2011-09-02 16:42:22

Polen: Ordensfrauen gemeinsam gegen Zwangsprostitution


Ordensfrauen vereint gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution: vor zwei Jahren haben sich Schwestern in Ost- und Westeuropa zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, das entschieden gegen die Ausbeutung von Frauen als Sklavinnen der Sexindustrie vorgeht. Das Netzwerk heißt „Renate“, eine Abkürzung für „Religious in Europa Networking Against Trafficking and Exploitation“. Am Sonntag beginnt bei den polnischen Salvatorianerinnen in Trzebinia bei Krakau eine internationale Konferenz zum Thema. Sprecherin des Netzwerks in Deutschland ist die Missionsärztliche Schwester Dagmar Plum. Miriam Thiede befragte die Ordensfrau, die selbst mit Zwangsprostituierten arbeitet, und wollte zunächst von ihr wissen, was sich das Netzwerk vorgenommen hat.

„Renate möchte, dass sich immer mehr Orden zusammentun, um dieses Problem gemeinsam anzugehen, und zwar auf europäischer Ebene. Westeuropa ist betroffen von Menschenhandel insofern, als dass wir Aufnahmeländer sind, Transitländer.“

Woher kommen die Frauen eigentlich?

„Die meisten Zwangsprostituierten kommen aus Osteuropa. Einer der Gründe ist der Fall der Berliner Mauer, wodurch große wirtschaftliche Umwälzungen in Osteuropa stattgefunden haben und doch große Teile der Bevölkerung verarmt sind. Die Frauen, die aus Osteuropa nach Westeuropa kommen, sind zumeist arme Frauen, anfangs hatten sie noch eine gute Ausbildung, aber keine Arbeitsplätze in dem neuen System. Jetzt sind es hauptsächlich ungebildete Frauen, vor allem Romafrauen und -mädchen, die hier ganz schnell Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution werden. Darunter sind auch viele Kinder. Ich war voriges Jahr in Albanien, dort werden jetzt besondere Vorkehrungen von Ordensfrauen getroffen, um zu verhindern, dass Kinder und junge Mädchen hierher verkauft werden. Diese findet man hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen in der Straßenprostitution. Es sind bedrohte Minderheiten, wo Töchter sehr wenig gelten. Ich habe einen Menschenhandelsprozess miterlebt, in dem es um 14 Romafrauen ging, die von der Polizei aufgefunden worden waren. Während der Prozess gegen die Täter noch lief, wurden diese jungen Frauen, die darum gebeten hatten, in ihre Heimatländer zurück kehren zu können, von ihren Familien schon wieder zurückgeschickt in die gleichen Bordelle, aus denen Mitarbeiter noch vor Gericht standen. Es geht hier um diese 50 Euro, die sie pro Monat nach Hause schicken können und dafür kann man schon einmal die eine oder andere Tochter opfern.“

Gibt es eine bestimmte Geschichte, die Sie besonders bewegt hat?

„In der Abschiebehaft, in der ich arbeite, habe ich vor kurzem eine Marokkanerin angetroffen. Sie war nicht mehr ganz so jung und war als Kind von ihren Eltern in ein Kinderbordell verkauft worden. Sie hatte noch schwere Narben an Armen und Beinen, wahrscheinlich von diesen Ketten, die sie dort fünf Jahre lang tragen musste. Im Kinderbordell waren alle Kinder an einer Wand angekettet und die Kunden zogen dann an diesen Mädchen vorbei.
Mit 17 war sie zu alt für ein Kinderbordell. So schlägt sich diese Frau weiter durch mit der einzigen Münze, die sie hat, nämlich ihre Sex-Organe, auf diese Weise hat sich dann bis nach Norwegen durchgeschlagen. Dort wurde ihr Asyl verwehrt, weil sie keine triftigen Gründe für einen Aufenthalt in Norwegen, sondern nur Schwierigkeiten mit ihrer muslimischen Familie angegeben hatte, was natürlich nicht anerkannt worden ist. Es wurde aber auch nicht weiter danach gefragt, wie eine junge Marokkanerin nach Norwegen kommt, ohne finanzielle Mittel und ohne Papiere. Dann ist sie untergetaucht, verarmt und schließlich gezwungenermaßen wieder da gelandet, wo sie einmal angefangen hatte.
Dann hieß es, in Italien gebe es billige Pässe, da könne man gegen eben diese bekannte Münze Personalausweise und Pässe kriegen. Das hat sie dann auch gemacht. Da sie nicht genug gearbeitet hatte, hat sie nur einen Personalausweis bekommen, zudem einen gefälschten. Mit diesem ist sie hier in Deutschland von der Polizei aufgegriffen worden.
Bis ich dann in der Abschiebehaft Zugang zu ihr gefunden habe, hat es eine Weile gedauert. In der Abschiebehaft hält man sich nicht so lange auf, aber sie hat sich mir dann doch anvertraut. Ich bin ja auch schon ein bisschen älter, habe es also doch noch geschafft, sie zum Reden zu bringen und so hat sie mir die ganze Geschichte erzählt. Ich habe mit einer Frauenorganisation in Norwegen Kontakt aufgenommen. Sie ist von den deutschen Behörden zurückgeschickt worden und diese norwegische Frauenorganisation hat sie über die Polizei in einem Flüchtlingscamp gefunden. Jetzt wird die ganze Sache noch einmal neu verhandelt, also in Richtung Aufenthalt.“

