Papst Benedikt lobt christlichen Widerstand gegen die DDR
Einen Gottesdienst in einem ausgesprochenen Diaspora-Gebiet hat Papst Benedikt an
diesem Samstagmorgen in Erfurt gefeiert. Dabei lobt er den Widerstand vieler Christen
gegen das DDR-Regime. Die Katholiken von heute rief er dazu auf, in ihre säkulare,
suchende Umgebung das Licht des Glaubens hineinzutragen. Dabei sollten sie sich vom
Beispiel großer Heiliger wie Elisabeth von Thüringen und Bonifatius leiten lassen
und sich dessen bewusst sein, dass Glauben „immer auch wesentlich ein Mitglauben“
ist, also sich in der Kirche realisiert. Der katholische Glaube habe „auch als öffentliche
Kraft in Deutschland Zukunft“, wenn sich die Menschen „dem ganzen Glauben“ öffnen,
so der Papst.
30.000 Menschen, Katholiken, Protestanten und auch Neugierige,
hatten sich auf dem Erfurter Domplatz eingefunden, um mit dem Papst die Messe zu feiern.
Was Benedikt den Menschen zu sagen hatte, war Anerkennung und Auftrag gleichermaßen.
„Liebe Brüder und Schwestern, hier in Thüringen und in der früheren DDR
habt ihr eine braune und eine rote Diktatur ertragen müssen, die für den christlichen
Glauben wie saurer Regen wirkte. Viele Spätfolgen dieser Zeit sind noch aufzuarbeiten,
vor allem im geistigen und religiösen Bereich. Die Mehrzahl der Menschen in diesem
Lande lebt mittlerweile fern vom Glauben an Christus und von der Gemeinschaft der
Kirche. Doch zeigen die letzten beiden Jahrzehnte auch gute Erfahrungen: ein erweiterter
Horizont, ein Austausch über Grenzen hinweg, eine gläubige Zuversicht, dass Gott uns
nicht im Stich lässt und uns neue Wege führt.“
Besonders im Eichsfeld widerstanden
viele katholische Christen der kommunistischen Ideologie, strich der Papst hervor.
Viele hätten persönliche Nachteile in Kauf genommen, um ihren Glauben zu leben. Dann
die Wende 1989. Die politischen Veränderungen in unserem Land waren, sagte der Papst,
„nicht nur durch das Verlangen nach Wohlstand und Reisefreiheit motiviert,
sondern entscheidend durch die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit. Diese Sehnsucht wurde
unter anderem durch Menschen wach gehalten, die ganz im Dienst für Gott und den Nächsten
standen und bereit waren, ihr Leben zu opfern.“
Sie und verschiedene Heilige
wie Elisabeth von Thüringen und Bonifatius
„geben uns den Mut, die neue
Situation zu nutzen. Wir wollen uns nicht in einem bloß privaten Glauben verstecken,
sondern die gewonnene Freiheit verantwortlich gestalten. Wir wollen als Christen auf
unsere Mitbürger zugehen und sie einladen, mit uns die Fülle der Frohen Botschaft,
ihre Gegenwart und Lebenskraft und Schönheit zu entdecken.“
Ausdrücklich
bedankte sich Benedikt XVI. bei allen Priestern und kirchlichen Mitarbeitern aus der
DDR-Zeit. Aufrichtiger Dank gelte zudem allen Eltern, die „in einem kirchenfeindlichen
politischen Umfeld ihre Kinder im katholischen Glauben erzogen haben“. Auch in der
Flüchtlingsseelsorge hätten viele Geistliche und Laien „Großartiges geleistet, um
die Not der Vertriebenen zu lindern und ihnen eine neue Heimat zu schenken“.
Die
Katholiken erinnerte der Papst daran, dass echter Glauben sich in der Kirche verwirklicht
– das weniger als Vorschrift denn als Tatsachenbeschreibung.
„Glaube ist
immer auch wesentlich ein Mitglauben. Niemand kann allein glauben. … Ganz praktisch
verdanke ich meinen Glauben meinen Mitmenschen, die vor mir geglaubt haben und mit
mir glauben. Dieses große „mit“, ohne das es keinen persönlichen Glauben geben kann,
ist die Kirche. Und diese Kirche macht nicht vor Ländergrenzen halt. Hier zeigt sich,
wie wichtig der geistliche Austausch ist, der sich über die ganze Weltkirche erstreckt…
Wenn wir uns dem ganzen Glauben in der ganzen Geschichte und dessen Bezeugung in der
ganzen Kirche öffnen, dann hat der katholische Glaube auch als öffentliche Kraft in
Deutschland Zukunft.“
In einem mehrfach von Beifall unterbrochenen Grußwort
zu Beginn des Gottesdienstes nannte der Erfurter Bischof Joachim Wanke den ersten
Papstbesuch in Ostdeutschland ein Zeichen der Ermutigung für alle ostdeutschen Katholiken,
die in der Zeit des Sozialismus das katholische Bekenntnis des Glaubens treu bewahrt
hätten. Wanke begrüßte zur Messe auch "eine beträchtliche Zahl evangelischer Mitchristen,
denen wir uns herzlich verbunden fühlen" und dankte dem Papst für seine "großherzige
Bereitschaft, mit der Sie gestern im Erfurter Augustinerkloster der evangelischen
Kirche in Deutschland begegneten. Das Evangelium braucht gerade in diesem Land Thüringen
unser gemeinsames ökumenisches Zeugnis", sagte Wanke. (rv/diverse 24.09.2011 gs)