Papst Benedikt XVI.
hat an diesem Sonntag Ancona besucht: In der Hauptstadt der Region Marken beendete
er feierlich den dortigen Nationalen Eucharistischen Kongress. Es war die 24. Papstreise
innerhalb Italiens. Benedikt drängte seine Zuhörer zu mehr sozialem Engagement aus
eucharistischem Geist heraus, und er betete auch für die Opfer der Terroranschläge
des 11. September vor zehn Jahren: „Ich appelliere an alle Verantwortlichen der Nationen
und an alle Menschen guten Willens, Gewalt als Lösung von Problemen abzulehnen und
der Versuchung des Hasses zu widerstehen“.
Sonne über Ancona, der Stadt an
der Adria, die vor fast 2.400 Jahren von dorischen Griechen gegründet wurde und die
in ihrer großen Zeit Handelsvertretungen in Konstantinopel oder Alexandria unterhielt:
An die 100.000 Menschen empfingen den Papst an diesem Sonntag Morgen im Hafen, einem
der größten Italiens. „Herr, zu wem sollen wir gehen?“ Diese Frage der Jünger an Jesus
war das Motto des Eucharistischen Kongresses, der am 3. September hier begonnen hatte.
Papa Benedetto führte das Großereignis nun feierlich zu Ende, einer Tradition folgend,
die sein Vorgänger Paul VI. 1977 begonnen hatte. Weitere große eucharistische Kongresse
werden übrigens nächstes Jahr in der irischen Hauptstadt Dublin und 2013 dann in Köln
stattfinden.
Es war das zweite Mal, dass Benedikt XVI. die italienischen Marken,
eine Region abseits des Massentourismus, besucht: Schon 2007 war er im nur wenige
Kilometer von Ancona entfernten Loreto, wo das Haus der Hl. Familie aus Nazareth verehrt
wird, zu einem Jugendtreffen. Die Papstmesse fand in einem malerischen Setting statt:
auf einer 800 Quadratmeter großen Altarinsel, unter der Teilnahme von dreihundert
Bischöfen, die Adria im Rücken und die auf einem Hügel thronende Kathedrale San Ciriaco
am Horizont. Hunderte von Freiwilligen prägten das Bild, aber auch etwa 800 Sicherheitsleute:
Schließlich war das der Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001.
„Ich
erinnere den Herrn des Lebens an die Opfer der Attentate, die an diesem Tag vor zehn
Jahren geschahen, und an ihre Familienangehörigen. Ich appelliere an alle Verantwortlichen
der Nationen und an alle Menschen guten Willens, Gewalt als Lösung von Problemen abzulehnen,
der Versuchung des Hasses zu widerstehen und sich in der Gesellschaft an die Prinzipien
der Solidarität, der Gerechtigkeit und des Friedens zu halten.“ Das sagte der
Papst erst ganz am Schluss der Messe beim Gebet des „Engel des Herrn“. Es blieb die
einzige Referenz an das weltweite Terror-Gedenken an diesem Sonntag. Was stattdessen
dominierte an diesem Sonntag in der italienischen Provinz, das waren die hiesigen
Sorgen: Hohe Arbeitslosigkeit, Belastungen für die Familien, Unsicherheit über die
Zukunft.
„Heiliger Vater, wir bitten Sie um Ihren Segen für Italien, das
jetzt gerade in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht einen schwierigen Moment erlebt.“
Das sagte der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo
Bagnasco, in seinem Grußwort bei der Messe. Die Säkularisierung habe den Glauben in
die private Nische abgedrängt. Doch der Verlust an Glauben gehe einher „mit einer
Abschwächung der echten Sensibilität für das Gemeinwohl“, warnte Bagnasco. Der Papst
hatte zum Mittagessen an diesem Sonntag fünf Arme eingeladen, die die örtliche Caritas
betreut, und sechzehn Arbeiter, deren Arbeitsplatz in Gefahr oder schon verlorengegangen
ist. „Das sind derzeit die zwei spürbarsten Kategorien von Leid, das wir durch die
Krise hier erleben“, erklärt der Erzbischof von Ancona-Osimo, Edoardo Menichelli.
„Das ist eine Beschäftigungskrise, die sich im Moment leider verschärft, besonders
hier in Ancona mit den Werftanlagen von Fincantieri. Benedikt will da seine Solidarität
mit den Arbeitern ausdrücken und ihnen Hoffnung geben. Die Armen, die am Tisch des
Papstes mitessen, sind übrigens sonst tägliche Gäste in einer Mensa, die unmittelbar
nach dem Krieg von einem Franziskaner gegründet wurde.“
Fürbitten: für
alle Menschen in Schwierigkeiten und für Italien insgesamt. Das Land, das in diesem
Sommer unter Druck durch die Finanzmärkte geriet, geht einem wirtschaftlich schwierigen
Herbst entgegen; der Verband der Handelskammern rechnet damit, dass durch die Sparmaßnahmen
und das fehlende Wachstum in diesen Monaten 88.000 Arbeitsplätze wegfallen werden.
