Die traditionalistische
Bruderschaft St. Pius X. wird in den kommenden Monaten über den Forderungskatalog
aus dem Vatikan beraten. Ohne eine Unterschrift unter diese „Minimalanforderungen“
wird es eine Wiederzulassung in der katholischen Kirche für die Piusbruderschaft nicht
geben, hat der Heilige Stuhl am Mittwoch klargemacht. In der Vergangenheit war immer
die Rede davon, dass eine Aussöhnung mit den Traditionalisten, wenn überhaupt, eine
Angelegenheit auf Jahrzehnte ist. Könnte es nun doch schneller gehen? Das fragen wir
den emeritierten Regensburger Dogmatik-Professor Wolfgang Beinert, der sich intensiv
mit den Positionen der Piusbruderschaft auseinandergesetzt hat.
„Wenn da
– von Seiten der Piusbruderschaft - ein Entgegenkommen gezeigt wird, kann eine Einigung
sehr rasch erfolgen, und der Papst wird sicherlich bei seiner großen Liebe zur Einheit
der Kirche nicht zögern, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um sie herbeizuführen.
Aber ich bin etwas skeptisch, ob die andere Seite das auch so sehen würde.“
Die
Opposition zu bestimmten kirchlichen Lehren ist geradezu der „Daseinsgrund“ der Traditionalisten,
so Beinert. Eine Rückkehr zur katholischen Kirche wäre für sie geradezu „theologischer
Selbstmord“, so der Dogmatiker zum Münchner Kirchenradio. Sie müsste die wesentlichen
Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils anerkennen, und zwar insbesondere auch jene,
die für Traditionalisten ein rotes Tuch sind: Ökumene beispielsweise, interreligiöser
Dialog, Religions- und Gewissensfreiheit.
„Die Frage ist, kann es einen
Kompromiss geben zwischen dem II. Vatikanischen Konzil und der Piusbruderschaft. Ich
halte das für ziemlich unwahrscheinlich, weil die Positionen doch diametral entgegengesetzt
sind.“
Darüber hinaus müssten die Traditionalisten auch die ordentliche
Form der römischen Liturgie, also die neue Messe, für gültig erachten, was sie bisher
strikt ablehnen. Beinert glaubt, dass der Streit um die Messform ohnehin nur ein Vorwand
ist, an dem die eigentlichen kontroversen Fragen aufgehängt werden.
„Es
geht ja nicht nur darum, ob man dort ein Kreuzchen zusetzt oder dort eins weglässt.
Sondern die tridentinische Form und die sozusagen vatikanische Form unterscheiden
sich grundlegend in ihrer ganzen theologischen Verwurzelung.“
Auch das
hängt wiederum mit dem Konzil zusammen. Die Tradition selbst, sagt Beinert, ist nicht
das eigentlich Unterscheidende zwischen Vatikan und Piusbrüdern, sondern das, was
Tradition aus der jeweiligen Sicht bedeutet.
„Für den Vatikan und das Konzil
beginnt Tradition bei der Heiligen Schrift und umfasst auch das erste Jahrtausend
der Kirchengeschichte, aus dem die Messreform beispielsweise sich speist. Während
die traditionalistischen Formen heute im Grund die Tradition im Hochmittelalter beginnen
lassen. Da ist die tridentinische Messe dann unverzichtbar. Aber sie kommt aus einem
anderen Geist, und die Frage ist, ist der Geist derselbe, zu dem beide Parteien sich
bekennen.“ (rv 15.09.2011 gs)