Renate organisiert jetzt eine internationale Konferenz in Trzebinia, was genau haben Sie geplant und warum gerade in Polen?

„Wir haben einen osteuropäischen Ort gewählt, weil die meisten Zwangsprostituierten aus Osteuropa und vor allen Dingen nach Deutschland kommen, wo die Prostitution seit 2002 legal ist. Dies macht es der Polizei sehr viel schwerer, zwischen legaler und krimineller Prostitution zu unterscheiden. Und da es schon Schwesternorganisationen gibt in Osteuropa, die schon angefangen haben mit dieser Arbeit, möchten wir als ein gemeinsames Netzwerk von ost- und westeuropäischen Ordensfrauen gemeinsam auftreten, in der praktischen Arbeit mehr zusammenzuarbeiten und ein größeres Bewusstsein schaffen für diese Problematik.
Denn Pornographie ist ja hier inzwischen weit verbreitet, auch die schwereren, gewalttätigeren Formen, da hat im Grunde eigentlich niemand mehr etwas dagegen. Auch Prostitution wird oft mit diesem billigen Argument abgefertigt, dass es sie schon immer gab. Welche Ausmaße das jedoch inzwischen angenommen hat, wird hierbei aber nicht berücksichtigt, und zwar gewerbsmäßig. Prostitution ist vollkommen kommerzialisiert, Bordelle gehen an die Börse, mit Verweis darauf, dass sich ja auch sozialethische Standards geändert hätten. Da können Sie sich also zum Beispiel bei I-Pam mit 10.000 Euro an der Börse bereits einkaufen. Dann werden Ihnen über 300 Prozent Rendite versprochen, weil der Magnet „Frau“ immer weiter wirken wird und das ein total sicherer Markt ist, der selten Schwankungen unterworfen ist.
Wenn Sie aber jetzt diese Vielzahl von osteuropäischen Frauen sehen, die hierher kommen, und berücksichtigen, dass die Konkurrenz auch sehr groß geworden ist, die Preise gefallen sind und inzwischen Flatrate-Bordelle eingeführt worden sind, wo eine Frau an einem Wochenende mindestens 50 Männer zu bedienen hat, dann muss man sich doch fragen, was eigentlich mit unseren humanitären Traditionen los ist.
Das Problem ist auch, dass diese Frage in den Kirchen keine Rolle spielt. Es ist ein Tabu-Thema, über das man nicht gerne spricht, aber eigentlich gehören diese geschändeten Frauen natürlich auch in kirchliche Kreise. Jesus steht auch für diese Frauen.

Was kann man machen, um Ihnen bei Ihrer Arbeit zu helfen?

Ich denke, dass wir auf Dauer konkrete Fälle vorlegen müssen, an denen deutlich wird, was falsch läuft in verschiedenen Ländern. Die Gesetzeslage ist ja auch sehr unterschiedlich, es muss überlegt werden, wie wir zu gemeinsamer Aktion, zu einer gemeinsamen Haltung und zu einer gemeinsamen Politik kommen. Auch die Kirchen in diesen Ländern haben eine große Verantwortung für diese Frauen und dafür, was mit ihnen in unserem Land geschieht. Wir betrachten uns immer noch als Rechtsstaat, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf Dauer gut geht, wenn man solche Zustände toleriert. Da brauchen wir aber auch die Hilfe auch der osteuropäischen Schwestern, zunächst einmal. Die Vertrauensbasis ist hier einfach eine andere, selbst wenn man sich nicht kennt weiß man, dass uns miteinander sehr viel verbindet. Und gerade in Osteuropa sind schon eine ganze Reihe Ordensfrauen engagiert, die diese Arbeit machen.
(rv 02.09.2011 gs)











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