Bundesfreiwilligendienst: Angebot, nicht Lückenfüller
„Nichts erfüllt mehr,
als gebraucht zu werden.“ Ein Werbespruch. Plakativ. Für den Bundesfreiwilligendienst.
Unter den großen Lettern strahlt ein junger Mann. Die Haare vom Wind zerzaust macht
er sich scheinbar auf zu neuen Aufgaben.
„Der Freiwilligendienst gibt die
Möglichkeit an Stellen zu helfen, die man im eigenen Leben vielleicht noch nicht erleben
musste, nicht erleben konnte.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel widmet ihren Aktuellen
Video-Podcast diesem Thema. „Und es gibt viele junge Menschen, die sich dem stellen,
dass Menschen krank sind, wie das Altern ist, sich dem stellen, der Hilfe und Unterstützung
braucht, auch weil er vielleicht behindert ist.“
Seit 1. Juli ersetzt der Bundesfreiwilligendienst
den Zivildienst, der im Zuge der Bundeswehrreform künftig wegfällt. Neu: Für den Bufdi
können sich Frauen und Männer aller Altersklassen melden und sich für mindestens sechs
Monate, maximal drei Jahre, verpflichten. Mit 35.000 Plätzen hatte das zuständige
Familienministerium geplant. Doch der Zulauf war bislang schleppend, nur 3.000 Verträge
waren bis zum 1. Juli abgeschlossen worden. Viele Stellen bieten den Dienst erst ab
August an.
Es brauche mehr Zeit, eine offensive Informationspolitik, hatte
Caritaspräsident Peter Neher gefordert. Der Bund der Deutschen katholischen Jugend
ist zusammen mit der Caritas eine der großen Trägerorganisationen, ehemals des Zivi
und jetzt des Bufdi. BDKJ-Präses Simon Rapp kritisierte Anfang Juli: „Weder
die Einsatzstellen noch die Freiwilligen hatten bisher sichere Planungsgrundlagen,
deswegen konnte der Dienst auch noch nicht anlaufen.“ Auf Dauer werde es keinen Notstand
geben – weder in der Bundeswehr noch in den sozialen Einrichtungen. Und wenn doch,
dann sei das nicht die Schuld junger Menschen.
Abschaffung der Wehrpflicht
richtig. Aber überstürzt.
Die katholischen Jugendverbände in Deutschland
fordern seit vielen Jahren die Abschaffung der Wehrpflicht und eine breite gesellschaftliche
Diskussion über ihren Sinn. Die so genannte Wehrgerechtigkeit sei ohnehin nicht mehr
gegeben gewesen, nach den geänderten Richtlinien wurde seit 2003 teilweise weniger
als ein Zehntel eines Geburtenjahrgangs einberufen. Die jetzige Bundeswehrreform wurde
mit der heißen Nadel gestrickt, die praktische Umsetzung war mangelhaft, meint BDKJ-Präses
Rapp: „Diese Eile in der Abschaffung der Wehrpflicht, die Eile, etwas Neues sich
einfallen zu lassen, wie mit dem Wegfallen des Zivildienstes umzugehen ist, die ist
politisch verschuldet. Und da hätte uns allen, allen Beteiligten, mehr Zeit wirklich
gut getan. Dafür hätte man die Wehrpflicht durchaus auch erst ein Jahr später aussetzen
können, wenn es dann dazu führt, dass alle Rahmenbedingungen rechtzeitig geklärt werden
können.“
Freiwillige sind keine Lückenfüller.
Doch der
Bundesfreiwilligendienst ist nun einmal angelaufen. Anders als der Zivildienst kein
Selbstläufer, kein Pflicht-Ersatzdienst, sondern ein Angebot. Lücken im sozialen Netz
dürften – wie im Übrigen schon mit dem Zivildienst – nicht gestopft werden, warnt
der BDKJ-Präses. Im Mittelpunkt stehe die Persönlichkeitsentwicklung derer, die sich
engagieren wollen. Rapp: „Zivildienst war Pflichtdienst und spülte die jungen Menschen
automatisch in die Einsatzstellen und das Sozialsystem hinein. Jetzt müssen sich die
sozialen Einrichtungen neu aufstellen, neu einrichten und ganz deutlich noch einmal
sagen, wir möchten den jungen Menschen ein Angebot machen, das zunächst den jungen
Menschen hilft, aber sie helfen damit auch uns in unseren Aufgaben.“ Junge Menschen
seien nicht dazu da, Dienste zu tun, die nicht auch andere Menschen tun könnten. „Hier
müssen normale Arbeitsverhältnisse einziehen, das heißt dann muss auch Geld in das
Sozialsystem einfließen.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gleicher Meinung.
„Der Bund nimmt jetzt relativ viel Geld in die Hand, 350 Millionen um solche Freiwilligendienstplätze
zu schaffen und ich glaube, die Einrichtungen sollten das annehmen als eine Ergänzung,
damit mehr Menschlichkeit, mehr Zeit da ist, um Menschen auch Angebote zu unterbreiten,
aber niemals um die Kernaufgaben zu erfüllen.“
Abiturienten auf der Suche
Ehrenamtliches
Engagement, ein sozialer Dienst – das hilft auch bei der Suche nach dem richtigen
Arbeitsplatz, nach dem eigenen Weg. Das bestätigen drei junge Männer aus München;
die Kollegen vom dortigen Kirchenradio haben ihre Meinungen eingeholt. Alle drei haben
Abitur gemacht und absolvieren jetzt ihren Bundesfreiwilligendienst bei der Caritas. „Ich
bin mir noch nicht ganz sicher, was ich 2012 mache, ob ich mit dem Studium oder mit
einer Ausbildung beginne. Beim Bundesfreiwilligendienst hat man – zumindest bei der
Caritas – mit behinderten Menschen zu tun, mit Leuten, die auf einen angewiesen sind,
und man muss schauen, wie man mit so einer schwierigen Situation zurechtkommt. Das
ist eine sinnvolle Möglichkeit, die Zeit zu überbrücken… Das ist eine gute Möglichkeit,
sich sozial zu engagieren. Ich sehe die Arbeit mit Behinderten als Herausforderung,
weil man vielmehr gefordert wird, als in normalen 400-Euro-Jobs… Ich habe mir gedacht,
dass es für die eigene Persönlichkeit einiges bringt, wenn man mit behinderten Menschen
zusammen arbeitet.“