Liebe junge Freunde! Mit dieser Eucharistiefeier kommen wir zum Höhepunkt dieses
Weltjugendtages. Wenn ich euch hier sehe, die ihr in großer Zahl aus allen Teilen
der Welt gekommen seid, füllt sich mein Herz mit Freude und denkt zugleich an die
besondere Liebe, mit der Jesus auf euch blickt. Ja, der Herr liebt euch, und er nennt
euch seine Freunde (vgl. Joh 15,15). Er kommt euch entgegen und will euch auf eurem
Weg begleiten, um euch die Türen zu einem erfüllten Leben zu öffnen und euch an seiner
innigen Beziehung zum Vater teilhaben zu lassen. Im Bewußtsein der Größe seiner Liebe
wollen wir unsererseits diesem Ausdruck der Zuneigung großzügig mit dem Vorsatz entsprechen,
die Freude, die wir empfangen haben, auch mit den anderen zu teilen. Es gibt heutzutage
gewiß viele, die sich von der Gestalt Christi angezogen fühlen und ihn besser kennenlernen
möchten. Sie spüren, daß er die Antwort auf vieles ist, was sie persönlich bewegt.
Aber wer ist er wirklich? Wie kann einer, der vor so vielen Jahren auf der Erde gelebt
hat, mit mir heute etwas zu tun haben? Im Evangelium, das wir gehört haben (vgl.
Mt 16,13-20), sehen wir zwei unterschiedliche Weisen dargestellt, Christus zu erkennen.
Die erste Form würde in einem äußerlichen Kennenlernen bestehen, das von der gängigen
Meinung geprägt ist. Auf die Frage Jesu: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“,
antworten die Jünger: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder
andere für Jeremia oder sonst einen Propheten“. Das heißt, man hält Christus für eine
weitere religiöse Persönlichkeit neben den bereits bekannten. Danach wendet sich Jesus
persönlich an die Jünger und fragt sie: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Petrus
antwortet mit den Worten, die das erste Glaubensbekenntnis darstellen: „Du bist der
Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Der Glaube geht weit über die rein empirischen
oder historischen Daten hinaus und ist imstande, das Geheimnis der Person Christi
in ihrer Tiefe zu erfassen. Aber der Glaube ist nicht Frucht der menschlichen
Anstrengung, nicht Ergebnis der Vernunft, sondern er ist ein Geschenk Gottes: „Selig
bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern
mein Vater im Himmel.“ Er hat seinen Ursprung in der Initiative Gottes, die uns sein
Innerstes enthüllt und uns zur Teilhabe an seinem göttlichen Leben einlädt. Der Glaube
liefert nicht nur irgendeine Information über die Identität Christi, sondern er setzt
eine persönliche Beziehung zu ihm voraus, die Zustimmung der ganzen Person mit ihrem
Verstand, ihrem Willen und ihren Gefühlen zur Selbstoffenbarung Gottes. So spornt
die Frage Jesu: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ die Jünger eigentlich dazu an,
hinsichtlich der Beziehung zu ihm eine persönliche Entscheidung zu treffen. Glaube
und Nachfolge Christi hängen eng zusammen. Und da der Glaube voraussetzt, daß man
dem Meister nachfolgt, muß er gefestigt werden und wachsen, tiefer und reifer werden
in dem Maße, in dem die Beziehung zu Jesus, die Vertrautheit mit ihm intensiver und
stärker wird. Auch Petrus und die anderen Apostel mußten diesen Weg gehen, bis ihnen
die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn die Augen zu einem vollen Glauben öffnete. Liebe
junge Freunde, auch heute wendet sich Christus an euch mit derselben Frage, die er
an die Apostel gerichtet hat: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Antwortet ihm großzügig
und mutig, wie es einem jugendlichen Herzen wie dem euren entspricht. Sagt zu ihm:
Jesus, ich weiß, daß du der Sohn Gottes bist, der sein Leben für mich hingegeben hat.
