In Chile protestieren
seit Monaten Studierende für eine gerechtere Bildungspolitik. Hunderttausende gingen
auf die Straße, einige Hundert wurden festgenommen. Die Bischöfe haben angeboten,
in dem Konflikt mit der Regierung zu vermitteln. Das chilenische Bildungssystem stammt
aus dem Jahr 1981, wurde also von der Pinochet-Diktatur eingeführt. Die Studierenden
wollen grundlegende Reformen, erklärt Reiner Wilhelm, Chile-Fachmann beim bischöflichen
Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, im Gespräch mit Radio Vatikan:
„Sie fordern,
dass die Schulen und Universitäten bezahlbar oder sogar gratis sind, denn viele der
Studenten müssen sich verschulden, damit sie überhaupt studieren können. Was in den
Protesten immer wieder aufkommt ist, dass die privaten Universitäten so arbeiten müssen,
dass sie keinen Gewinn abwerfen. Das sind natürlich Dinge, die sehr stark am Grundgerüst
des Systems rütteln. Die Schüler und Studenten sagen auch, wie sie das finanzieren
wollen, nämlich über eine Steuerreform. Allerdings würde so etwas die Großunternehmer
und vor allem diejenigen, die zurzeit an der Regierung sind, am stärksten belasten.
Es ist eine sehr politische Situation.“
Nun hat aktuell die chilenische
Bischofskonferenz eine Stellungnahme zu den Protesten veröffentlicht. Welche Haltung
nimmt die katholische Kirche in dem Bildungsstreit ein?
„Sie versucht zum
Dialog aufzurufen und beide Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Die Proteste
richten sich nicht gegen die Kirche, die auch in der Vermittlung steht. Die katholischen
Schulen sind in Chile sehr stark verbreitet, aber man will diesen Gewinncharakter
nicht hochkommen lassen. Man versucht dort Bildung so anzubieten, dass die ärmeren
Bevölkerungsschichten auch Möglichkeiten haben, an der Bildung Teil zu haben.“
Die
Bildung weist ja immer mittelfristig oder langfristig in die Zukunft eines Landes.
Kann man sagen, wo der versteckte Graben dieses Konfliktes verläuft? Sind es junge
Leute, die die Perspektive des Landes verbessern wollen, gegen Konservative oder worum
geht es im Grund?
„Die Eltern legen sich wirklich krumm für eine bessere
Ausbildung ihrer Kinder. Das heißt sie hatten selber in der Regel nicht die Möglichkeit,
zur Schule zu gehen, Universitätsabschlüsse zu machen und dann ist es für sie ganz
besonders wichtig, ihren Kindern eine Perspektive zu bieten. Da Problem ist aber,
die Kinder werden, wenn sie die Universitäten verlassen haben, kaum eingestellt. Sie
haben hohe Schulden und da ist natürlich immenses Konfliktpotential und sehr viel
Frustration.“
Die Regierung hat ja jetzt Reformprojekte im Parlament vorgelegt.
Reicht das den Studierenden?
„Nein, man ist hingegangen und hat gesagt,
wir müssen ein Stipendiensystem aufbauen, wo es mehr Geld gibt. Aber es geht nicht
an die eigentlichen Probleme. Die liegen ganz eindeutig in der Struktur.“