Papst Benedikt hat
den Sonntag in Kalabrien verbracht, der ärmsten Region auf der italienischen Halbinsel.
Am Abend besuchte er das Kartäuserkloster San Bruno; es steht an der Stelle der Einsiedelei,
in der der heilige Bruno von Köln, geistiger Vater der Kartäuser, 1101 starb. Bei
seinem Treffen mit der Mönchsgemeinschaft meinte der Papst, durch den technischen
Fortschritt der Kommunikationsmittel drohe heutzutage das virtuelle Leben über die
Realität die Oberhand zu gewinnen. Das Leben sei aufgeregter und hektischer geworden:
„Unsere Städte sind fast immer laut: Selten herrscht Stille, auch nachts
bleibt immer ein Hintergrundgeräusch… Die jungen Leute scheinen jeden leeren Moment
mit Musik und Bildern füllen zu wollen, als hätten sie Angst vor dieser Leere. Diese
Tendenz hat es zwar immer schon gegeben, aber heute erreicht sie ein Niveau, dass
einige schon von einer anthropologischen Mutation sprechen. Einige Menschen können
Stille und Einsamkeit schlechthin nicht mehr ertragen.“
Unter diesem soziokulturellen
Aspekt stelle die Zelle der Kartäuser, in der die Stille und die Einsamkeit gepflegt
werden, ein wertvolles Geschenk für die Kirche und die Welt dar, so der Papst. Denn
in der Stille setze sich der Mensch der Realität und der Leere vollkommen aus, um
die Fülle der Anwesenheit Gottes erleben zu können. Zwar sei jedes Kloster eine „Oase“,
die Klausen der Kartäuser seien es jedoch in ganz besonderer Weise. Die Radikalität
ihres Ordenslebens könne den Menschen von heute helfen, sich selbst wiederzuentdecken.
„Wenn sich der Mönch zurückzieht, stellt er sich sozusagen der nackten
Wirklichkeit, stellt er sich der scheinbaren Leere, um stattdessen die Fülle Gottes,
der realsten Wirklichkeit überhaupt, die jenseits des Fühlbaren liegt, zu erforschen.
Gottes Präsenz kann sich überall zeigen: in der Luft, die wir atmen, im Licht, das
wir sehen, im Gras, in den Steinen… Gott, der Schöpfer, ist in allen Dingen, aber
ist gleichzeitig jenseits von ihnen, und gerade darum ist er der Grund von allem.
Der Mönch, der alles verlässt, geht ein Risiko ein: Er will nur vom Wesentlichen leben,
und gerade dadurch findet er auch zu einer tiefe Gemeinschaft mit den Brüdern, mit
jedem Menschen.”
Die Kartäuser gelten in ihrer Strenge als die einzige
Ordensgemeinschaft, die nie reformiert werden musste. Trotzdem hatte Benedikt XVI.
für sie eine Mahnung bereit: Man solle nicht denken, dass es mit dem Rückzug in die
Stille getan sei. Wie jede Berufung bedeute auch diese „einen Weg, eine lebenslange
Suche“.
„Es reicht nicht, sich an einen Ort wie diesen zurückzuziehen –
so wie es auch bei der Hochzeit nicht reicht, das Sakrament der Ehe einmal einzugehen.
Nötig ist vielmehr, die Gnade Gottes wirken zu lassen und sich auf einen täglichen
Weg zu machen. Mönche brauchen Zeit, Übung, Geduld, und gerade darin besteht die Schönheit
jeder Berufung: Gott Zeit zum Handeln an uns zu geben, mit der Zeit nach dem Maßstab
Christi zu wachsen... In den Augen der Welt scheint es manchmal unmöglich, ein Leben
lang in einem Kloster zu bleiben. Aber in Wirklichkeit ist ein Menschenleben kaum
ausreichend, um in die tiefe Einheit mit Gott einzutreten, in diese wesentliche und
tiefe Wirklichkeit, die Jesus Christus ist.“
Mit dem Besuch bei den Mönchen
beendete der Papst seine 25. Italienreise, die erste nach Kalabrien. Zuvor hatte er
sich an die Bevölkerung von Serre San Bruno gewandt und ein Gesellschaftsklima kritisiert,
das zuweilen durch eine von Wirtschaftsinteressen dominierte Mentalität verschmutzt
sei. Am Morgen hatte er eine Messe mit mehr als 40.000 Gläubigen im Industriegebiet
der Stadt Lamezia Terme gefeiert. Dabei ermutigte er die Kalabrier, trotz sozialer
Nöte, hoher Jugendarbeitslosigkeit und der „oft grausamen Kriminalität“ nicht zu verzagen.