Aus dem Vatikan, 15. August 2011 Hochfest der Aufnahme Mariä in den Himmel Prot.
Nr. 2011 0546Eminenz, Exzellenz, mit Blick auf den weiten Horizont der Neu-Evangelisierung
erlaubt sich diese Kongregation als hierfür zuständige Behörde, Ihnen ein Schreiben
zu übermitteln, das für die Rektoren der Wallfahrtskirchen, die sich in ihrem Bistum
befinden, bestimmt ist (siehe Anlage). Wie die geschichtliche Erfahrung lehrt,
sind Wallfahrtskirchen für viele Menschen Orte, an denen die göttliche Vorsehung
auf wunderbare Weise Umkehr, Halt und Trost spendet.
Auch heute kann an diesen
Orten noch vielen das Licht und die Freude des christlichen Glaubens vermittelt und
dazu beigetragen werden, dass der für alle gültige Ruf zur Heiligkeit Gehör findet.
Wir dürfen solche Ressourcen demütig und entschlossen einsetzen, um der Verweltlichung
entgegen zu treten und die religiöse Praxis zu vermehren.
Es wäre also wünschenswert,
dass Priester, die mit der Seelsorge in den Wallfahrtskirchen betraut sind, ihre
Aufgabe mit erneutem Schwung ausüben und dass ein tieferes Verständnis dafür entsteht,
wie wichtig es ist, jede Gelegenheit auszunutzen, um liturgische Feiern, die Katechese,
die Predigt, das Hören der Beichte, die Spendung der Sakramentalien und auch die sakrale
Kunst zu pflegen, denn gerade die Pflege dieser zahlreichen Aspekte kann demjenigen,
der eine Wallfahrtskirche auch nur gelegentlich betritt, wahrhaft hilfreich sein. Indem
ich Ihnen für alles danke, was Sie für die Verteilung und gute Rezeption des erwähnten
Schreibens tun wollen, verbleibe ich mit dem Ausdruck meiner Ehrerbietung und in tiefer
kollegialer Verbundenheit Ihr im Herrn ergebener Mauro Kardinal Piacenza Präfekt X
Celso Morga Iruzubieta Titularerzbischof von Alba Maritima Sekretär__________________________ Hochwürdige
Herren Rektoren, an Sie alle möchte ich einen herzlichen Gruß richten, der auch
für die Mitarbeiter bestimmt ist, die Ihnen bei der Seelsorge in den Wallfahrtskirchen
zur Seite stehen. Mit diesem Gruß verbinde ich ein herzliches Vergelt’s Gott für
den gewissenhaften Einsatz, mit dem Sie sich täglich den pastoralen Erfordernissen
stellen, die der aus aller Welt in stets größerer Zahl bei Ihnen eintreffende Pilgerandrang
mit sich bringt.
Mit diesen Zeilen möchte ich in erster Linie versuchen, mich
zum Dolmetscher Papst Benedikts XVI. zu machen, der auf die große Bedeutung hinweist,
die den Wallfahrtskirchen zukommt. Im Leben der Kirche stellen die Heiligtümer
einen großen Schatz dar und als Ziel der Pilgerreise, üben sie »auf eine wachsende
Zahl von Gläubigen und religiösen Touristen, von denen sich einige nicht selten
in einer schwierigen menschlichen und spirituellen Situation befinden, einer gelebten
Glaubenspraxis fern stehen und ein schwach ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl zur
Kirche haben«, eine große Anziehungskraft aus (Schreiben anlässlich des II.
Weltkongresses der Wallfahrtsseelsorge, Santiago de Compostela, 27.-30. September
2010). Dem seligen Papst Johannes Paul II. zu Folge sind »christliche Heiligtümer
immer und überall Zeichen Gottes gewesen, Zeichen von dessen Einbrechen in die
Geschichte der Menschen« (Ansprache an die Rektoren der Wallfahrtsorte,
22. Januar 1981). Die Heiligtümer sind also »ein Zeichen des lebendigen, unter
uns weilenden Christus, und dieses Zeichen haben Christen immer als Initiative bewertet,
die der Liebe entspringt, die der lebendige Gott gegenüber den Menschen hegt« (Päpstlicher
Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Der Wallfahrtsort.
