Bischof Wanke: Papst wird uns die Gottesfrage vor Augen halten
Benedikt XVI. besucht
in diesen Tagen nicht nur Berlin: Sein Reiseprogramm führt ihn am Freitag und Samstag
auch nach Erfurt, zum ersten Aufenthalt eines Papstes in den neuen Bundesländern.
Der Leiter des deutschen Programms von Radio Vatikan, Pater Bernd Hagenkord SJ, sprach
am Dienstag in Erfurt mit Bischof Joachim Wanke.
Herr Bischof, was wünschen
Sie sich, was erwarten Sie vom Papstbesuch in Thüringen?
„Dass der Papst
die Gläubigen stärkt und uns hilft, in der veränderten geistigen und politischen Situation
unseren Weg als Christen in Zuversicht weiterzugehen.“
Erhoffen Sie sich
das durch die reine Anwesenheit des Papstes oder durch die speziellen einzelnen Gesten,
die der Papst machen wird, die Ökumene oder die Vesper in Etzelsbach zum Beispiel?
„Das
Gesamtereignis Papstbesuch wird dazu beitragen, natürlich aber auch vornehmlich seine
Verkündigung. Aber auch, dass er einfach auch bei diesem Besuch einmal Halt macht
in den sogenannten neuen Bundesländern und auf diese Weise seine Verbundenheit mit
Gläubigen und den Menschen hierzulande zum Ausdruck bringt.“
...und auch
mit der sehr eigenen Geschichte, die der Katholizismus hier hat und der anders ist
als der, den man erlebt, wenn man hundert Kilometer gen Westen fährt?
„Das
ist ja bekannt, dass die katholische Kirche in unterschiedlicher Weise in Deutschland
präsent ist, aber wir haben ja alte christliche Wurzeln hier, von Bonifatius angefangen.
Die große Bistumspatronin, die heilige Elisabeth von Thüringen, ist auch in der nichtkirchlichen
Bevölkerung durchaus emotional verankert, sodass wir hier eine interessante Kirchengeschichte
haben. Aber die Entwicklung ist bekannt: Die säkularistischen Tendenzen sind sehr
stark, und viele Menschen haben leider auch von Kindheit an auch keine Verbindung
mehr mit christlichem Glauben.“
Ungefähr 5% der Thüringer sind Katholiken,
ist das richtig?
„Das könnte hinkommen, wir haben 2,3 Millionen Einwohner
im Bundesland Thüringen, und wenn man die katholische Rhön, die zum Bistum Fulda gehört,
und das Altenburger Land, das zu Dresden-Meissen gehört, mitzählt, werden es vielleicht
200.000 katholische Christen sein, die hier im Freistaat Thüringen leben.“
Ist
es denn nicht ein bisschen viel Aufwand, wenn so eine kleine Minderheit katholisch
ist, dass der Papst kommt, und wenn Sie hier durch Erfurt gehen, ist ja alles blockiert
und zugeschweißt... Ist das nicht alles ein bisschen viel?
„Das ist natürlich
ein offizieller Besuch, den der Papst hier in Deutschland macht, und die Sicherheitsvorkehrungen
sind auch von den Behörden veranlasst, dafür braucht man ein gewisses Verständnis.
Aber ich denke, man sollte die Besuchsziele des Papstes nicht von Quantitäten abhängig
machen, sondern für uns ist es eine Freude und Ehre - und das stärkt natürlich auch
unsere weltkirchliche Zusammengehörigkeit und es stärkt uns auf unserem Wege hier,
auch in der Diaspora-Situation als katholische Christen zu leben.“
Die
große Unbekannte der Reise ist Etzelsbach: Das ist ja außerhalb von Thüringen, vielleicht
sogar außerhalb vom Eichsfeld relativ wenig bekannt. Warum steht das auf dem Programmplan,
warum hat der Papst entschieden, nach Etzelsbach zu fahren?
„Es gab früher
Einladungen an den Papst, wenn er in die neuen Länder kommt, dann einmal das Eichsfeld
zu besuchen, es ist ja eine katholisch geprägte Region, und von daher erklärt sich
das Ziel. Ich denke schon, dass der Papst sonst auch unbekanntere Orte besucht, die
aber von regionaler Bedeutung sind. Ich freue mich, dass das möglich ist und der Papst
die Strapaze sozusagen eines doppelten Aufenthaltes hier in Thüringen auf sich nimmt;
das ist nicht nur für die Eichsfelder eine Freude, sondern ich denke schon, auch für
die Eichsfelder, die in ganz Deutschland leben und mit ihrer Heimat immer verbunden
sind.“
Für alle Nicht-Eichsfelder wie mich und wohl die meisten unserer
Hörerinnen und Hörer bitte ein-zwei Sätze zu der geistigen Bedeutung dieses Wallfahrtsorts
für das Eichsfeld und für Thüringen...
