Österreich/USA: Erzbistum Wien kooperiert mit Holocaustmuseum
Es ist weltweit noch zu wenig bekannt, dass das Erzbistum Wien während der Nazizeit
verfolgten Katholiken jüdischer Herkunft und nichtkonvertierten Juden Hilfe geleistet
hat. Darauf machen Wiens Kardinal Christoph Schönborn, die Direktorin des US-Holocaust
Memorial Museums Sara Bloomfield und der US-Vizebotschafter Christopher Hoh aufmerksam.
Der Wiener Erzbischof unterzeichnete einen Kooperationsvertrag mit dem Museum in Washington,
das über Mikrofilm die Archivbestände zur Wiener diözesanen Hilfsstelle für nichtarische
Katholiken enthält. Diese Hilfsstelle gab es von 1940 bis 1945.
Kardinal Schönborn
sagte, er sei über „nachdenklich, aber auch froh“ zu der Unterzeichnung ins Hotel
Imperial gekommen: „Nachdenklich, weil dies jener Ort ist, an dem am 15. März 1938
um 9 Uhr morgens jenes denkwürdige erste Zusammentreffen zwischen meinem Vorvorvorgänger,
Kardinal Theodor Innitzer, mit dem Führer und Reichskanzler Adolf Hitler stattgefunden
hatte.“ Er sei aber „auch frohen Herzens hierhergekommen, weil durch den heutigen
festlichen Akt der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages zwischen dem U.S.-Holocaust
Memorial Museum und dem Diözesanarchiv der Wiener Erzdiözese ein helles Licht den
dunklen Schatten bannt“. Das Böse in dieser Welt könne nur durch das Gute überwunden
werden, erinnerte Schönborn. Man dürfe nie jene Zeit aus dem Gedächtnis tilgen, „als
blinder Hass die Menschenwürde mit Füßen trat, als mehr als 65.000 jüdische Österreicherinnen
und Österreicher hier in unserem Land erniedrigt, später deportiert und grausam ermordet
wurden“. Hinter jeder einzelnen Zahl stehe ein Mensch mit seiner Liebe zum Leben,
mit seiner Angst vor dem Tod, und ihr Opfer „darf nicht umsonst gewesen sein“.
Schönborn
wies auf die Tragik Kardinal Theodor Innitzers hin, der „mit seinem verhängnisvollen
'Heil Hitler' in die Geschichte eingegangen“ sei: „Es ist ein Akt der Gerechtigkeit
für ihn, nun auch sozusagen die andere, helle, Seite des Kardinals aufzuzeigen: War
er doch der einzige Kirchenfürst im deutschsprachigen Raum, der unter persönlichen
Opfern in seinem eigenen Bischofshaus die ganzen Kriegsjahre hindurch eine 'Hilfsstelle
für nichtarische Katholiken' aufrecht erhalten hat, wo eine große Zahl verfolgter
und gedemütigter Menschen Hilfe und Zuflucht und so etwas wie einen Rest ihrer Menschenwürde
gefunden hat.“
Museumsdirektorin Sara Bloomfield sagte, das Museum in Washington
sei eine Einrichtung, die nicht nur Opfer und Täter im Blick habe, sondern auch die
vielen, die bei der damaligen Tragödie Zuschauer waren oder geholfen hätten. Dies
sei auch die pädagogische Richtung des Museums. Es sei eine Einrichtung, die Menschen
aufrütteln wolle, die heute Zuschauer bei Unrecht und Verbrechen seien. Die Rolle
der Kirchen werde im Holocaust-Museum in mehrfacher Hinsicht angesprochen. Einerseits
gebe es viele Dokumentationen über die Rolle der Kirchen in der Zeits des Nationalsozialismus
und im Zweiten Weltkrieg. Andererseits gebe es ein Museums-Bildungsprogramm, dass
sich speziell an gläubige Kirchenmitglieder in den USA richte.
Zwischen 1940
und 1945 kümmerte sich die vom Jesuitenpater Ludger Born geleitete Hilfsstelle um
die vielen Wiener Katholiken jüdischer Herkunft, die plötzlich völlig entrechtet waren,
später aber auch um jüdische Menschen unterschiedlicher Konfession. Den Umständen
entsprechend erstreckte sich die Arbeit der Hilfsstelle zunächst auf Auswanderungshilfe,
dann auf Hilfeleistungen verschiedenster Art im Zuge der Deportationen und darüber
hinaus auf die allgemeine Fürsorge. Bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1941 war eine
Auswanderung noch möglich. In bis zu 60 Fällen täglich konnte die Hilfsstelle in dieser
Zeit durch Kontaktnahme mit ausländischen Organisationen Hilfe zur Auswanderung leisten.
Enge Kontakte unterhielt die Hilfsstelle auch mit dem ersten Deportationsziel österreichischer
Juden, dem KZ Theresienstadt.