Papst Benedikt wird
bei seiner Rede im Deutschen Bundestag vermutlich das dem Protest geschuldete Fehlen
einiger Abgeordneter mit Schweigen übergehen. Das meint der Leiter des Katholischen
Büros der Deutschen Bischofskonferenz in Berlin, Karl Jüsten. Nach Ansicht des Prälaten
ist der Papst „zu souverän“ zum Nachkarten. Gudrun Sailer sprach an diesem Dienstag
mit ihm.
Die Rede Papst Benedikts am Donnerstag im Bundestag: Dutzende Abgeordnete
haben angekündigt, sie wollen die Ansprache boykottieren. Was steht dahinter: Heischen
nach medialer Aufmerksamkeit, oder echte Sorge um die Trennung zwischen Staat und
Kirche?
„Zunächst muss man anerkennen, dass im Bundestag nicht nur Christen
sind, sondern auch viele Parlamentarier, die einer anderen Religionsgemeinschaft angehören,
von daher ist es in der Natur der Sache, dass nicht alle so denken wie die katholische
Kirche. Ansonsten kann man das Verhalten nur schwer verstehen, denn der Bundestag
sprich die Abgeordneten haben den Papst eingeladen, und es ist irgendwie schon komisch,
dass die, die einladen, dann nicht da sind. Der Protest der Abgeordneten müsste sich
dann eigentlich gegen die Mehrheit ihrer Parlamentskollegen richten, die für den Papst
waren. Das Ausland versteht das alles nicht, die ganze Aktion macht einen hilflosen
Eindruck. Ganz aberwitzig ist, dass man jetzt der katholischen Kirche unterstellt,
dass die Abgeordneten, die fernbleiben, von uns unter Druck gesetzt werden. Das ist
abstrus, denn Parlamentarier sind frei gewählt und nur ihrem Gewissen verantwortlich,
und die katholische Kirche übt keinen Druck auf einzelne Parlamentarier aus. Im übrigen
wird das der Rede keinen Abbruch tun, der Papst ist souverän und die Rede wird vermutlich
von so einem Gewicht sein, dass sie dann für sich spricht und damit werden die Kritiker
dann auch verstummen.“
Haben Sie Mutmaßungen, worüber der Papst reden wird?
„Das
weiß man nicht, man weiß aber, worüber sich der Papst im Vorfeld informiert hat. So
vermute ich, er wird über die Grundlagen moderner Demokratie sprechen, wie das Verhältnis
ist zwischen christlichem Glauben und Pluralismus, Welchen Beitrag Christen leisten
können für die Stabilisierung der Demokratie, aber auch für die politischen Entscheidungen.
Und ich vermute auch und würde mich freuen, wenn er ein Wort über Europa sagen würde,
es geht nicht nur um die Rettung der Finanzmärkte, sondern um eine Werteentscheidung.
Wenn wir jetzt die Finanzmärkte retten, tragen wir dazu bei, Europastabil zu halten
und das ist eine Werteentscheidung.“
Meinen Sie, der Papst wird in seiner
Rede ganz subtil auch auf das Fernbleiben eines Teils des Bundestags antworten?
„Nein,
ich glaube, dazu ist er zu souverän. Er wird seine Rede halten und sich sicher auch
an die wenden, die nicht katholisch sind, die Muslime, die Juden, denen er ja unmittelbar
danach im Bundestag begegnet. Und er wird sich auch an die Agnostiker wenden, und
damit wird er eben zeigen, wie souverän er ist, dass er seine Themen setzen möchte
und sich nicht mit kleinkarierten Themen auseinandersetzt wie Fernbleiben von Abgeordneten.“
Welches Nachleben kann die Rede haben? Werden Parlamentarier sie gründlich
studieren und in irgendeiner Weise in politische Arbeit ummünzen?
„Ich
vermute, diese Rede wird eine Fundgrube werden, die zu wichtigen Fragen herangezogen
wird, besonders Grundsatzfragen in unserem Land, um Grundwerteentscheidungen. Und
da wird diese Rede vermute ich von allen Fraktionen zitiert, am liebsten werden solche
Reden übrigens immer von jenen zitiert, die nicht der katholischen Kirche angehören,
und nicht einer der christdemokratischen Parteien, um die zu ärgern, aber daran sieht
man, welche Kraft solche Reden entfalten, dass jeder daraus etwas nehmen kann.“