Ich will dir in Treue folgen und mich von deinem Wort leiten lassen. Du kennst mich
und liebst mich. Ich vertraue dir und lege mein ganzes Leben in deine Hände. Ich möchte,
daß du die Kraft bist, die mich trägt, die Freude, die mich nie verläßt. In seiner
Antwort auf das Bekenntnis des Petrus spricht Jesus von der Kirche: „Ich aber sage
dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ Was bedeutet
das? Jesus errichtet die Kirche auf dem Felsen des Glaubens des Petrus, der die Göttlichkeit
Christi bekennt. Gewiß, die Kirche ist keine rein menschliche Einrichtung wie irgendeine
andere, sondern sie ist eng mit Gott verbunden. Christus selbst bezieht sich auf sie
als „seine“ Kirche. Man kann Christus nicht von der Kirche trennen, so wie man den
Kopf nicht vom Leib trennen kann (vgl. 1 Kor 12,12). Die Kirche lebt nicht von sich
selbst, sondern vom Herrn. Er ist in ihrer Mitte gegenwärtig und gibt ihr Leben, Nahrung
und Kraft. Liebe junge Freunde, erlaubt mir, euch als Nachfolger des Petrus dazu
aufzufordern, diesen Glauben, der seit den Aposteln an uns weitergegeben worden ist,
zu festigen und Christus, den Sohn Gottes, in das Zentrum eures Lebens zu stellen.
Laßt mich aber euch auch daran erinnern, daß Jesus im Glauben nachfolgen heißt, in
der Gemeinschaft der Kirche mit ihm zu gehen. Man kann Jesus nicht allein folgen.
Wer der Versuchung nachgibt, „auf seine eigene Weise“ Jesus zu folgen oder den Glauben
entsprechend der in der Gesellschaft vorherrschenden individualistischen Auffassung
zu leben, läuft Gefahr, Jesus Christus niemals zu begegnen oder letztlich einem Zerrbild
von ihm zu folgen. Glauben haben heißt, daß du dich auf den Glauben deiner Brüder
stützt, und dein Glaube ist Stütze für den Glauben der anderen. Ich bitte euch, liebe
Freunde: Liebt die Kirche, die euch zum Glauben geboren hat, die euch geholfen hat,
Christus besser kennenzulernen, die euch die Schönheit seiner Liebe entdecken ließ.
Für das Wachsen eurer Freundschaft mit Christus kommt es entscheidend darauf an, daß
ihr die grundlegende Bedeutung eurer freudigen Einbindung in die Pfarreien, Gemeinden
und Bewegungen ebenso anerkennt wie die Teilnahme an der Eucharistie an jedem Sonntag,
den häufigen Empfang des Sakraments der Versöhnung, die regelmäßige Anbetung und die
regelmäßige Betrachtung des Wortes Gottes. Aus dieser Freundschaft mit Jesus wird
auch der Impuls dazu hervorgehen, in den verschiedensten Bereichen Zeugnis vom Glauben
zu geben, einschließlich dort, wo Ablehnung oder Gleichgültigkeit herrschen. Es ist
nicht möglich, Christus zu begegnen und ihn nicht den anderen bekannt zu machen. Bewahrt
also Christus nicht für euch selbst! Teilt eure Glaubensfreude den anderen mit! Die
Welt braucht das Zeugnis eures Glaubens, sie hat Gott gewiß nötig. Ich meine, daß
eure Anwesenheit hier – junge Menschen aus den fünf Kontinenten – ein wunderbarer
Beweis für die Fruchtbarkeit des Auftrags Christi an die Kirche ist: „Geht hinaus
in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Auch
euch obliegt die außerordentliche Aufgabe, Jünger und Missionare Christi in anderen
Gegenden und Ländern zu sein, wo es viele junge Menschen gibt, die nach Größerem streben
und in ihrem Herzen die Möglichkeit von echteren Werten ausmachen, sich dabei aber
nicht von den falschen Verlockungen einer Lebensweise ohne Gott verführen lassen. Liebe
junge Freunde, ich bete für euch mit aller Zuneigung meines Herzens. Ich vertraue
euch der Jungfrau Maria an, daß sie euch immer mit ihrer mütterlichen Fürsprache begleite
und euch die Treue zum Wort Gottes lehre. Ich bitte euch auch, für den Papst zu beten,
daß er als Nachfolger des Petrus seine Brüder im Glauben weiter stärken kann. Daß
wir alle in der Kirche, Hirten und Gläubige, jeden Tag dem Herrn näher kommen, damit
wir in der Heiligkeit des Lebens wachsen und so ein wirksames Zeugnis davon geben,
daß Jesus Christus wirklich der Sohn Gottes ist, der Erlöser aller Menschen und die
lebendige Quelle ihrer Hoffnung. Amen. (rv 21.08.2011)