Schweiz: „Eine unverschämte und ungeheure Eskalation“
Die Medienkommission der Schweizer Bischofskonferenz hat sich mit starken Worten gegen
eine Kampagne einer politischen Partei gewandt. Hintergrund ist ein dramatischer Vorfall:
Zwei Kosovaren hatten einen Schweizer mit dem Messer attackiert und fast umgebracht.
Daraus wurde die Kampagne ‚Kosovaren schlitzen Schweizer auf’, zu lesen in zahlreichen
Inseraten in verschiedenen Zeitungen. Dagegen bezieht die Kommission Stellung. Radio
Vatikan hat Simon Spengler, Geschäftsführer der Kommission, gefragt, was es mit dieser
Aktion auf sich hat.
„Die sogenannte
SVP, die Schweizerische Volkspartei unter Christoph Blocher, macht seit einigen Wochen
eine große Kampagne schweizweit für eine Volksinitiative ‚Stoppt die Masseneinwanderung’.
Da sind in in der Schweiz bekannter Manier dunkle Schatten, die auf rotem Grund erscheinen
– der rote Grund symbolisiert die Schweiz: Die Masseneinwanderung überfällt uns. Es
richtet sich primär gegen die Personenfreizügigkeit mit der EU, aber es werden auch
generell Vorbehalte gegenüber den Ausländern und Fremden geschürt. Die SVP hat den
Vorfall sofort genommen und in die eigene Kampagne eingebaut und schweizweit Inserate
geschaltet und dann einen Titel darüber gesetzt ‚Kosovaren schlitzen Schweizer auf’.“
Ist
das denn typisch geworden für die Auseinandersetzung in der Schweiz oder ist das ein
Einzelfall?
„Es ist leider Gottes eine Entwicklung, die sich schon seit
mehreren Jahren anbahnt: Die Brutalisierung der politischen Kampagnen, vor allem wenn
es um das Thema Ausländer und Fremde geht.“
Ihre Kommission reagiert; warum
reagiert sie speziell auf diese Kampagne?
„Dieses neueste Inserat hat auch
innerhalb der Medien sehr stark zu Diskussionen geführt. Es gab einzelne Verlage,
die sich geweigert haben, dieses Inserat abzudrucken. Es ist eine medienethische Diskussion
in den Medien selber im Gange und in diese medienethische Diskussion haben wir als
Medienkommission der Bischofskonferenz gefunden müssen wir klar Stellung beziehen.“
Es
fallen Worte wie ‚Hass’ und ‚Hetze’ in ihrer Stellungnahme, das sind starke Worte,
genauso wie das Wort ‚Dammbruch’: Sehen sie einen Dammbruch in der Diskussion?
„Das
sehen wir wirklich, ja. Wenn aus einem Vorfall, wo zwei Kosovaren einen Schweizer
angreifen – was natürlich ein Verbrechen ist – wenn daraus ‚Kosovaren schlitzen Schweizer
auf’ wird, also ‚DIE Kosovaren schlitzen DIE Schweizer auf, was assoziativ natürlich
die erste Wahrnehmung ist, dann ist das eine Eskalation, die unverschämt und ungeheuer
ist.“
Sehen sie denn die politische Kultur der Schweiz oder die Kommunikationskultur
in der Schweiz generell in der Krise oder sehen sie das eher als Ausfall?
„Wir
haben Ende Oktober hier eidgenössische Wahlen. Daraufhin hat die SVP – eine rechtspopulistische
Partei – massiv ihre Kampagnen gegen Fremde hochgefahren, um Stimmen zu machen. Und
das mit einem großen Geldaufwand, nach meinen Informationen haben sie 50 Millionen
Franken zur Verfügung. Sie wollen wieder die stärkste Partei sein. Ihnen ist dazu
jedes Mittel recht. Es geht sogar soweit, dass einige Exponenten der Partei mittlerweile
sich davon distanzieren. Insofern ist es offensichtlich nicht nur in der Wahrnehmung
der Bischofskonferenz und in der Wahrnehmung unserer Kommission, sondern auch in der
Wahrnehmung der Politik eine Eskalation, der Einhalt geboten werden muss.“
Sehen
sie eine Chance dazu, dass das abflaut, dass es eine Mehrheit gegen solche Kampagnen
gibt, oder wird das weiter so gehen?
„Ich befürchte, dass das weiter geht,
dass es die Leute, die die Kampagne zu verantworten haben, nicht besonders beeindruckt.
Allerdings haben wir unheimlich viele positive Rückmeldungen aus der Politik, aus
den Medien, aus der Bevölkerung, die sagen ‚endlich hat jemand öffentlich das gesagt,
was wir alle schon lange empfinden und wo wir uns schon fast schon alle dran gewöhnt
haben.“