Gedächtnis, Gegenwart und Prophetie des lebendigen Gottes, 08. Mai 1999, Nr.
5).
Angesichts der besonderen Bedeutung, die – wie die Erfahrung aller Christen
auf dem Glaubensweg zeigt – den Heiligtümern zukommt, möchte die für diesen Bereich
zuständige Kongregation für den Klerus (vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution
Pastor bonus, 28. Juni 1988, Art. 97, 1) Ihnen einige Gedanken in
der Hoffnung vorlegen, dass sie den seelsorglichen Aktivitäten, die täglich an
diesen Orten stattfinden, einen neuen und wirksamen Impuls verleihen. In der Tat
bleibt auch heute noch dort, wo die Verweltlichung um sich greift, das Heiligtum
ein privilegierter Ort, an dem der Mensch, ein Pilger auf Erden, die Erfahrung
der liebevollen und heilbringenden Gegenwart Gottes machen kann. Hier findet er
einen abgeschiedenen Ort, wo er sich fern von der alltäglichen Geschäftigkeit besinnen,
erneut geistliche Kraft schöpfen und daher den Weg des Glaubens mit größerem Eifer
wieder aufnehmen und fruchtbar begehen, wo er Christus inmitten der Welt im Alltagsleben
suchen, finden und lieben kann.
Welche der in einem Wallfahrtsort durchgeführten
pastoralen Aktivitäten bilden nun dessen Herzmitte? Mit theologisch tiefem Verständnis
und kirchlicher Erfahrungsbreite schreiben die Normen des Kirchenrechts in Bezug
auf diese Kultstätten Folgendes vor: In ihnen »sind den Gläubigen reichlicher die
Heilsmittel anzubieten durch eifrige Verkündigung des Gotteswortes, durch geeignete
Pflege des liturgischen Lebens, besonders der Feier der Eucharistie und des Bußsakramentes,
wie auch der gutgeheißenen Formen der Volksfrömmigkeit« (Can. 1234 § 1). So gibt
das Kirchenrecht eine wertvolle Zusammenfassung der für Heiligtümer spezifischen
Seelsorge und bietet hiermit eine gute Grundlage, um über einige, für das Amt,
das Ihnen anvertraut worden ist, wesentliche und charakteristische Elemente kurze
Erwägungen anzustellen.
1. Verkündigung des Wortes, Gebet und Volksfrömmigkeit Das
Heiligtum ist der Ort, an dem das Wort Gottes mit außergewöhnlicher Kraft erklingt.
In dem erst vor kurzem veröffentlichten Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Verbum Domini
(30. September 2010) bekräftigt Papst Benedikt XVI.: »die Kirche gründet … auf dem
Wort Gottes, sie entsteht und lebt aus ihm« (Nr. 3). Sie ist das „Haus“ (vgl. ebd.,
Nr. 52) in dem das göttliche Wort angenommen, betrachtet, verkündet und gefeiert
wird (vgl. ebd., Nr. 121). Was der Heilige Vater auf die Kirche bezieht,
kann in ähnlicher Weise vom Heiligtum behauptet werden.
Der Verkündigung
des Wortes kommt also im pastoralen Lebensvollzug des Wallfahrtsortes eine ganz
wesentliche Bedeutung zu. Daher haben die Geistlichen die Aufgabe, diese Verkündigung
im Gebet und in der Betrachtung vorzubereiten, indem sie deren Inhalt mithilfe
der spirituellen Theologie und unter Beachtung des Lehramts sowie des Lebens der Heiligen
erarbeiten. Die Heilige Schrift und die Liturgie sollen dabei die Hauptquelle für ihre
Predigten sein (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Konstitution Sacrosanctum Concilium, 04.