Papst Benedikt rückte in seiner Predigt von Ancona die Eucharistie in den
Mittelpunkt des christlichen Lebens: Von diesem inneren Kern aus starte dann das Engagement
der Christen für ihre Mitmenschen in Not. „Wir verwechseln die Freiheit oft mit
dem Fehlen von Vorschriften und glauben, alles allein machen zu können, ohne Gott.
In Einschränkungen sehen wir nur Grenzen unserer Freiheit. Doch das ist eine Illusion,
die bald in Enttäuschung übergeht, Unruhe und Ängste auslöst und paradoxerweise dazu
führt, dass wir schließlich den Ketten der Vergangenheit nachtrauern... In Wirklichkeit
werden wir frei nur durch die Öffnung zu Gott, in der Annahme seines Geschenkes: frei
von der Sklaverei der Sünde, die das Antlitz des Menschen entstellt. Und nur so können
wir zum Guten der Brüder beitragen.“
Der Mensch verfalle oft „in die irrige
Vorstellung, Steine in Brot verwandeln zu können“, warnte der Papst mit Blick auf
die Versuchungen Jesu in der Wüste. „Nachdem man Gott beiseite geschoben hat beziehungsweise
ihn wie eine Privatangelegenheit toleriert, die sich nicht im öffentlichen Leben einzumischen
hat, verfolgen gewisse Ideologien das Ziel, die Gesellschaft allein mit der Kraft
der Macht und der Wirtschaft zu formen. Die Geschichte lehrt uns aber in dramatischer
Weise, dass dieses Ziel, allen Menschen Fortschritt, materiellen Wohlstand und Frieden
gewährleisten zu wollen, ohne Gott und seine Offenbarung miteinzubeziehen, letztlich
dazu führt, den Menschen Steine anstelle des Brotes zu bieten.“
Brot sei
nicht nur, wie es in einem Gebet der Messfeier heißt, eine „Frucht der menschlichen
Arbeit“, sondern eben auch „Frucht der Erde“, die von oben Sonne und Regen erhalte.
Es sei ein Geschenk von oben: „Der Mensch kann sich nicht selbst das Leben geben,
er vesteht sich nur von Gott ausgehend: Es ist das Verhältnis zu Ihm, das unserem
Menschsein Festigkeit verleiht und unser Leben gut und gerecht gestaltet. Im Vaterunser
bitten wir, dass Sein Namen geheiligt werde, dass Sein Reich komme, dass Sein Wille
geschehe. Vor allem müssen wir wieder die Vorherrschaft Gottes in unsere Welt, in
unser Leben miteinbeziehen, denn durch sie erlangen wir die Wahrheit über das, was
wir sind.“
Wer nach dem „Primat Gottes in unserer Welt“ suche, der solle
von der Eucharistie ausgehen, riet der Papst. „Hier ist uns Gott so nahe, dass er
zu unserer Speise wird. Hier wird er zur Kraft auf unseren oft schweren Wegen...“
Die Eucharistie „reißt uns von unserem Individualismus weg“ und drängt uns zum Einsatz
für die anderen, „auf allen Ebenen des Gemeinschaftslebens“: „Es entsteht daraus eine
positive soziale Entwicklung, in deren Mittelpunkt der Mensch steht, vor allem der
arme, kranke und bedürftige Mensch.“ Wer sich von Christus nähre, der gehe seinen
Mitmenschen entgegen; wer sich vor der Hostie verbeuge, der beuge sich auch im Alltag
„über die Bedürftigen“. „In jedem Menschen wird er den Herrn erkennen, der nicht gezögert
hat, sich selbst für uns und unsere Rettung zu opfern.“ Die eucharistische Spiritualität
sei „das wahre Gegenmittel gegen den Individualismus und Egoismus, die oft unser Alltagsleben
kennzeichnen“.
An diesem Sonntag steht für den Papst noch ein Treffen
mit Priestern und Familien im Dom von Ancona auf dem Programm. Und schließlich kommt
es zu einer Begegnung, wie es sie bei einer Papstreise noch nie gab: Benedikt trifft
500 verlobte Paare auf einem Platz in der Innenstadt. Zwei dieser „promessi sposi“
werden dabei eine Ansprache halten.