Herr Kardinalerzbischof von Madrid! Verehrte Brüder im Bischofsamt! Liebe Priester
und Ordensleute! Liebe Rektoren und Ausbilder! Liebe Seminaristen! Liebe Freunde
alle!
Ich freue mich zutiefst, mit euch allen, die ihr Priester Christi zum
Dienst an der Kirche und an den Menschen werden wollt, die heilige Messe zu feiern,
und danke für die freundlichen Begrüßungsworte, mit denen ihr mich empfangen habt.
Diese ehrwürdige Kathedralkirche Santa María La Real de la Almudena ist heute gleichsam
ein riesiger Abendmahlssaal, wo der Herr mit brennendem Verlangen sein Paschamahl
mit denen hält, die sich danach sehnen, eines Tages in seinem Namen die Geheimnisse
der Erlösung zu feiern. Wenn ich euch sehe, stelle ich neuerlich fest, daß Christus
weiterhin junge Jünger beruft, um sie zu seinen Aposteln zu machen, und auf diese
Weise die Sendung der Kirche und das Angebot des Evangeliums an die Welt lebendig
bleibt. Als Seminaristen seid ihr auf dem Weg zu einem heiligen Ziel: den Auftrag,
den Christus vom Vater erhielt, weiterzuführen. Von ihm berufen, seid ihr seiner Stimme
gefolgt, und angezogen von seinem liebevollen Blick geht ihr auf das heilige Amt zu.
Richtet eure Augen auf ihn, der durch seine Menschwerdung der höchste Offenbarer Gottes
und durch seine Auferstehung der getreue Erfüller seiner Verheißung ist. Dankt ihm
für dieses Zeichen seiner besonderen Liebe, die er einem jeden von euch entgegenbringt. Die
erste Lesung, die wir gehört haben, zeigt uns Christus als den neuen und endgültigen
Priester, der sein Leben ganz aufgeopfert hat. Die Antiphon des Psalms läßt sich vollkommen
auf ihn anwenden, der bei seinem Eintritt in die Welt an seinen Vater gewandt sagte:
„Ja, ich komme, deinen Willen zu tun“ (vgl. Ps 40,8-9). In allem suchte er, dem Vater
zu gefallen: in seinem Reden und Tun, im Umherziehen und in der Aufnahme der Sünder.
Sein Leben war ein Dienst und sein Sich-Verzehren eine immerwährende Fürsprache, wenn
er im Namen aller als Erstgeborener vieler Brüder vor den Vater trat. Er hat – so
versichert der Verfasser des Hebräerbriefes – durch diese Hingabe uns, die wir zur
Teilhabe an seiner Sohnschaft berufen sind, zur ewigen Vollendung geführt (vgl. Hebr
10,14). Die Eucharistie, von deren Einsetzung das vorhin verkündete Evangelium
spricht (vgl. Lk 22,14-20), ist der tatsächliche Ausdruck dieser bedingungslosen Hingabe
Jesu für alle, auch für jene, die ihn verrieten. Hingabe seines Leibes und Blutes
für das Leben der Menschen und zur Vergebung ihrer Sünden. Das Blut, Zeichen des Lebens,
wurde uns von Gott zum Bund gegeben, damit wir dort, wo wegen unserer Sünde der Tod
herrscht, die Kraft des Lebens einsetzen und so die Sünde zerstören können. Der gebrochene
Leib und das vergossene Blut Christi, das heißt seine hingegebene Freiheit, wurden
durch die eucharistischen Zeichen zur neuen Quelle der erlösten Freiheit der Menschen.
In Ihm erhalten wir die Verheißung einer endgültigen Erlösung und die sichere Hoffnung
auf die künftigen Güter. Durch Christus wissen wir, daß wir nicht auf dem Weg in den
Abgrund, in das Schweigen des Nichts und des Todes sind, sondern Pilger unterwegs
zu einem verheißenen Land, zu Ihm, der unser Ziel und auch unser Ursprung ist. Liebe
Freunde, bereitet euch darauf vor, Apostel mit Christus und wie Christus zu sein,
um Weggefährten und Diener der Menschen zu sein! Wie können diese Jahre der Vorbereitung
gelebt werden? Vor allem sollen es Jahre innerer Stille, beständigen Gebets, ausdauernden
Studiums und der schrittweisen Einbindung in die pastoralen Tätigkeiten und Strukturen
der Kirche sein. Kirche ist Gemeinschaft und Institution, Familie und Sendung, Schöpfung
Christi durch seinen Heiligen Geist und zugleich Ergebnis all derer, die wir sie mit
unserer Heiligkeit und mit unseren Sünden gestalten. So hat es Gott gewollt, der keine
Bedenken hat, Arme und Sünder zu seinen Freunden und Werkzeugen für die Erlösung des
Menschengeschlechts zu machen. Die Heiligkeit der Kirche ist vor allem die objektive
Heiligkeit der Person Christi selbst, seines Evangeliums und seiner Sakramente, die
Heiligkeit jener Kraft von oben, welche sie beseelt und anspornt. Wir müssen heiligmäßig
sein, um nicht einen Widerspruch zu erzeugen zwischen dem Zeichen, das wir sind, und