Dezember 1963, Nr. 35). Der Katechismus der Katholischen Kirche und dessen Kompendium
kommen als wertvolle Quellen ergänzend hinzu. Der verschiedentlich gestaltbare
Dienst des Wortes muss in Übereinstimmung mit der Offenbarung stehen. Er wird darüber
hinaus umso wirksamer und nachhaltiger sein, je mehr er dem Herzen entstammt und
aus dem Gebet hervorgeht. Weiterhin sollte eine Sprache verwendet werden, die verstehbar
und schön ist und die die immerwährende Aktualität des ewigen Wortes in korrekter
Weise aufzeigen kann.
Wenn die Verkündigung des Gotteswortes fruchtbar ist,
bringt sie im Menschen als Antwort das Gebet hervor. »Heiligtümer sind für Pilger
auf der Suche nach ihren lebendigen Quellen besonders geeignete Orte, um die Formen
christlichen Betens „als Kirche“ zu leben.« (Katechismus der Katholischen Kirche
[KKK], 11. Oktober 1992, Nr. 2691). Das Gebetsleben entwickelt sich auf vielerlei
Weisen, unter denen sich unter anderem auch verschiedene Formen der Volksfrömmigkeit
befinden, die »der Verkündigung und dem Hören des Wortes Gottes [stets] einen angemessenen
Raum geben [sollen], denn „in der Bibel findet die Volksfrömmigkeit eine unerschöpfliche
Quelle der Inspiration, unübertreffliche Vorbilder des Gebets und fruchtbare thematische
Vorlagen“« (Verbum Domini, Nr. 65).
Das Direktorium über
die Volksfrömmigkeit und die Liturgie (Kongregation für den Gottesdienst und
die Sakramentenordnung, 09.04.2002) widmet den Heiligtümern und Pilgerreisen ein
Kapitel und wünscht sich in diesem Zusammenhang »eine korrekte Beziehung zwischen
liturgischen Handlungen und Andachtsübungen« (Nr. 261). Die Volksfrömmigkeit ist
für den Glauben, die Kultur und die christliche Identität vieler Völker von großer
Bedeutung. Sie bringt den Glauben eines Volkes zum Ausdruck. In der Kirche und
für die Kirche ist sie ein »wahrer Schatz des Gottesvolkes« (ebd., Nr. 9):
Um dies nachvollziehen zu können, braucht man sich nur eben vor Augen zu führen,
wie arm die christliche Spiritualität des Westens wäre, wenn es keinen „Rosenkranz“,
keinen „Kreuzweg“ oder keine Prozessionen gegeben hätte. Dies sind nur wenige Beispiele,
aber sie zeigen zur Genüge, wie unverzichtbar die Volksfrömmigkeit ist.
Bei
der Ausübung Ihres Dienstes im Heiligtum haben Sie oft die Möglichkeit die speziellen, vielsagenden
Gesten der Frömmigkeit zu beobachten, mit denen die Pilger ihren Glauben auszudrücken
pflegen. Die vielen verschiedenen Andachtsformen, die sich oft von ebenso vielen
kulturellen Traditionen und Ausprägungen des Schönheitssinnes herleiten, zeugen von
der regen Intensität eines geistlichen Lebens, das von konstantem Gebet genährt wird und
vom tiefen Wunsch geprägt ist, sich Christus immer mehr zu nähern und ihm anzuhangen.
Angesichts
des prägenden Einflusses, den diese religiösen Gesten im geistlichen Leben der Gläubigen
ausüben, hat die Kirche deren Wert immer anerkannt und deren genuine Ausdrucksformen
respektiert. Mehr noch, sie hat sie auch durch das Lehramt der Päpste und Konzilien
empfohlen und gefördert. Ebenso hat sie aber dort, wo es Einstellungen oder Mentalitäten
gab, die nicht mit einer gesunden religiösen Gesinnung in Übereinstimmung zu bringen
waren, auf die Notwendigkeit hingewiesen, einzugreifen, sei es durch Anweisung, jene
Vorgänge von abwegigen Elementen zu reinigen, sei es durch die Bereitstellung von Meditationen,
Kursen, Unterweisungen usw. In der Tat kann die Volksfrömmigkeit nur dann locus
fidei (Ort des Glaubens) sein, wenn sie in einer ursprunghaft katholischen Tradition
steht,die als fruchtbares Instrument der Evangelisierung gerade die Elemente der umgebenden
indigenen Kultur so aufnehmen und veredeln kann, dass hierbei Synergien entstehen.
