Vatikan/Österreich/EU: Mehr Austausch über Religionsfreiheit
Die EU-Außenpolitik
könnte in delikaten Fragen der Religionsfreiheit von Exklusiv-Informationen aus dem
Vatikan profitieren. Das denkt Österreichs Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger
(ÖVP). Er hat deshalb an diesem Mittwoch im Gespräch mit Papst Benedikt XVI. mehr
Informationsaustausch zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Europäischen Auswärtigen
Dienst angeregt. Das erklärte Spindelegger im Anschluss an das Vieraugengespräch in
Rom nach der Generalaudienz. Insbesondere habe er den Papst von seinem Vorstoß gemeinsam
mit seinem italienischen Ressortkollegen Franco Frattini erzählt, dass der Europäische
Auswärtige Dienst in Zukunft einen Jahresbericht zum Stand der Religionsfreiheit in
der Welt vorlegen solle.
„Das hat den Heiligen Vater sehr interessiert,
und ich habe angeregt, dass es künftig einen stärkere Verbindung zwischen der Kommission
und dem Vatikan geben könnte, denn diese detaillierten Informationen, die der Vatikan
über Christenverfolgung hat, die haben wir letztlich nicht in dieser Tiefe. Nämlich
auch dort, wo das Leben praktisch stattfindet, in eine Pfarre, wo Priester eben auch
berichten können, was vorfällt. Das ist auch für uns eine aufschlussreiche Informationsquelle.“
In
diesem Zusammenhang sprachen der Papst und der Außenminister, der gleichzeitig Obmann
der österreichischen Volkspartei ist, auch über den arabischen Frühling.
„Die
Auswirkungen des arabischen Frühlings treffen uns alle. Wird es eine Verschärfung
geben in religiöser Hinsicht, was den Islam anlangt? Oder wird sich das in die Richtung
eines stärkeren Dialogs und mehr demokratische Rechte der Bürger hin entwickeln? Ich
habe meine Zweifel, ob man da nur von positiven Zeichen sprechen kann, und der Heilige
Vater hat mir bestätigt, dass es da große Sorge seitens der Katholischen Kirche gibt,
dass möglicherweise Radikalisierungen die Folge sein könnten.“
Spindelegger
ist Katholik; in Österreich läuft seit Monaten eine hitzige Debatte über Vorschläge
der so genannten Pfarrer-Initiative, die einen „Aufruf zum Ungehorsam“ gestartet hatte
und eine Reihe von Reformanliegen hat, die von der Kirchenspitze überwiegend nicht
gerne gesehen werden. Papst Benedikt habe, so Spindelegger, von sich aus die Rede
auf dieses Thema gebracht.
„Natürlich haben wir auch über diese Initiative
gesprochen, aber ich bitte gleich um Verständnis, das war ein Vieraugengespräch, ich
habe meine Einschätzung als Katholik in Österreich wiedergegeben, und er mir seine
als Oberhaupt der katholischen Kirche, und ich bitte zu respektieren, dass ich das
nicht ausbreiten möchte.“
Eine jüngere Entwicklung im säkularen Westen
ist das Aufkommen einer entschiedenen Intoleranz gegenüber Christen. Das Phänomen
zeigt sich subtiler als die Christenverfolgung in Ländern mit Demokratiedefizit, dennoch
ist es vorhanden. In Österreich sieht Spindelegger keine direkte Diskriminierung von
Christen.
„Ich habe keine Anzeichen, dass das über das hinaus, wo Einzelpersonen
über die Stränge schlagen, ein bedenkliches Ausmaß annimmt. In Österreich haben wir
eine lange Tradition des Dialogs, etwa die islamische Glaubensgemeinschaft, die vor
fast 100 Jahren anerkannt wurde, 1912. Man war immer gewohnt, miteinander umzugehen.
Wir haben auch jetzt einen guten Dialog mit der islamischen Glaubensgemeinschaft und
setzen da viele Initiativen. Aber die Herabwürdigung ist eher eine persönliche Frage,
die mir da Sorgen macht. Die bezieht sich nicht nur auf das Christsein, sondern ganz
generell diese Art, in völlig respektlosem Ton anderen zu begegnen, alles abzuqualifizieren
mit einer Handbewegung: diese persönliche Würde eines Menschen nicht anzuerkennen,
ist etwas, was in unsere Gesellschaft manchmal Ausmaße annimmt, die mir Sorgen machen.“
Spindelegger
ist seit dreieinhalb Monaten Obmann der österreichischen Volkspartei. Papst Benedikt
habe sich bei ihm auch über die Entwicklung der Partei informiert, sagte Spindelegger.
„Er hat sich sehr interessiert gezeigt, wie bei uns in der Volkspartei
christliche Grundwerte verankert sind, und weas wir diesbezüglich vorhaben. Ich habe
ihm erzählt überdie Frage der Familiendiskussion, die wir jetzt in Österreich beginnen,
und wir haben uns darüber ausgetauscht.“