2011-10-13 09:53:38

Italien: Seelsorgepraktikum im Roma-Lager


RealAudioMP3 In der Diözese Rom gehen Seminaristen gezielt zu einer besonders schlecht angesehenen Gruppe von Armen und Ausgegrenzten – zu den Roma. Letzte Woche absolvierten sie im Zigeunerlager Salone, 1000 Einwohner, die größte Romasiedlung der italienischen Hauptstadt, ein Seelsorge-Praktikum. Katharina Spitz war dabei.

Zugang zum Camp ist ein Parkplatz. Auf etwa der Hälfte der Fläche parken kreuz und quer die Autos, es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Männer hantieren mit Werkzeug an den Fahrzeugen, Kinder spielen auf den Mauern, zwischen den Karosserien und im Müll. Denn der nimmt die andere Hälfte des Parkplatzes ein. Plastiktüten wehen über den Platz, es riecht schlecht. Neben dem Parkplatz führt eine Straße in das Camp hinein, zunächst sieht man die Hütten der Offiziellen, dann ein hoher Zaun, dann die Behausung der Menschen.

„Die Gemeinschaft der Roma lebt unter Extrembedingungen, das lässt sich nicht leugnen.“

Andrea, 28, Seminarist, kennt die Situation der Roma in Salone und weiß, dass es viele Probleme gibt.

„Die Leute haben uns zunächst sehr zurückhaltend empfangen. Sie wollten uns erst gar nicht an ihre Hütten herankommen lassen. Denn sie sind sich der Bedingungen sehr wohl bewusst, in denen sie leben. Uns wäre es ja sicher auch unangenehm, wenn wir Gäste in einem unordentlichen Haus empfangen müssten. Und es ist auch so, dass wenn Gäste zu diesen Menschen kommen, sie in erster Linie finanzielle Hilfe erwarten und auch danach fragen. Und das ist auch verständlich. Man kann diesen Menschen nicht versuchen, dass Evangelium zu übermitteln, wenn man sich nicht auch die Grundbedürfnisse dieser Menschen bewusst macht.“

Während der ersten Oktoberwoche waren Andrea und andere Priesteramtskandidaten des „Seminario Romano Superiore“ in Rom jeden Tag in Salone. Sie haben dort eine Art Praktikum absolviert. Marco, 25, berichtet von den lehrreichen Erfahrungen, die er bei den Roma gemacht hat. In den ersten Oktoberwochen macht das Priesterseminar für Gewöhnlich immer eine Mission.

„Normalerweise besuchen wir Gemeinden, dieses Jahr hingegen besuchten wir die Roma. Die Erfahrung war prägend für uns alle, weil wir direkt mit Menschen konfrontiert waren, die unter schwierigen Bedingungen leben. Und wenn man sich überlegt, dass sich das Lager in Rom befindet, bringt das wirklich zum Nachdenken – zum einen mich als Mensch, aber auch mich als Christ. Und es stellt sich auch die Frage, wie kann ich diesen Zuständen begegnen?“

Die Gruppe ist jeden Morgen nach Salone gefahren und hat dort die Messe gefeiert, an der vor allem die Kinder teilgenommen haben.

„Wir alle saßen auf Planen und im Hintergrund war der Lärm der vorbeifahrenden Autos zu hören, das war sehr speziell. Und nach der Messe sind wir in das Lager hinein gegangen und haben Menschen getroffen, um ihnen zuzuhören und ihre Situation und Geschichten kennen zu lernen.“

Die Seminaristen sind nach Salone gekommen, um die Roma kennen zu lernen und ihnen zuzuhören. Sie wollen den Menschen zeigen, dass sie nicht allein sind und es auch ihn ihrer Situation Hoffnung gibt.

„Jesus ist für uns alle gestorben und auferstanden. Und diese Hoffnung gilt paradoxerweise vor allem für diese Menschen. Und es ist schön, ihnen sagen zu können: Jesus ist auch für euch da! Und viele haben sich gefreut, das zu hören. Ich habe überlegt, wie es sein kann, dass bis heute kaum jemand mit ihnen über Jesus gesprochen hat. Wo sind die Priester? Oder die Christen im Allgemeinen – wo sind sie, wer erzählt den Roma von Gott? Das sollte die Aufgabe der ganzen Kirche sein.“

Initiiert hat das Praktikum Pater Paolo Lojudice. Er hat schon länger Kontakt zu der Romabevölkerung.

„Viele Roma betteln in Rom, aber auch in anderen Städten, vor den Kirchen um Almosen. Ihre Anwesenheit in den Gemeinden, in denen ich tätig war, hat nach und nach die Aufmerksamkeit und die erste Neugier in mir geweckt. Man kommt ins Gespräch, fragt wie man heißt und wo man wohnt und so weiter, und irgendwann bin ich mit den Menschen dort hingegangen, wo sie gewohnt haben.“

Im Mai 2007 wurde der Priester von offizieller Seite in ein Romacamp eingeladen.

„Von da an ist meine Verbindung zu den Roma kontinuierlich gewachsen. Wir haben den Dialog mit den Institutionen gesucht, wir spielten mit den Kindern, dann haben wir die Menschen bei der Regelung ihrer Angelegenheiten mit der Gewerkschaft oder den Behörden begleitet.“

Mit den Jahren baute sich eine enge Partnerschaft auf. Hin und wieder werden Romalager aufgelöst und die Menschen müssen in ein anderes Camp umziehen. Padre Lojudice hat den Kontakt bis heute aufrecht erhalten. Bis sich die Situation der Roma nachhaltig verbessern kann, ist aber noch ein langer Weg.

„Auf der einen Seite weiß ich, dass die Stadt Rom viel Geld in diese Camps investiert. Die Container zum Beispiel, in denen die Menschen wohnen, werden größtenteils von der Stadt gestellt. Nur Geld zu investieren reicht aber nicht aus. Und das Wichtigste ist, die Kinder zu fördern, damit die sich eine bessere Zukunft aufbauen können. Es geht einfach nicht, dass Kinder nicht zur Schule gehen können, weil es nicht genügend Plätze in den öffentlichen Schulen gibt. Das ist wirklich beschämend für eine Zivilgesellschaft, oder einer Gesellschaft, die sich zivilisiert nennt.“

Ein wichtiges Thema – gerade für die Kinder - ist neben der Bildung auch die Integration vor Ort. Dass die Möglichkeit besteht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und als Teil der Gesellschaft anerkannt zu werden.

Der Stadtteil Casa Rossa könnte ein solcher Ort der Integration und des Zusammenwachsens werden. Casa Rossa liegt am römischen Stadtrand, das Romalager ist sozusagen nebenan. Schon von Weitem hört man das Pfeifen und Rufen. Kinder aus dem Ort spielen hier mit Romakindern Fußball, betreut werden alle zusammen von den Seminaristen. Es liegt in den Händen der jungen Generationen, sich aufeinander einzulassen und zusammenzuwachsen. Der zukünftige Priester Marco :

„Konkret müssen wir für die Menschen da sein, präsent sein. Und aus dieser Präsenz heraus können Ideen, Vorschläge und Initiativen entstehen, Projekte ins Leben gerufen werden. Wenn man von seinen eigenen Vorurteilen nicht los kommt, wird sich in der Situation der Roma nie etwas bewegen.“

(rv 12.10.2011 ks)








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