Als
Verantwortliche der Seelsorge in den Heiligtümern haben Sie also die Aufgabe, die Pilger
über den ganz und gar vorrangigen Platz zu belehren, den die liturgische Feier im Leben
jedes Gläubigen einnehmen muss. Dabei soll die persönliche Ausübung von Andachtsformen
der Volksfrömmigkeit in keiner Weise behindert oder abgelehnt, ja, sie soll begünstigt
werden, sie kann jedoch nicht den Platz der Teilnahme am liturgischen Gottesdienst
einnehmen. Anstatt der Zentralität der Liturgie Abbruch zu tun, sollten sich die genannten
Ausdrucksformen nämlich ihr hinzugesellen und stets auf sie ausgerichtet sein. Denn
bei der Feier der heiligen Geheimnisse findet das gemeinsame Gebet der gesamten Kirche
seinen Ausdruck.
2. Die Barmherzigkeit Gottes im Bußsakrament Am
Wallfahrtsort erinnert sich der Mensch in besonderer Weise an die Gegenwart der Liebe Gottes.
Dies führt zur Bitte um Vergebung der Sünden und zu dem Wunsch, das Geschenk der
Treue zum Glauben zu erbitten. Das Heiligtum ist dementsprechend auch der Ort, an dem
die Barmherzigkeit Gottes ständig gegenwärtig gesetzt wird. Hier wird der Mensch gastfreundlich
aufgenommen, damit er eine wirkliche Begegnung mit Christus haben, die Wahrheit
seiner Lehren und seiner Vergebung erfahren sowie würdig und daher auf fruchtbare
Weise die Eucharistie empfangen kann.
Daher muss es dort Priester geben, die
sich großherzig, demütig und zugänglich der Abnahme der sakramentalen Beichte widmen;
es muss also für deren Gegenwart gesorgt und – wo dies möglich ist – diese verstärkt
werden. Beim Spenden des Sakramentes der Versöhnung handeln die Beichtväter als
»Zeichen und Werkzeug der barmherzigen Liebe Gottes zum Sünder« (KKK, Nr.
1465). Sie sollen den Beichtenden helfen, die Zärtlichkeit Gottes, die Schönheit
und Größe seiner Güte zu erfahren und im eigenen Herzen den Wunsch zur Heiligkeit,
die für alle Christen Lebensziel und Berufung ist, wieder zu entdecken (vgl. Kongregation
für den Klerus, Der Priester, Diener der göttlichen Barmherzigkeit,
09. März 2011, Nr. 22).
Die Beichtväter sollen das Gewissen der Beichtenden
aufklären und darauf hinweisen, dass die sakramentale Beichte eng mit einer neuen
Lebensweise verbunden ist, die sich entschieden der Umkehr zuwendet. Daher sollen
sie die Gläubigen dazu ermutigen, dieses Sakrament regelmäßig und andachtsvoll
zu empfangen, um durch die dabei zugewendete Gnade ständig den Vorsatz zu nähren,
Christus anzuhängen, ihm treu zu sein und so in höherem Maß in Übereinstimmung
mit dem Evangelium leben zu können.
