Ist die Gewalt gegen
Christen in Ägypten Teil einer politischen Strategie? Über diese Frage zerbrechen
sich nach den Übergriffen vom Wochenende Beobachter im In- und Ausland den Kopf. An
Schuldzuweisungen hatte es nicht gefehlt nach der Attacke auf Demonstranten in Kairo,
die für besseren Schutz der christlichen Minderheit in Ägypten demonstrierten. Die
Gewalt sei von den koptischen Demonstranten selbst ausgegangen, von vermummten Schlägern
oder aber von der Armee ausgegangen, heißt es je nach Quelle. Bischof Kyrillos Kamal
William von Assiut vermutet hinter der jüngsten Gewalt einen Boykottversuch der für
Ende November angesetzten Wahlen. Im Gespräch mit Radio Vatikan sagte der koptische
Bischof:
„Alle suchen nach Erklärungen, aber eines ist doch seltsam: Warum
passiert so etwas gerade im Vorfeld der Parlamentswahlen? Das scheint eine vorbereitete
Sache zu sein, um die Wahlen zu stören. Ein zweiter Punkt: Warum gibt es immer Zusammenstöße
zwischen Militärs und Demonstranten, wenn die Christen Kundgebungen organisieren?
Eine muslimische Frau, die mit den Christen am Sonntagabend demonstriert hat, sprach
davon, dass jemand plötzlich von hinten auf die Demonstranten geschossen hat.“
Unklar
ist bisher, von wem die Gewalt bei der Demonstration ausging. 24 Menschen waren durch
die Ausschreitungen ums Leben gekommen, 212 Personen wurden verletzt. Die Kopten waren
am Sonntagabend auf die Straße gegangen, um gegen die jüngsten Übergriffe auf zwei
Kirchen in Mirinab und El Madamar in Oberägypten zu demonstrieren. Seite an Seite
mit ihnen demonstrierten zahlreiche Muslime. Diese hätten auch versucht, die Christen
zu schützen, als die Lage eskalierte, bestätigt Bischof William im Gespräch mit Radio
Vatikan. Sind Solidaritätsbekundungen wie diese den anti-christlichen Hetzern in Ägypten
ein Dorn im Auge? Der Bischof hält das für möglich:
„Hier liegt das Problem.
Bei allen Demonstrationen im Kontext der Revolution vom 25. Januar haben sich alle
gegenseitig geholfen und verteidigt. Die Muslime haben einen Kreis gebildet, um die
Christen zu schützen und ihnen das Gebet zu ermöglichen. Ebenso haben die Christen
den Muslimen Wasser für ihre religiösen Waschungen gebracht. Beide Gruppen fühlen
ähnlich, wollen sich verteidigen. Und auch deshalb ist es unverständlich, was am Sonntag
passiert ist.“ (rv 13.10.2011 pr)