2011-09-20 08:51:31

Woelki: Demonstrieren ist Menschenrecht, „und das ist auch gut so“


RealAudioMP3 Erst seit wenigen Wochen ist Rainer Maria Woelki Erzbischof von Berlin – und muss schon einen Papstbesuch stemmen. Keine leichte Aufgabe. Pater Bernd Hagenkord sprach mit ihm über die Erwartungen an den Papstbesuch, über die Demonstrationen, die Kosten und ähnliche Punkte. Hier finden Sie den Text des Interviews.

Die Schlagzeilen vom Wochenende: „Der Wunderheiler", „Der Papst trifft Missbrauchsopfer", „Weiter Streit über geplante Rede im Bundestag", das sind alles Konfliktthemen, die um Augenblick durch die Zeitungen und nicht nur durch die Zeitungen geistern. Was meinen Sie: Hat der Papst eine Chance, gehört zu werden, oder wird es bei den Konfliktthemen bleiben, wenn er kommt?

„Ich glaube, dass er bei uns Katholiken auf offene Ohren trifft und dass wir uns wirklich freuen, dass er kommt. Ich habe den Eindruck, dass das eher eine bestimmte Gruppe ist, die jetzt gegenwärtig diese Konfliktthemen schürt, vielleicht auch ein Stück mit durch die öffentliche Meinung beeinflusst. Gerade was die Rede im Bundestag angeht, tue ich mich persönlich etwas schwer damit, denn der Papst hat sich ja nicht selber darum beworben, hier eine Rede halten zu dürfen, sondern er ist auf Einladung des Bundespräsidenten und des Bundestagspräsidenten gekommen. Die verschiedenen Parteien, die im Bundestag sind, haben dem zugestimmt. Die Einladung ist von dort aus ergangen. Um so erstaunlicher ist jetzt die Reaktion, die man von dort hört.“

Sie haben sich am Freitag mit dem Verband der Lesben und Schwulen getroffen; war das Teil der Papstbesuchs-Vorbereitungen oder war das Teil ihres Amtes als Erzbischof von Berlin?

„Ich glaube, dass war sowohl als auch. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass im Vorfeld meiner Ernennung eine Äußerung, die ich einmal in einem Personalgespräch gegenüber einem Diakonanden getan habe, dann durch die Medien kolportiert wurde. Der Lesben- und Schwulenverband hat dies zum Anlass genommen, mich gleich zu einem Gespräch einzuladen. Ich habe diese Einladung angenommen. Das Gespräch hat am Freitag in einer sehr konstruktiven und offenen Atmosphäre stattgefunden. WIr haben dort gegenseitig noch einmal deutlich unsere Positionen ausgetauscht. Ich habe deutlich gemacht, dass wir uns als Katholische Kirche für das Ideal einer Ehe zwischen einem Mann und einer Frau entscheiden und dass diese Liebesbeziehung in der Ehe dann auch offen ist auf das Kind hin, dass wir aber auch selbstverständlich allen anderen Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung natürlich auch mit Respekt und Achtung begegnen. Aber das ist unser Lebensideal: Die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, offen für das Kind.“

Reagiert haben Sie auch auf Volker Beck, was Teil der öffentlichen Debatte in der Hauptstadt Berlin war. Wird das in den nächsten Tagen konstruktiv verlaufen, oder glauben sie, dass es unter den sich kritisch äußernden Politikern auch in Richtung Konflikt gehen wird?

„Gerade Volker Beck hat gestern noch einmal in den Medien geäußert, dass er aus Respekt und Achtung dem Papst gegenüber an der Rede im Bundestag teilnehmen wird, dass er dann aber die Haltungen, die die Katholischen Kirche gerade im Blick auf die Sexualmoral vertritt, nicht teilen kann, und dass er von daher nach der Rede gleich zu den Protestkundgebungen gehen wird. Also, wir leben in einem demokratischen Land. Das Demonstrationsrecht gehört zu unseren Persönlichkeitsrechten, zu unseren Grundrechten, und das ist auch gut so, dass es sie gibt... und das muss jeder für sich selber entscheiden.“

Wenn Sie träumen dürften: Wass müsste passieren, dass sie am Freitag sagen könnten, dass es ein guter Besuch in Berlin war?