Die Priester sollen für den Dienst der
Versöhnung auffindbar und verfügbar sein, sich verständnisvoll und empfangsbereit
zeigen und ermutigend wirken (vgl. Der Priester, Diener der göttlichen
Barmherzigkeit, Nr. 51-57). Aus Respekt vor der Freiheit jedes einzelnen Gläubigen
und um ein völlig aufrichtiges Verhalten im sakramentalen Forum zu erleichtern,
ist es angebracht, dass sich an geeigneter Stelle (möglicherweise zum Beispiel in
einer Beichtkappelle) Beichtstühle mit festem Gitter befinden. Wie der selige Johannes Paul
II. im Apostolischen Schreiben Misericordia Dei (07. April 2002) ausführt,
wird die Gestaltung des Ortes für die Feier des Sakramentes »durch die von den
jeweiligen Bischofskonferenzen erlassenen Normen geregelt…, die gewährleisten müssen,
dass sich die Stelle der Beichtgelegenheit „an einem offen zugänglichen Ort“ befindet
und auch „mit einem festen Gitter versehen“ ist, so dass die Gläubigen und die
Beichtväter selbst, die dies wünschen, frei davon Gebrauch machen können.« (Nr.
9, b – vgl. Can. 964, § 2; Päpstlicher Rat für die Interpretation der Gesetzestexte,
Responsa ad propositum dubium: de loco excipiendi sacramentales confessiones
[07. Juli 1998]: AAS 90 [1998] 711; vgl. Der Priester, Diener
der göttlichen Barmherzigkeit, Nr. 41).
Außerdem sollen sich die Beichtväter
darum bemühen, dass verstanden wird, welche geistigen Früchte aus der Sündenvergebung
hervorgehen, denn »[d]as Sakrament der Versöhnung mit Gott bewirkt eine wirkliche
„geistige Auferstehung“, eine Wiedereinsetzung in die Würde und in die Güter des
Lebens der Kinder Gottes, deren kostbarstes die Freundschaft mit Gott ist« (KKK,
Nr. 1468). Angesichts der Tatsache, dass Heiligtümer Orte der wahren Umkehr sind,
kann es angebracht sein, die Ausbildung der Beichtväter zu ergänzen, z.B. im Bereich
der Seelsorge für diejenigen, die das menschliche Leben von seiner Empfängnis bis
zu seinem natürlichen Tod nicht respektiert haben.
Weiterhin sollen die
Priester diesen besonderen Dienst der Verwaltung der göttlichen Barmherzigkeit
ordnungsgemäß erfüllen, indem sie sich treu an das authentische Lehramt der Kirche
halten. Sie sollen über die Lehre der Kirche gut informiert sein und es nicht versäumen,
sich vor allem in Fragen der Moral und der Bioethik regelmäßig auf den neuesten
Stand zu bringen (vgl. KKK, Nr. 1466). Auch im Bereich von Ehe und Familie sollen
sie die maßgeblichen Erklärungen des kirchlichen Lehramtes respektieren. Bei der Spendung
des Sakraments sollen sie es also vermeiden, private Lehren, persönliche Meinungen
oder willkürliche Bewertungen auszusprechen, die nicht mit dem in Übereinstimmung
stehen, was die Kirche glaubt und lehrt. Im Rahmen ihrer ständigen Fortbildung
wird es hilfreich sein, sie zur Teilnahme an themenspezifischen Kursen anzuregen,
zum Beispiel jenen, die von der Apostolischen Pönitentiarie und einigen Päpstlichen
Universitäten angeboten werden (vgl. Der Priester, Diener der göttlichen Barmherzigkeit,
n. 63).
3. Die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens Das
Wort Gottes und die Bußfeier sind tief mit der heiligen Eucharistie, dem zentralen Geheimnis,
welches »das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm«
enthält, verbunden (II. Vatikanisches Konzil, Dekret Presbyterorum ordinis, 07.
