2011-09-10 10:33:01

Österreich/USA: Erzbistum Wien kooperiert mit Holocaustmuseum


Es ist weltweit noch zu wenig bekannt, dass das Erzbistum Wien während der Nazizeit verfolgten Katholiken jüdischer Herkunft und nichtkonvertierten Juden Hilfe geleistet hat. Darauf machen Wiens Kardinal Christoph Schönborn, die Direktorin des US-Holocaust Memorial Museums Sara Bloomfield und der US-Vizebotschafter Christopher Hoh aufmerksam. Der Wiener Erzbischof unterzeichnete einen Kooperationsvertrag mit dem Museum in Washington, das über Mikrofilm die Archivbestände zur Wiener diözesanen Hilfsstelle für nichtarische Katholiken enthält. Diese Hilfsstelle gab es von 1940 bis 1945.

Kardinal Schönborn sagte, er sei über „nachdenklich, aber auch froh“ zu der Unterzeichnung ins Hotel Imperial gekommen: „Nachdenklich, weil dies jener Ort ist, an dem am 15. März 1938 um 9 Uhr morgens jenes denkwürdige erste Zusammentreffen zwischen meinem Vorvorvorgänger, Kardinal Theodor Innitzer, mit dem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler stattgefunden hatte.“ Er sei aber „auch frohen Herzens hierhergekommen, weil durch den heutigen festlichen Akt der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zwischen dem U.S.-Holocaust Memorial Museum und dem Diözesanarchiv der Wiener Erzdiözese ein helles Licht den dunklen Schatten bannt“. Das Böse in dieser Welt könne nur durch das Gute überwunden werden, erinnerte Schönborn. Man dürfe nie jene Zeit aus dem Gedächtnis tilgen, „als blinder Hass die Menschenwürde mit Füßen trat, als mehr als 65.000 jüdische Österreicherinnen und Österreicher hier in unserem Land erniedrigt, später deportiert und grausam ermordet wurden“. Hinter jeder einzelnen Zahl stehe ein Mensch mit seiner Liebe zum Leben, mit seiner Angst vor dem Tod, und ihr Opfer „darf nicht umsonst gewesen sein“.

Schönborn wies auf die Tragik Kardinal Theodor Innitzers hin, der „mit seinem verhängnisvollen 'Heil Hitler' in die Geschichte eingegangen“ sei: „Es ist ein Akt der Gerechtigkeit für ihn, nun auch sozusagen die andere, helle, Seite des Kardinals aufzuzeigen: War er doch der einzige Kirchenfürst im deutschsprachigen Raum, der unter persönlichen Opfern in seinem eigenen Bischofshaus die ganzen Kriegsjahre hindurch eine 'Hilfsstelle für nichtarische Katholiken' aufrecht erhalten hat, wo eine große Zahl verfolgter und gedemütigter Menschen Hilfe und Zuflucht und so etwas wie einen Rest ihrer Menschenwürde gefunden hat.“

Museumsdirektorin Sara Bloomfield sagte, das Museum in Washington sei eine Einrichtung, die nicht nur Opfer und Täter im Blick habe, sondern auch die vielen, die bei der damaligen Tragödie Zuschauer waren oder geholfen hätten. Dies sei auch die pädagogische Richtung des Museums. Es sei eine Einrichtung, die Menschen aufrütteln wolle, die heute Zuschauer bei Unrecht und Verbrechen seien. Die Rolle der Kirchen werde im Holocaust-Museum in mehrfacher Hinsicht angesprochen. Einerseits gebe es viele Dokumentationen über die Rolle der Kirchen in der Zeits des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg. Andererseits gebe es ein Museums-Bildungsprogramm, dass sich speziell an gläubige Kirchenmitglieder in den USA richte.

Zwischen 1940 und 1945 kümmerte sich die vom Jesuitenpater Ludger Born geleitete Hilfsstelle um die vielen Wiener Katholiken jüdischer Herkunft, die plötzlich völlig entrechtet waren, später aber auch um jüdische Menschen unterschiedlicher Konfession. Den Umständen entsprechend erstreckte sich die Arbeit der Hilfsstelle zunächst auf Auswanderungshilfe, dann auf Hilfeleistungen verschiedenster Art im Zuge der Deportationen und darüber hinaus auf die allgemeine Fürsorge. Bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1941 war eine Auswanderung noch möglich. In bis zu 60 Fällen täglich konnte die Hilfsstelle in dieser Zeit durch Kontaktnahme mit ausländischen Organisationen Hilfe zur Auswanderung leisten. Enge Kontakte unterhielt die Hilfsstelle auch mit dem ersten Deportationsziel österreichischer Juden, dem KZ Theresienstadt.

(kap 10.09.2011 sk)








All the contents on this site are copyrighted ©.