2011-09-19 11:28:42

Bischof aus Jerusalem: „Abbas hat keine andere Wahl“


RealAudioMP3 Die Palästinenser wollen sich am Freitag an die UNO wenden und formell um ihre Anerkennung als Staat ersuchen. Die diplomatische Initiative sorgt bei israelischen, amerikanischen und europäischen Diplomaten für Hinterzimmerhektik. Am letzten Mittwoch hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Bischöfe aus Jerusalem in seinem Amtssitz in Ramallah empfangen, um ihnen sein Projekt zu erläutern. Die orthodoxen, katholischen und protestantischen Bischöfe riefen danach in einer gemeinsamen Erklärung zu Gebet und diplomatischen Anstrengungen auf. William Shomali ist der Lateinische Weihbischof von Jerusalem. Er meint im Interview mit uns:
„Alle Palästinenser und mit ihnen die Christen schauen derzeit auf die Vereinten Nationen: Wird die Vollversammlung Palästina als Staat, aber Nicht-UNO-Mitglied anerkennen? Das ist etwas verwirrend: Man kann ein Staat sein, aber gleichzeitig doch kein UNO-Mitglied. Für die Palästinenser würde das einen Schritt nach vorn bedeuten, weil es ihnen neue Möglichkeiten öffnet. Vor allem gibt es ihnen bei Friedensgesprächen mit Israel einen besseren Status, als sie ihn bisher haben.“
In völkerrechtlicher Hinsicht ist noch vieles offen an dem Spiel: Viele Beobachter halten es für möglich, dass Palästina schließlich einen ähnlichen Beobachter-Status bei den Vereinten Nationen erhält, wie ihn früher die Schweiz hatte und derzeit der Vatikan. Shomali setzt auf alles, was den Palästinensern aus ihrer derzeitigen Lage heraushilft:
„In wirtschaftlicher Hinsicht geht es den Christen in Palästina im Moment zwar etwas besser, weil die Pilgerfahrten vor allem nach Betlehem wieder angezogen haben. Es bleibt aber schwierig wegen der Barrieren, der Schwierigkeiten beim Beschaffen einer Arbeitserlaubnis oder der Genehmigungen zum Hausbau. 31 Prozent der Palästinenser sind arm, die Arbeitslosigkeit liegt bei 29 Prozent.“
Beim diplomatischen Tauziehen zwischen Ramallah, Tel Aviv, Washington und auch Brüssel sind die christlichen Palästinenser derzeit nur Zuschauer, so Bischof Shomali:
„Wir können mit nur zwei Prozent Christen keine besondere Stimme und kein besonderes Gewicht beanspruchen. Doch es gibt immerhin christliche Minister in der palästinensischen Regierung; Präsident Abbas hört unsere Stimme, und als er uns vor kurzem in seinen Präsidentenpalast einlud, hat er uns um unsere Gebete für seine UNO-Initiative gebeten; das hat uns berührt. Und auch, dass er das Evangelium zitiert hat, um zu beteuern, dass er gegen jedwede Gewalt oder Rache sei. Seine Haltung ist beeindruckend; ich glaube, das ist der richtige Moment für Initiativen dieser Art, solange wir über solche Führungspersönlichkeiten verfügen.“
Hätten die Palästinenser sich nicht um ein Wiederauftauen des tiefgefrorenen Friedensprozesses bemühen sollen, wie das etwa Nahost-Vermittler Tony Blair vorgeschlagen hat? Nein, das bringt nichts, meint der Bischof.
„Die Verhandlungen sind gescheitert - und genau darum wendet sich Abbas doch an die Vereinten Nationen! Wir finden zu keiner gemeinsamen Ausgangsbasis mit Israel, etwa in der Frage der Grenzen, beim Status der Flüchtlinge und beim Status von Jerusalem. Wir sehen im Moment keine sichere Basis, die Abbas davon dispensieren könnte, sich an die UNO zu wenden.“
Wahrscheinlich bekommt Palästina in der Vollversammlung die nötige Zweidrittel-Mehrheit, um als Nicht-UNO-Mitglied anerkannt zu werden. Damit stünden die Palästinensergebiete dann diplomatisch auf einer Stufe mit dem Vatikan. Das wäre für die Palästinenser vor allem ein symbolischer Erfolg. Benedikt XVI. hat sich bei seiner Nahostreise 2009 deutlich für einen souveränen Palästinenserstaat eingesetzt.
(rv 19.09.2011 sk)

Unser Foto zeigt Präsident Abbas bei seiner Ankunft in New York, wo er an der UNO-Vollversammlung teilnehmen will.







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