Station Freiburg: Papst Benedikt XVI. in der Stadt der Caritas
Wenn Benedikt XVI. am Samstag nach Freiburg kommt, besucht er damit auch den Sitz
des größten deutschen Wohlfahrtsverbandes: der Caritas. In welchen Bereichen setzt
sich die deutsche Caritas derzeit besonders ein? Und was bedeutet der Papstbesuch
für die Organisation, die bundesweit Arbeitgeber von rund einer halben Million Menschen
ist und eng mit der katholischen Kirche verzahnt ist? Für Radio Vatikan berichtet
aus Freiburg Anne Preckel:
Die Bundestagsrede des Papstes war auch ein Impuls
für die soziale Arbeit und das Ehrenamt in Deutschland. Das meint Roberto Alborino,
der bei der Caritas auf Bundesebene Referatsleiter für Fragen der Migration und Integration
ist. Papst Benedikt XVI. hatte in seinen Ausführungen vor den Abgeordneten davor gewarnt,
Recht in einer Demokratie allein auf Mehrheitsbeschlüsse zu gründen. Beim anschließenden
Treffen mit Vertretern der muslimischen Glaubensgemeinschaft appellierte er an die
deutsche Politik, auch die „öffentliche Dimension der Religionsausübung“ anzuerkennen
– beides Botschaften, die auf die Stärkung der Rechte von Minderheiten in Deutschland
zielen – zum Beispiel die der Migranten. Für den Caritas-Experten Alborino, der selbst
gebürtiger Italiener ist, gibt es in Deutschland in Punkto Integration noch einiges
zu tun:
„Zum Beispiel die Bleiberechts-Regelung: Die Caritas und
die Diakonie haben aktuell zu diesem Thema eine Erklärung herausgegeben. Ein anderer
Punkt ist die Frage des Asylbewerber-Leistungsgesetzes und der Menschen, die schon
in Deutschland leben, aber noch keine endgültige Aufenthaltsgenehmigung haben. Aber
auch zum Beispiel die Frage des sogenannten Resettlement – für die Menschen aus Nordafrika,
die Menschen aus dem Irak usw.“
Schwerpunkt der politischen Arbeit der
Caritas sei die Situation von Menschen ohne Aufenthaltsstatus und ihrer Familien:
„Das
sind Menschen, die keine Aufenthaltsgenehmigung haben, die in Anführungsstrichen „Illegalen“
– obwohl natürlich kein Mensch illegal ist. Für diese Menschen ist noch einiges zu
tun: zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung, gegen ihre Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt
und vieles mehr.“
Die katholische Kirche habe zusammen mit der Caritas
für die Kinder solcher Familien zumindest die Möglichkeit erwirkt, dass diese die
Schule besuchen könnten, so Alborino. Darauf könne man stolz sein. Insgesamt sei freilich
das Konzept von „Integration“ in Deutschland überholungsbedürftig. Die Idee des Gebens
und Nehmens müsse man auch wirklich konsequent verwirklichen, zum Beispiel über entsprechende
Gesetze und gesellschaftliches Bewusstsein. Alborino:
„Integration kann
man nicht nur mit Maßnahmen für Migranten leisten, sondern das ist ein gesellschaftlicher
Diskurs, in den alle mit einbezogen werden. Für uns heißt Integration auch selbstbestimmte
Teilhabe. Das heißt, Teilhabe an dieser Gesellschaft. Und die können wir nicht nur
durch Sprachkurse bekommen. Es braucht wirklich einen gesellschaftlichen Diskurs,
in den alle einbezogen werden: die Mehrheitsgesellschaft und die Migranten selber.
Und das ist ein ganz wichtiger Punkt für die Caritas und die Kirche in Deutschland.
(...) Das Verständnis, was Integration heißt, ist noch nicht richtig angekommen.
Integration wird meistens auch auf politischer Ebene so verstanden: Der Migrant muss
etwas leisten. Es ist richtig – der Migrant muss auch etwas leisten, aber eben auch
die Gesamtgesellschaft.“
Verbesserungsbedarf auf gesetzlicher Ebene sieht
der Caritas-Mitarbeiter zum Beispiel bei der Frage der doppelten Staatsangehörigkeit
für in Deutschland geborenen Kindern von Einwanderern: diese müssen sich in Deutschland
für eine der Nationalitäten entscheiden. Weiter gebe es auch auf dem Arbeitsmarkt
teilweise fortwährende Diskriminierung von Fachkräften, die aufgrund ihrer nicht-deutschen
Herkunft benachteiligt würden, so Alborino.
Die Caritas unterhält bundesweit
in Deutschland mehr als 20.000 soziale Einrichtungen: von der Kita bis zum Altenheim,
vom Hospiz bis zur Suchtberatungsstelle. Im Kontext der Wohlfahrtsorganisation engagieren
sich in Deutschland eine halbe Million Menschen ehrenamtlich. Auch deshalb wird erwartet,
dass sich der Papst in Freiburg zum Thema bürgerschaftliches Engagement äußern wird.
Die historischen Wurzeln der Caritas im Breisgau gehen auf den katholischen Geistlichen
Lorenz Werthmann zurück, dem es ab 1895 gelang, die bis dahin nebeneinander arbeitenden
katholischen Sozialeinrichtungen in Freiburg unter einem Dach zu vereinen. Damit schuf
der Priester jene Strukturen, die den Deutschen Caritasverband bis heute prägen.