2011-10-10 12:00:05

Papst in Kalabrien: Lob der Stille


RealAudioMP3 Papst Benedikt hat den Sonntag in Kalabrien verbracht, der ärmsten Region auf der italienischen Halbinsel. Am Abend besuchte er das Kartäuserkloster San Bruno; es steht an der Stelle der Einsiedelei, in der der heilige Bruno von Köln, geistiger Vater der Kartäuser, 1101 starb. Bei seinem Treffen mit der Mönchsgemeinschaft meinte der Papst, durch den technischen Fortschritt der Kommunikationsmittel drohe heutzutage das virtuelle Leben über die Realität die Oberhand zu gewinnen. Das Leben sei aufgeregter und hektischer geworden:

„Unsere Städte sind fast immer laut: Selten herrscht Stille, auch nachts bleibt immer ein Hintergrundgeräusch… Die jungen Leute scheinen jeden leeren Moment mit Musik und Bildern füllen zu wollen, als hätten sie Angst vor dieser Leere. Diese Tendenz hat es zwar immer schon gegeben, aber heute erreicht sie ein Niveau, dass einige schon von einer anthropologischen Mutation sprechen. Einige Menschen können Stille und Einsamkeit schlechthin nicht mehr ertragen.“

Unter diesem soziokulturellen Aspekt stelle die Zelle der Kartäuser, in der die Stille und die Einsamkeit gepflegt werden, ein wertvolles Geschenk für die Kirche und die Welt dar, so der Papst. Denn in der Stille setze sich der Mensch der Realität und der Leere vollkommen aus, um die Fülle der Anwesenheit Gottes erleben zu können. Zwar sei jedes Kloster eine „Oase“, die Klausen der Kartäuser seien es jedoch in ganz besonderer Weise. Die Radikalität ihres Ordenslebens könne den Menschen von heute helfen, sich selbst wiederzuentdecken.

„Wenn sich der Mönch zurückzieht, stellt er sich sozusagen der nackten Wirklichkeit, stellt er sich der scheinbaren Leere, um stattdessen die Fülle Gottes, der realsten Wirklichkeit überhaupt, die jenseits des Fühlbaren liegt, zu erforschen. Gottes Präsenz kann sich überall zeigen: in der Luft, die wir atmen, im Licht, das wir sehen, im Gras, in den Steinen… Gott, der Schöpfer, ist in allen Dingen, aber ist gleichzeitig jenseits von ihnen, und gerade darum ist er der Grund von allem. Der Mönch, der alles verlässt, geht ein Risiko ein: Er will nur vom Wesentlichen leben, und gerade dadurch findet er auch zu einer tiefe Gemeinschaft mit den Brüdern, mit jedem Menschen.”

Die Kartäuser gelten in ihrer Strenge als die einzige Ordensgemeinschaft, die nie reformiert werden musste. Trotzdem hatte Benedikt XVI. für sie eine Mahnung bereit: Man solle nicht denken, dass es mit dem Rückzug in die Stille getan sei. Wie jede Berufung bedeute auch diese „einen Weg, eine lebenslange Suche“.

„Es reicht nicht, sich an einen Ort wie diesen zurückzuziehen – so wie es auch bei der Hochzeit nicht reicht, das Sakrament der Ehe einmal einzugehen. Nötig ist vielmehr, die Gnade Gottes wirken zu lassen und sich auf einen täglichen Weg zu machen. Mönche brauchen Zeit, Übung, Geduld, und gerade darin besteht die Schönheit jeder Berufung: Gott Zeit zum Handeln an uns zu geben, mit der Zeit nach dem Maßstab Christi zu wachsen... In den Augen der Welt scheint es manchmal unmöglich, ein Leben lang in einem Kloster zu bleiben. Aber in Wirklichkeit ist ein Menschenleben kaum ausreichend, um in die tiefe Einheit mit Gott einzutreten, in diese wesentliche und tiefe Wirklichkeit, die Jesus Christus ist.“

Mit dem Besuch bei den Mönchen beendete der Papst seine 25. Italienreise, die erste nach Kalabrien. Zuvor hatte er sich an die Bevölkerung von Serre San Bruno gewandt und ein Gesellschaftsklima kritisiert, das zuweilen durch eine von Wirtschaftsinteressen dominierte Mentalität verschmutzt sei. Am Morgen hatte er eine Messe mit mehr als 40.000 Gläubigen im Industriegebiet der Stadt Lamezia Terme gefeiert. Dabei ermutigte er die Kalabrier, trotz sozialer Nöte, hoher Jugendarbeitslosigkeit und der „oft grausamen Kriminalität“ nicht zu verzagen.

(rv 10.10.2011 sk)









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