In Oslo ist es still.
„Sehr still“, sagt der Medienbeauftragte des Bistums Oslo, Pal Bratbak. „Die
Menschen kehren ansatzweise zu ihrem normalen Leben zurück. Wir sehen das aus dem
Büro des Bischofs. Wir schauen auf das Regierungsgebäude. Die Straße hier wurde abgesperrt,
hier standen Militärs mit Maschinengewehren, aber die sind abgezogen. Der Alltag beginnt
also wieder. Aber ich weiß nicht, ob wir wirklich realisiert haben, wie groß diese
Tragödie ist. Wir haben die Namen noch nicht gelesen. Wir haben die Gesichter der
Toten nicht gesehen. Das kam so unerwartet. Niemand konnte das vorraussehen, diesen
Horror, diese Manifestation des Bösen.“ Es brauche Zeit, das Geschehene zu
verarbeiten. Die Menschen ließen ihre Trauer zu. Bratbak: „Der Platz vor der lutherischen
Domkirche hat sich in ein Meer von Blumen, Kerzen und Gebeten für die Opfer verwandelt.
Wir haben damit begonnen, das Geschehene zu realisieren, aber wir brauchen noch Zeit.“
Zum Zeitpunkt des Attentats war Bratbak im Auto unterwegs. Er hörte im
Radio vom Attentat und hielt alles für eine Übertreibung der Medien. „Aber es war
nicht so.“ Er sah junge Menschen an einer Haltestelle warten, um zum Jugendtreffen
der Arbeiterpartei auf die Insel Utoya zu gelangen. „Ich hoffe, sie haben es nicht
mehr dorthin geschafft.“
Die Überlebenden vom Jugendlager der Sozialdemokraten
waren nach der Schießerei zunächst in Hotels gebracht und dort versorgt worden. Psychologen
standen ihnen zur Seite. Jetzt berichten sie, sagt Bistumssprecher Bratbak im Gespräch
mit Radio Vatikan: „Sie haben das Schweigen gebrochen, haben einige Interviews
gegeben und kehren jetzt zu ihren Familien und Freunden zurück. Sie berichten von
horrorartigen Szenen. Natürlich sind sie darauf bedacht, nicht alle Einzelheiten zu
schildern, aber es wird deutlich, welche Angst sie hatten. Der erste Gedanke war wohl:
Das ist ein Spiel. Als sie die zerstörten Gesichter ihrer Freunde sahen, verstanden
sie: Das ist kein Spiel und rannten um ihr Leben. Sie stürzten sich ins Meer... Es
waren Bilder des Grauens.“
„Christlich-fundamentalistisch“ lautete die
Beschreibung des Attentäters in einer ersten Stellungnahme der norwegischen Polizei.
Katholik Pal Bratbak schüttelt den Kopf. Auch er betont: „In Norwegen und allen
skandinavischen Ländern ist die Kirche eine mulitkulturelle Gesellschaft. Die katholische
Kirche ist hier sehr präsent. Allein in der Dompfarrei haben wir Menschen aus 160
Ländern. Er behauptet ein Rechtsextremist mit katholischer Prägung zu sein – das ist
so unrealistisch.“