„Das Eichsfeld ist kleinteilig.
Es hat nicht so große bekannte Wallfahrtsorte wie vielleicht im süd- oder westdeutschen
Raum, aber es hat in der wechselvollen Geschichte des Eichsfeldes eine Rolle gespielt,
dass dort Marienwallfahrtsorte vorhanden waren, und da ist Etzelbach mit das älteste
Marienwallfahrtsheiligtum (neben dem Hölfensberg, das dem gekreuzigten Herrn gewidmet
ist). Die Sammlung der Menschen auch in den Nöten und in den Wechselfällen der Geschichte,
in den Nöten der Zeit, das hat eine große geistliche, seelsorgliche Bedeutung gehabt
und sehr viel für den Erhalt eines geistlichen Grundwasserspiegels, auch in der Geschichte
der Region, bedeutet.“
Und wenn Etzelsbach die große Unbekannte ist, so
ist die scheinbar große Bekannte die Ökumene. Was bedeutet der Besuch an diesem Lutherort
für die Ökumene, für die Entwicklung der Ökumene in Deutschland?
„Der Papst
hat selbst auch die Anregung gegeben bzw. ist der Einladung gefolgt, das Augustinerkloster
zu besuchen, in dem bekanntlich Luther als Mönch lebte. Das freut uns, dass diese
Begegnung mit der Spitze der evangelischen Kirche in Deutschland hier bei uns in Erfurt
auf diese Weise stattfinden kann. Es bringt auch ein wenig das gewachsene, gute ökumenische
Verhältnis zum Ausdruck, das wir in den ganzen Jahrzehnten auch der alten DDR-Zeit
hatten. Wir wissen, dass wir als evangelische und katholische Christen nur zusammen
das Evangelium bezeugen können, und diese Begegnung wird ohne Zweifel auch dieses
ökumenische gute Klima, das wir hier vor Ort haben, weiter beflügeln.“
Der
Papst ist ein ausgesprochener Kenner der Theologie Martin Luthers; im Vorfeld haben
wir uns jetzt auch ein bisschen mehr damit beschäftigt. Was kann denn Martin Luther
heute vielleicht auch anlässlich des Luther-Jubiläums uns Katholiken sagen?
„Er
kann uns die Gottesfrage wieder vor Augen halten, denn die religiöse Situation vor
500 Jahren war ohne Zweifel anders als in der derzeitigen Situation. Luther ist ein
durch und durch religiöser Mensch, und er ist bewegt von der Frage nach Gott und dem
Verhältnis des Menschen zu seinem Schöpfer und Erlöser. Unsere Zeit ist gottvergessen,
und der Gotteshorizont ist uns entschwunden, insofern ist der energische Ruf Luthers,
Gott die Ehre zu geben, auch ein Anruf für uns, und wir können als evangelische und
katholische Christen gemeinsam auf diese Grundbotschaft hören, Gott wirklich die Ehre
zu geben, mit seiner Wirklichkeit zu rechnen, unser Leben nach seinem Willen auszurichten.“
Die
Visite des Papstes gilt ja der deutschen Kirche im ganzen, und dort läuft im Augenblick
der Gesprächsprozess. Was glauben Sie, inwiefern wird der Besuch des Papstes beitragen
zu diesem Gesprächsprozess?
„Wir leben in einem tiefen geistigen Umbruch
unserer Zeit und es ist allenthalben zu spüren, dass die Sozialgestalt von Kirche
sich auch wandeln wird. Dieser geschlossene Katholizismus der letzten Generationen
bricht auf in eine Gestalt, von der wir noch nicht so genau wissen, wie sie aussehen
wird. Auf jeden Fall wird der Pluralismus, der in der Gesellschaft vorherrschend ist,
auch Rückwirkungen haben auf das Leben und die Gestalt des kirchlichen Lebens. In
dieser Situation, in der die Kirche in einem tiefen Umbruch steht, ist es wichtig,
dass der Papst uns ein Stück Mut gibt und Zuversicht, auch mit neuen Herausforderungen
fertig zu werden. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Wege in eine solche neue
Situation nur durch das Gespräch gefördert werden können. Nicht polarisierend, nicht
gegeneinander, sondern in der gemeinsamen Verantwortung zur Suche nach dem, was Gottes
Wille für hier und heute ist.“