Dezember 1965, Nr. 5). Die Feier der Eucharistie ist Herzmitte des sakramentalen Lebens
eines Heiligtums. Der Herr schenkt sich uns in ihr. So sollen die Pilger, die die Heiligtümer
besuchen, darauf aufmerksam gemacht werden, dass der eucharistische Herr, sofern
man ihm vertrauensvoll ins eigene Leben Einlass gewährt, ihnen die Möglichkeit gibt,
ihre Leben tatsächlich zu verwandeln. Die Würde der Eucharistiefeier soll auf angemessene
Weise durch Gregorianische Choräle, mehrstimmige oder volkstümliche Gesänge unterstrichen
werden (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 116 und 118); ebenso durch
die Wahl der jeweils nobleren Musikinstrumente (Pfeifenorgel und ähnliche, vgl.
ebd., Nr. 120), der von den Geistlichen getragenen Gewänder und schließlich
der bei der liturgischen Handlung benutzten Gegenstände. Diese müssen gewissen
Normen der Würde und der Sakralität entsprechen. Bei Konzelebrationen soll man
darauf achten, dass es einen Zeremonienmeister gibt, der nicht mitzelebriert. Wie
es sich für die Kleidung eines die göttlichen Geheimnisse feiernden Priesters geziemt,
sollte man im Rahmen des Möglichen dafür sorgen, dass jeder Konzelebrant ein Messgewand
oder eine Kasel trägt.
Im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum
Caritatis (22. Februar 2007) gab Papst Benedikt XVI. zu bedenken, dass »die
beste Katechese über die Eucharistie die gut zelebrierte Eucharistie selbst ist«
(Nr. 64). Daher sollen die Priester bei der Feier der heiligen Messe die in den
liturgischen Büchern aufgeführten Normen getreu beachten. Die Rubriken enthalten
nämlich keine optionalen Hinweise für den Zelebranten, sondern verpflichtende Vorschriften,
an die er sich bei jedem Gestus oder Zeichen gewissenhaft zu halten hat. Jeder
Norm liegt ein tiefer theologischer Sinn zugrunde, der nicht geschmälert oder verkannt
werden darf. Die Einführung willkürlicher Neuheiten bei der Feier der Liturgie
sorgt nicht nur unter den Gläubigen für Verwirrung und Spaltung, sondern schadet auch
der ehrwürdigen Tradition und der Autorität der Kirche selbst, sowie der kirchlichen Einheit.
Andererseits
ist der bei der Eucharistiefeier vorstehende Priester nicht nur ein mechanischer Akteur
der Rubriken. Vielmehr wird die intensive und andächtige innere Teilnahme, mit der er
die göttlichen Geheimnisse feiert und den vorgeschriebenen Zeichen und liturgischen Gesten
ihren jeweilig angemessenen Raum gibt, nicht nur sein eigenes Gebetsleben formen, sondern
auch Einfluss auf den eucharistischen Glauben der an der Messe mit actuosa partecipatio
teilnehmenden Laien haben und sich in diesem Sinne fruchtbar erweisen (vgl. Sacrosanctum
Concilium, Nr. 14).
Jesu Christi Hingabe in der Eucharistie ermöglicht
auch sein Verbleiben unter uns unter der Gestalt des Brotes. Liturgische Feiern
außerhalb der heiligen Messe, wie z.B. die mit der Aussetzung und dem eucharistischen
Segen verbundene eucharistische Anbetung, bringen das zum Ausdruck, was Herzmitte
der Eucharistiefeier ist, d.h. die Anbetung oder die Vereinigung mit Jesus, dem
Opferlamm. In diesem Zusammenhang lehrt Papst Benedikt XVI.: »in der Eucharistie
kommt uns ja der Sohn Gottes entgegen und möchte sich mit uns vereinigen; die eucharistische
Anbetung ist nichts anderes als die natürliche Entfaltung der Eucharistiefeier,
die in sich selbst der größte Anbetungsakt der Kirche ist« (Sacramentum Caritatis,
Nr. 66) und fügt hinzu: »Der Akt der Anbetung außerhalb der heiligen Messe verlängert
und intensiviert, was in der liturgischen Feier selbst getan wurde« (ebd.).