Erzbistum „ist wirklich multikulti“

„Ich bin sicher, dass es ein guter Besuch des Heiligen Vaters hier bei uns in Berlin wird. Vor allem, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass es den Heiligen Geist auch gibt - und der ist eigentlich wichtiger als das, was da gegenwärtig an Geist in den Medien oder anderen Gremien verstreut wird. Ich bin überzeugt, dass der Heilige Geist die Herzen der Menschen öffnen wird, auch derer, die im Bundestag anwesend sein werden. Und ich vertraue auch einfach auf das Wort des Heiligen Vaters, der es bisher immer geschafft hat, die Herzen der Menschen zu öffnen.“

Gehen wir noch einmal einen Schritt zurück oder weiten wir den Horizont: Sie sind Erzbischof von Berlin geworden, was ist Ihr Eindruck von der Stadt? Was ist das für eine Stadt, die der Papst hier besuchen wird?

„Es ist eine sehr lebendige, eine sehr bunte, eine sehr heterogene Stadt. Die Christen sind eine kleine Gruppe, nur jeder Dritte ist ein Christ, und insofern ist hier das ökumenische Miteinander ein ganz Wichtiges, was wir zu leisten haben, dass wir als evangelische und als katholische Christen gemeinsam mit den anderen Christen insbesondere zu Zeugen der Gegenwart Gottes in dieser Stadt werden, dass wir unsere Stimme dort erheben, wo insbesondere das Lebensrecht des Menschen zu Beginn und am Ende bedroht ist. Ich glaube, dass in dieser Stadt viele auf der Suche sind nach Suche und nach Halt und nach Orientierung. Es sind große soziale Probleme festzustellen, und leider habe ich den Eindruck, dass die Gesellschaft oder zumindest die, denen es in der Gesellschaft besser geht, dass die von den Problemen ablenken und wegschauen. Insofern glaube ich, dass wir als Christen eine große Herausforderung zu bestehen haben, hier den Geist Jesu, den Geist des Evangeliums konkret erfahrbar zu machen.“

Was muss ich denn als Nichtberliner wissen, um Berliner Katholizismus verstehen zu können?

„Ich muss wissen, dass hier viele katholische Christen schon in den vergangenen Jahren zugewandert sind, viele aus Osteuropa, viele aus Schlesien, und dass heute große ausländische Gemeinden hier bei uns im Erzbistum tätig sind und leben. Ich glaube, dass es ungefähr 25 ausländische Gemeinden sind, die bei uns in Berlin anzutreffen sind. Insofern haben wir eine Diözese, die wirklich multikulti ist. Wir haben am vergangenen Freitag ein großes Willkommensfest für den Heiligen Vater gefeiert und da war alles vertreten, von Asien angefangen über Nordamerika, Europa natürlich. Das war ein großes Fest und wir haben etwas von der Weltkirche hier bei uns gespürt.“

Noch einmal zurück zu den kritischen Themen: Sie haben am Wochenende einen Gemeindebrief geschrieben, in dem sie unter anderem über Geld sprechen. Das ist ja einer der Punkte, der immer wieder angesprochen wird. Wie rechtfertigen Sie die doch recht großen Summen vor ihren Gläubigen und vor den Kritikern?

