In der Diözese Rom
gehen Seminaristen gezielt zu einer besonders schlecht angesehenen Gruppe von Armen
und Ausgegrenzten – zu den Roma. Letzte Woche absolvierten sie im Zigeunerlager Salone,
1000 Einwohner, die größte Romasiedlung der italienischen Hauptstadt, ein Seelsorge-Praktikum.
Katharina Spitz war dabei.
Zugang zum Camp ist ein Parkplatz. Auf etwa der
Hälfte der Fläche parken kreuz und quer die Autos, es herrscht ein reges Kommen und
Gehen. Männer hantieren mit Werkzeug an den Fahrzeugen, Kinder spielen auf den Mauern,
zwischen den Karosserien und im Müll. Denn der nimmt die andere Hälfte des Parkplatzes
ein. Plastiktüten wehen über den Platz, es riecht schlecht. Neben dem Parkplatz führt
eine Straße in das Camp hinein, zunächst sieht man die Hütten der Offiziellen, dann
ein hoher Zaun, dann die Behausung der Menschen.
„Die Gemeinschaft der
Roma lebt unter Extrembedingungen, das lässt sich nicht leugnen.“
Andrea,
28, Seminarist, kennt die Situation der Roma in Salone und weiß, dass es viele Probleme
gibt.
„Die Leute haben uns zunächst sehr zurückhaltend empfangen. Sie wollten
uns erst gar nicht an ihre Hütten herankommen lassen. Denn sie sind sich der Bedingungen
sehr wohl bewusst, in denen sie leben. Uns wäre es ja sicher auch unangenehm, wenn
wir Gäste in einem unordentlichen Haus empfangen müssten. Und es ist auch so, dass
wenn Gäste zu diesen Menschen kommen, sie in erster Linie finanzielle Hilfe erwarten
und auch danach fragen. Und das ist auch verständlich. Man kann diesen Menschen nicht
versuchen, dass Evangelium zu übermitteln, wenn man sich nicht auch die Grundbedürfnisse
dieser Menschen bewusst macht.“
Während der ersten Oktoberwoche waren Andrea
und andere Priesteramtskandidaten des „Seminario Romano Superiore“ in Rom jeden Tag
in Salone. Sie haben dort eine Art Praktikum absolviert. Marco, 25, berichtet von
den lehrreichen Erfahrungen, die er bei den Roma gemacht hat. In den ersten Oktoberwochen
macht das Priesterseminar für Gewöhnlich immer eine Mission.
„Normalerweise
besuchen wir Gemeinden, dieses Jahr hingegen besuchten wir die Roma. Die Erfahrung
war prägend für uns alle, weil wir direkt mit Menschen konfrontiert waren, die unter
schwierigen Bedingungen leben. Und wenn man sich überlegt, dass sich das Lager in
Rom befindet, bringt das wirklich zum Nachdenken – zum einen mich als Mensch, aber
auch mich als Christ. Und es stellt sich auch die Frage, wie kann ich diesen Zuständen
begegnen?“
Die Gruppe ist jeden Morgen nach Salone gefahren und hat dort
die Messe gefeiert, an der vor allem die Kinder teilgenommen haben.
„Wir
alle saßen auf Planen und im Hintergrund war der Lärm der vorbeifahrenden Autos zu
hören, das war sehr speziell. Und nach der Messe sind wir in das Lager hinein gegangen
und haben Menschen getroffen, um ihnen zuzuhören und ihre Situation und Geschichten
kennen zu lernen.“
Die Seminaristen sind nach Salone gekommen, um die Roma
kennen zu lernen und ihnen zuzuhören. Sie wollen den Menschen zeigen, dass sie nicht
allein sind und es auch ihn ihrer Situation Hoffnung gibt.
„Jesus ist für
uns alle gestorben und auferstanden. Und diese Hoffnung gilt paradoxerweise vor allem
für diese Menschen. Und es ist schön, ihnen sagen zu können: Jesus ist auch für euch
da! Und viele haben sich gefreut, das zu hören. Ich habe überlegt, wie es sein kann,
dass bis heute kaum jemand mit ihnen über Jesus gesprochen hat. Wo sind die Priester?
Oder die Christen im Allgemeinen – wo sind sie, wer erzählt den Roma von Gott? Das
sollte die Aufgabe der ganzen Kirche sein.“
Initiiert hat das Praktikum
Pater Paolo Lojudice. Er hat schon länger Kontakt zu der Romabevölkerung.
„Viele
Roma betteln in Rom, aber auch in anderen Städten, vor den Kirchen um Almosen. Ihre
Anwesenheit in den Gemeinden, in denen ich tätig war, hat nach und nach die Aufmerksamkeit
und die erste Neugier in mir geweckt. Man kommt ins Gespräch, fragt wie man heißt
und wo man wohnt und so weiter, und irgendwann bin ich mit den Menschen dort hingegangen,
wo sie gewohnt haben.“
Im Mai 2007 wurde der Priester von offizieller
Seite in ein Romacamp eingeladen.
„Von da an ist meine Verbindung zu den
Roma kontinuierlich gewachsen. Wir haben den Dialog mit den Institutionen gesucht,
wir spielten mit den Kindern, dann haben wir die Menschen bei der Regelung ihrer Angelegenheiten
mit der Gewerkschaft oder den Behörden begleitet.“
Mit den Jahren baute
sich eine enge Partnerschaft auf. Hin und wieder werden Romalager aufgelöst und die
Menschen müssen in ein anderes Camp umziehen. Padre Lojudice hat den Kontakt bis heute
aufrecht erhalten. Bis sich die Situation der Roma nachhaltig verbessern kann, ist
aber noch ein langer Weg.
„Auf der einen Seite weiß ich, dass die Stadt
Rom viel Geld in diese Camps investiert. Die Container zum Beispiel, in denen die
Menschen wohnen, werden größtenteils von der Stadt gestellt. Nur Geld zu investieren
reicht aber nicht aus. Und das Wichtigste ist, die Kinder zu fördern, damit die sich
eine bessere Zukunft aufbauen können. Es geht einfach nicht, dass Kinder nicht zur
Schule gehen können, weil es nicht genügend Plätze in den öffentlichen Schulen gibt.
Das ist wirklich beschämend für eine Zivilgesellschaft, oder einer Gesellschaft, die
sich zivilisiert nennt.“
Ein wichtiges Thema – gerade für die Kinder -
ist neben der Bildung auch die Integration vor Ort. Dass die Möglichkeit besteht,
am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und als Teil der Gesellschaft anerkannt zu
werden.
Der Stadtteil Casa Rossa könnte ein solcher Ort der Integration und
des Zusammenwachsens werden. Casa Rossa liegt am römischen Stadtrand, das Romalager
ist sozusagen nebenan. Schon von Weitem hört man das Pfeifen und Rufen. Kinder aus
dem Ort spielen hier mit Romakindern Fußball, betreut werden alle zusammen von den
Seminaristen. Es liegt in den Händen der jungen Generationen, sich aufeinander einzulassen
und zusammenzuwachsen. Der zukünftige Priester Marco :
„Konkret müssen
wir für die Menschen da sein, präsent sein. Und aus dieser Präsenz heraus können Ideen,
Vorschläge und Initiativen entstehen, Projekte ins Leben gerufen werden. Wenn man
von seinen eigenen Vorurteilen nicht los kommt, wird sich in der Situation der Roma
nie etwas bewegen.“