2011-07-25 11:53:52

Norwegen: „Kirche ist Ferment der Einheit“


RealAudioMP3 12 Uhr. Skandinavien steht still. Norwegen und auch Schweden, Dänemark, Island und Finnland gedenken in einer Schweigeminute der Opfer des Verbrechens vom vergangenen Freitag. Bei dem Anschlag im Osloer Regierungsviertel und dem nachfolgenden Blutbad in einem Jugendlager auf der nahen Insel Utoya kamen nach offiziellen Angaben bislang mindestens 93 Menschen ums Leben. Mehr als 30 Menschen gelten als vermisst. Der 32-jährige Attentäter wurde am Nachmittag dem Haftrichter vorgeführt. Im Internet kursiert ein mehr als 1500 Seiten Manifest – das weißt den Attentäter als bekennenden Fundamentalchristen und Islamhasser aus. Kirchenvertreter gingen auf Distanz.

Am Sonntag hat die Bevölkerung mit Trauergottesdiensten in vielen Kirchen des Landes der Opfer gedacht. An einer Feier in der Domkirche von Oslo nahmen das sichtlich bewegte Königspaar und Ministerpräsident Jens Stoltenberg teil. „Es wird ein Norwegen vor und nach den Anschlägen geben“, sagte der sozialdemokratische Politiker. Die Leitende Bischöfin der Norwegischen Kirche, Helga Haugland Byfuglien, rief in ihrer Predigt die Menschen auf, sich in ihrem großen Schmerz die Hände zu reichen und gemeinsam für Liebe und Gerechtigkeit einzutreten. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst uns lähmt.“

Papst Benedikt XVI. hatte von Castelgandolfo aus dazu aufgerufen, „den Hass fallenzulassen und den Ausweg zu suchen aus der Logik des Bösen“. Im Beileidstelegramm an König Harald V. rief er die Norweger auf, ohne Angst für eine Zukunft von Respekt, Solidarität und Freiheit einzutreten. – Etwa 85 Prozent der knapp 5 Millionen Norweger gehören der evangelisch-lutherischen Staatskirche an. Die katholischen Gemeinden sind traditionell Anlaufstation für Zuwanderer. Sie hätten deshalb jetzt eine besondere Verantwortung, sagt der Päpstliche Nuntius für die nordischen Länder, Erzbischof Emil Paul Tscherrig:
„Wir sind eine Kommunität, die aus vielen Nationalitäten und vielen Sprachen und Kulturen besteht. In vielen unserer Pfarreien haben wir bis zu 80 Nationalitäten, die zusammenleben. Wenn wir diesen Aufruf des Heiligen Vaters ernst nehmen, dann drückt sich darin die Mission der katholischen Kirche in den nordischen Ländern aus: ein Ferment zu werden der Einheit und der Kommunion, um Menschen aus verschiedenen Nationen, Sprachen und Kulturen zusammenzubringen, und daraus ein einziges Volk zu machen. Dies ist die große Aufgabe der katholischen Kirche in unseren Ländern in dieser sehr kritischen Zeit und in dieser sehr kritischen Situation für Norwegen.“


Ministerpräsident Stoltenberg setzt auch nach dem Attentat von Rechts auf eine offene Gesellschaft. Sie sei Teil der Tradition, berichtet der katholische Bischof von Oslo, Bernt Ivar Eidsvig. Der gebürtige Norweger betont:
Die Klassenunterschiede sind historisch viel kleiner und geringer als sonst in Europa. Auch die politische Solidarität – obwohl man natürlich viele Parteien hat – ist traditionell stark. Während der Kriegsjahre wurde das noch deutlicher entwickelt. Ausländer die zu uns kommen, bemerken das.“

Die Stadt des Friedensnobelpreises wird sich verändern, meint der Bischof:
„Bei uns sind die Sicherheitsmaßnahmen fast zu idyllisch. Mit dem Privatauto – wie der Täter am Freitag – kann man fast zur Kanzlei des Premierministers fahren. Zur Audienz beim König kann man mit dem Auto zum Schloss fahren. Das wird wahrscheinlich zu einem Ende kommen. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir in diesem negativen Sinn zu einem Teil Europas geworden sind. Da geht deutlich etwas verloren.“

(rv/kna 25.07.2011 bp)








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