Keiner möchte, dass sich sowas wie in Duisburg wiederholt

„Zunächst einmal haben wir den Heiligen Vater eingeladen. Und jeder, der eine solche Einladung ausspricht, muss wissen, dass so etwas nicht zum Nulltarif zu haben ist. Ich frage mich, ob wir einmal darüber diskutieren sollten, wie viel Geld wir am Wochenende aus der öffentlichen Hand für die Durchführungen von Sportveranstaltungen, insbesondere für die Durchführung von Bundesligaspielen organisieren. Wenn ich sehe, wie viel Polizei für die Durchführung eines Bundesligaspiels oft notwendig ist!
Nein, wir freuen uns, dass der Papst kommt. Das kostet etwa, weil die Leute ihn hören wollen, weil sie ihn sehen wollen. Dazu ist natürlich Technik notwendig, es sind Leute notwendig, die das aufbauen, die das organisieren, die im Hintergrund arbeiten. Es ist eine Form von Sicherheit notwendig; keiner möchte, dass sich so etwas wiederholt, was wir in Duisburg erlebt haben. Insofern ist so etwas nicht zum Nulltarif zu haben.
Ich glaube, dass wir hier in Berlin gerade durch unsere Entscheidung, ins Olympiastadion zu gehen, sehr gut aufgestellt sind und damit die anfallenden Kosten doch in einem engen Rahmen begrenzen konnten. Es sind hohe Kosten, 3,5 Mio Euro sind viel Geld. Ich finde es problematisch, jetzt einfach zu sagen, dass wir es hätten weggeben können, an die Armen. Das haben wir schon einmal im Evangelium gehabt, als Maria kommt, um den Herrn die Füße zu salben. Da ist auch einer, der sagt, wir hätten das Öl verkaufen können und den Armen geben. Das hätte man machen können. Aber wir werden nicht sparen bei unserem sozial-karitativen Engagement, für den Papstbesuch.
Darüber hinaus glaube ich, dass auch bei uns die Menschen hungern. Sie hungern in einer anderen Weise als in Ostafrika, die wir nicht vergessen. Wir haben einen Fonds dafür aufgelegt. Bei uns hungern sie nach Sinn, hungern sie nach dem Leben. Der Papst kommt, um uns Worte des Lebens zu schenken und diesen Hunger nach Sinn und Leben zu stillen. Insofern, glaube ich, ist das ganz gut investiertes Geld.“

Die Vorwürfe beziehen sich auch meistens nicht auf die allgemeinen Kosten, sondern auf die Vergleichskosten, etwa was Opfer von sexuellem Missbrauch bekommen. Da sehen die Kosten für die Institution Kirche doch sehr hoch aus, und da ist die Kritik sehr scharf.

„Natürlich ist das eine scharfe Kritik. Ich glaube, dass man in diesem Zusammenhang noch einmal sehr deutlich machen muss, dass die Kirche sich gerade mit Blick auf den Missbrauch schuldig gemacht hat, dass wir sehr hohe Verantwortung auf uns geladen haben und auch Schuld auf uns geladen haben. Wir werden diese Schuld jedoch niemals finanziell ausgleichen können. Es ist lediglich eine Form der Anerkennung, die wir darüber leisten können. Ich denke – jedenfalls, soweit ich das weiß, sind diese Summen nur ein Teil. Darüber hinaus wird - soweit ich das weiß - im stillen manch andere Therapie und manch andere therapeutische Begleitung im Hintergrund übernommen, damit den Opfern, die heute noch unter den Folgen dieser schrecklichen Tat, die sie erleiden mussten, leiden, auf diesem Weg geholfen wird.“

Sie haben den Fonds gerade schon angesprochen, den Benedikt-Ostafrika-Fonds. Was hat es damit auf sich?

„Zwölf Millionen Menschen sind in Ostafrika vom Hungertod bedroht, und wir wollen hier nicht einfach nur feiern, wir wollen nicht nur den Papst willkommen heißen, sondern wir wollen auch unsere Solidarität mit Menschen in Not zum Ausdruck bringen. Die leben gewissermaßen fast vor unserer Haustür. Deswegen wollen wir dem Papst die Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die ihm erlauben, Leben zu ermöglichen, Hunger zu bekämpfen.“

Also eine Unterstützung über Deutschland hinaus.

„Genau. Wir wollen dem Evangelium eine konkrete Gestalt geben. Wir wollen dem Nächsten, der in seinem Leben und seiner Existenz bedroht ist, wirklich zur Seite stehen und helfen.“

Das Gespräch mit Erzbischof Woelki führte Pater Bernd Hagenkord SJ, der Leiter des deutschen Programms von Radio Vatikan.

(rv 20.09.2011 ord)








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