuliert hatte:
„Das
ist sicher eine positive Botschaft dieses zweiten Gesprächs gewesen, auch wenn natürlich
nicht alle Probleme geklärt werden konnten. In dem Gespräch wurde auch darauf hingewiesen,
dass Ortskirche eben auch „communio“ ist, die sich in der Eucharistiefeier verdichtet.
So kann sich keine Ortsgemeinde als autarke Zelle verstehen, sondern muss sich vernetzt
sehen mit der Ortskirche und der Universalkirche. Durch das Wort vom Ungehorsam wird
natürlich eine gewisse Spannung angedeutet. Aber von Spaltung würde ich nicht reden,
eher von einem Riss, der gelöst werden muss.“
Den Stimmen, dass mit Auftreten
der Pfarrer-Initiative eine „Kirchenspaltung in Österreich“ provoziert werde, nimmt
der Theologe mit Verweis auf den positiven Verlauf des jüngsten Gespräches also Wind
aus den Segeln. Und er lobt das Vorgehen des Kardinals, der im Umgang mit der Pfarrer-Initiative
den Gesprächsfaden nie abreißen ließ:
„Es gab ja sogar schon Stimmen, die
gesagt haben, man müsse hier mit kirchenrechtlichen Maßnahmen einschreiten und etwa
gegen den Vorstand der Pfarrer-Initiative das Interdikt verhängen. Das meint kirchenrechtlich
das Verbot, Sakramente zu spenden und zu empfangen sowie liturgische Dienste und Ämter
auszuüben. Der Kardinal hat sich, Gott sei dank, diesen Stimmen nicht angeschlossen
und darauf verzichtet, mit kirchenrechtlichen Instrumentarien zu agieren. Er hat dagegen
zum Gespräch aufgerufen.“ Bei der Begegnung vom Mittwoch sei es auch um Fragen
der Seelsorge gegangen, berichtet Tück weiter. Konkret habe er als geladener Experte
den Eindruck bekommen, die Pfarrer-Initiative halte zu sehr an einem strikt territorial
verfassten Pfarrmodell fest. Dieses sei angesichts der rückläufigen Zahlen der aktiven
Gläubigen und auch der Priester nicht mehr aufrecht zu erhalten. Inwiefern die Pfarrer-Initiative
bei dieser Herausforderung auch Laien in die Pastoral einbeziehen wolle, sei noch
unklar. Ebenso müsse man jetzt abwarten, wie sich die Pfarrer-Initiative im Dialogprozess
der österreichischen Kirche weiter zu Wort melde.