der Wirklichkeit, die wir zum Ausdruck bringen wollen. Denkt eingehend über dieses
Geheimnis der Kirche nach, während ihr die Jahre eurer Ausbildung mit tiefer Freude,
mit Lernbereitschaft, in Klarheit und radikaler Treue zum Evangelium sowie in liebevoller
Beziehung zur Zeit und zu den Personen, unter denen ihr lebt, verbringt. Keiner wählt
den Rahmen noch die Zielpersonen seiner Sendung aus. Jede Zeit hat ihre Probleme,
doch Gott gewährt in jeder Zeit die erforderliche Gnade, um sie mit Liebe und Realismus
anzunehmen und zu bewältigen. Deshalb muß der Priester in jeder Situation, in der
er sich befindet – so schwierig sie auch sein mag –, in jeder Art von guten Werken
Frucht bringen, während er dafür in seinem Inneren die Worte des Tages seiner Weihe
immer lebendig bewahrt, mit denen er aufgefordert wurde, sein Leben unter das Geheimnis
des Kreuzes des Herrn zu stellen. Sich unter Christi Geheimnis zu stellen, liebe
Seminaristen, schließt ein, daß man sich immer mehr mit demjenigen identifiziert,
der für uns zum Diener, Priester und Opfer geworden ist. Ihm gleichförmig zu werden
ist in Wirklichkeit die Aufgabe, für welche sich der Priester sein ganzes Leben lang
verzehren muß. Wir wissen natürlich, daß sie uns übersteigt und es uns nie gelingen
wird, sie vollkommen zu erfüllen, doch, wie der hl. Paulus sagt, streben wir dennoch
das Ziel an in der Hoffnung, es zu erreichen (vgl. Phil 3,12-14). Doch Christus,
der Hohepriester, ist auch der Gute Hirt, der sich um seine Schafe kümmert bis zur
Hingabe seines Lebens für sie (vgl. Joh 10,11). Um auch darin den Herrn nachzuahmen,
wird euer Herz im Seminar dadurch reifen müssen, daß ihr euch dem Meister völlig zur
Verfügung stellt. Diese Verfügbarkeit, die Gabe des Heiligen Geistes ist, inspiriert
zu der Entscheidung, den Zölibat um des Himmelreiches willen, die Abkehr von den irdischen
Gütern, die Anspruchslosigkeit und den aufrichtigen, ungeheuchelten Gehorsam zu leben. Bittet
ihn also darum, daß er euch gewähre, ihn in seiner Liebe zu allen bis zum äußersten
nachzuahmen, ohne die Fernstehenden und Sünder abzulehnen, so daß sie sich mit eurer
Hilfe bekehren und den richtigen Weg einschlagen. Bittet ihn, daß er euch lehre, den
Kranken und den Armen einfach und großherzig ganz nahe zu sein. Stellt euch dieser
Herausforderung unvoreingenommen und mit voller Kraft. Sie sei euch vielmehr eine
bedeutungsvolle Weise, das menschliche Leben in Selbstlosigkeit und Dienst zu verwirklichen,
und zwar als Zeugen des menschgewordenen Gottes, als Botschafter der höchsten Würde
des Menschen und folglich seine bedingungslosen Verteidiger. Auf seine Liebe gestützt,
laßt euch nicht von einer Umgebung einschüchtern, in der man Gott ausschließen will
und in der Macht, Besitz oder Vergnügen oft die Hauptkriterien sind, nach denen sich
das Dasein richtet. Es kann sein, daß man euch verachtet, wie es gewöhnlich denen
widerfährt, die sich auf höhere Ziele berufen oder die Idole entlarven, vor denen
heute viele auf den Knien liegen. Das wird dann der Fall sein, wenn ein Leben, das
tief in Christus verwurzelt ist, sich denen, die Gott, die Wahrheit und die Gerechtigkeit
echt suchen, wirklich als eine Neuheit offenbart und sie nachdrücklich anzieht. Ermutigt
von euren Ausbildern, öffnet eure Seele dem Licht des Herrn, um zu sehen, ob dieser
Weg, der Mut und Glaubwürdigkeit erfordert, euer Weg ist. Und so schreitet nur dann
auf dem Weg zum Priestertum voran, wenn ihr fest davon überzeugt seid, daß Gott euch
dazu beruft, seine Diener zu sein, und ihr voll dazu entschlossen seid, es im Gehorsam
gegenüber den Weisungen der Kirche auszuüben. In diesem Vertrauen lernt von dem,
der sich selber als gütig und von Herzen demütig bezeichnet hat. Dabei macht euch
von allen menschlichen Wünschen frei dadurch, daß ihr nicht euch selbst sucht, sondern
durch eure Haltung eure Brüder aufbaut, wie es der Schutzpatron des spanischen Weltklerus,
der hl. Johannes von Ávila, getan hat. Angeregt von seinem Beispiel, blickt vor allem
auf die Jungfrau Maria, die Mutter der Priester. Sie wird nach dem Vorbild Christi,
ihres göttlichen Sohnes, eure Seele zu formen wissen und euch lehren, immer die Güter
zu hüten, die er auf Golgota für die Rettung der Welt erworben hat. Amen.