Dementsprechend
soll der Position, an der sich der Tabernakel der Wallfahrtskirche befindet, höchste
Wichtigkeit beigemessen werden (oder auch der Kappelle, die ausschließlich für
die Anbetung des Allerheiligsten bestimmt ist), denn dieser ist von seinem Wesen
her „Magnet“, Einladung und Impuls zum Gebet, zur Anbetung, Meditation, zur intimen
Zwiesprache mit dem Herrn. Im erwähnten Apostolischen Schreiben hebt der Heilige
Vater hervor: »Seine richtige Position hilft nämlich, die wirkliche Gegenwart Christi
im Allerheiligsten Sakrament zu erkennen. Es ist nötig, dass der Ort, an dem die eucharistischen
Gestalten aufbewahrt werden, für jeden, der in die Kirche eintritt, leicht auszumachen
ist, nicht zuletzt auch durch das ewige Licht.« (ebd., Nr. 69).
Der
Tabernakel, Aufbewahrungsort der Eucharistie, soll in der Wallfahrtskirche einen hervorstechenden
Platz einnehmen. Ebenso soll bei der Beziehung zwischen Kunst, Glaube und liturgischer
Feier Aufmerksamkeit darauf verwendet werden, dass »die Einheit der besonderen
Elemente des Presbyteriums – Altar, Kruzifix, Tabernakel, Ambo und Sitz« hervortritt
(ebd., Nr. 41). Wenn die architektonischen Zeichen, die unserem Glauben Ausdruck
verleihen, in der Kultstätten korrekt positioniert sind, fördert dies ohne Zweifel
– vor allem in den Heiligtümern – den Vorrang, der Christus, dem lebendigen Fels gerechterweise
zukommt und zwar noch vor dem selbstverständlich ebenfalls am Ort berechtigten
Hinweis auf die selige Jungfrau oder auf die Heiligen. Auf diese Weise ermöglicht
man der Volksfrömmigkeit, ihre Wurzeln zu zeigen, die wahrhaft eucharistisch und
christlich sind.
4. Neuer Antrieb für die Evangelisierung Schließlich
stelle ich noch mit Freude fest, dass die Heiligtümer auch heute noch eine außerordentliche
Faszination ausüben, worauf die wachsende Anzahl von Pilgern, die sich zu diesen Orten
begeben, hinweist. Nicht selten handelt es sich um Männer und Frauen aus allen Altersstufen
und Schichten, die sich in schwierigen menschlichen und spirituellen Situationen befinden,
einer gelebten Glaubenspraxis fern stehen und ein schwach ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl
zur Kirche haben. Der Besuch in einer Wallfahrtskirche kann ihnen eine wertvolle Gelegenheit
bieten, um Christus zu begegnen und den tiefen Sinn der eigenen, in der Taufe wurzelnden
Berufung wiederzuentdecken oder aber sich heilsam daran erinnert zu fühlen.
Ich
appelliere daher an jeden von Ihnen, diese Menschen besonders freundlich und zuvorkommend
zu empfangen. Auch in diesem Sinne sollte nichts der Improvisierung überlassen
werden. Es wäre von hohem erzieherischen Wert, sich zu Wegbegleitern dieser Pilger
und Besucher zu machen, um so die Beweggründe und die geistlichen Erwartungen, die
sie mitbringen, in Erfahrung zu bringen, was jedoch auf weise, mit dem Evangelium übereinstimmende
Art und mit großer Sensibilität zu geschehen hat. Bei diesem Dienst könnte man
sich von Mitarbeitern unterstützen lassen, die spezifische Aufgaben übernehmen
und über freundlichen Umgang, ein Auge für spirituelle Dinge und theologischen
Verstand verfügen und so den Pilgern eine Einführung bieten, die ihnen dabei hilft,
ihren Besuch im Heiligtum als einen Moment der Gnade zu erkennen, der sie an einen Ort
religiöser Erfahrung und wiederentdeckter Freude führt. Dort, wo der Zustrom von Pilgern
beachtlich und konstant ist, sollte zu diesem Zweck auch in Betracht gezogen werden,
eventuell Termine für geistliche Veranstaltungen vorzusehen, die abends und nachts
ausgetragen werden (nächtliche Anbetung oder Gebetswachen).
Ihre pastorale
Fürsorge kann jedenfalls Gelegenheit und starker Anreiz dafür sein, dass in den
Herzen der Pilger der Wunsch entsteht, sich ernsthaft und intensiv auf den Weg des Glaubens
einzulassen. Durch verschiedene Formen katechetischer Unterweisung können Sie zu
verstehen geben, dass der Glaube, weit davon entfernt ist, ein vages, abstraktes, religiöses
Gefühl zu sein, sondern dass er zum Anfassen konkret ist und dass er sich unter den
Menschen stets in der Sprache der Liebe und Gerechtigkeit ausdrückt. Die Verkündigung
des Gotteswortes und der Lehre der Kirche, die in den Heiligtümern durch Predigten,
Katechese, geistliche Begleitung oder Einkehrtage vermittelt wird, stellt eine
optimale Vorbereitung für den Empfang der Vergebung Gottes im Bußsakrament und für
eine aktive und fruchtbare Teilnahme an der Feier des Messopfers dar.
Die eucharistische
Anbetung, die Kreuzwegandachten und das sowohl christologische als auch marianische
Gebet des Rosenkranzes werden so, zusammen mit der Spendung der Sakramentalien
und der Votivsegen, zum Zeugnis einer humanen Frömmigkeit und zum Weg, den man
mit Jesus im Heiligen Geist auf die barmherzige Liebe des Vaters hinzu geht. Auf
diese Weise wird die Familienpastoral gestärkt und das Gebet der Kirche zum »Herrn der
Ernte, damit er Arbeiter in seine Ernte sende« (Mt 9,38) erhört: Es entstehen heiligmäßige
und zahlreiche Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben! Ihrer ehrenvollen
Vergangenheit treu soll man es in den Heiligtümern nicht versäumen, sich entsprechend
der Soziallehre der Kirche im Bereich der Caritas, der Wohlfahrt, der Entwicklungshilfe,
der Gerechtigkeit und des Schutzes der Menschenrechte einzusetzen. Ebenso sollte
es ein reiches Angebot an kulturellen Initiativen wie z.B. Tagungen, Seminare,
Ausstellungen, Festivals, Wettbewerbe und künstlerische Darbietungen zu religiösen
Themen geben. Auf diese Weise werden Wallfahrtsorte auch zu Vorreitern einer Kultur,
die hochstehend oder volkstümlich sein kann, und tragen ihren Teil zum christlich ausgerichteten
Kulturprojekt der Kirche bei.
Unter der Führung Mariens, des Sternes der
Neu-Evangelisierung, durch die die erlösungsbedürftige Menschheit den Autor
der Gnade selbst empfängt, bereitet sich so die Kirche überall in der Welt auf
die Ankunft des Herrn vor. Die Wallfahrtskirchen, zu denen man sich hinbegibt,
gerade weil man auf der Suche ist, weil man hören und beten will, werden so auf
geheimnisvolle Weise zu Orten, an denen Gott die Menschen tatsächlich berührt,
was durch sein Wort, die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie, die Fürsprache
der Muttergottes und die der Heiligen geschieht. Nur wenn die Heiligtümer mitten
in den Flutwellen und Stürmen der Zeit eine Trutzburg gegenüber dem überall vorherrschenden
dogmatischen Relativismus bilden, werden sie zu Katalysatoren für eine neue Dynamik
werden, die die so erwünschte Neu-Evangelisierung begünstigt.
Indem ich
Ihnen allen erneut für Ihren Einsatz und Ihre pastorale Fürsorge, die Ihre Wallfahrtskirchen
wahrhaft zu einem Zeichen der liebevollen Gegenwart des fleischgewordenen Wortes
machen, danke, versichere ich Sie meiner Nähe im Gebet und verbleibe Ihnen im Herrn
und unter dem Schutzmantel der allerseligsten Jungfrau Maria herzlich zugetan und
verbunden.
Aus dem Vatikan, 15. August 2011 Hochfest der Aufnahme Mariä
in den HimmelMauro Kard. Piacenza Präfekt X Celso Morga Iruzubieta Titularerzbischof
von Alba Maritima Sekretär