2011-07-25 10:04:08

Bundesfreiwilligendienst: Angebot, nicht Lückenfüller


RealAudioMP3 „Nichts erfüllt mehr, als gebraucht zu werden.“ Ein Werbespruch. Plakativ. Für den Bundesfreiwilligendienst. Unter den großen Lettern strahlt ein junger Mann. Die Haare vom Wind zerzaust macht er sich scheinbar auf zu neuen Aufgaben.

„Der Freiwilligendienst gibt die Möglichkeit an Stellen zu helfen, die man im eigenen Leben vielleicht noch nicht erleben musste, nicht erleben konnte.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel widmet ihren Aktuellen Video-Podcast diesem Thema. „Und es gibt viele junge Menschen, die sich dem stellen, dass Menschen krank sind, wie das Altern ist, sich dem stellen, der Hilfe und Unterstützung braucht, auch weil er vielleicht behindert ist.“

Seit 1. Juli ersetzt der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst, der im Zuge der Bundeswehrreform künftig wegfällt. Neu: Für den Bufdi können sich Frauen und Männer aller Altersklassen melden und sich für mindestens sechs Monate, maximal drei Jahre, verpflichten. Mit 35.000 Plätzen hatte das zuständige Familienministerium geplant. Doch der Zulauf war bislang schleppend, nur 3.000 Verträge waren bis zum 1. Juli abgeschlossen worden. Viele Stellen bieten den Dienst erst ab August an.

Es brauche mehr Zeit, eine offensive Informationspolitik, hatte Caritaspräsident Peter Neher gefordert. Der Bund der Deutschen katholischen Jugend ist zusammen mit der Caritas eine der großen Trägerorganisationen, ehemals des Zivi und jetzt des Bufdi. BDKJ-Präses Simon Rapp kritisierte Anfang Juli:
„Weder die Einsatzstellen noch die Freiwilligen hatten bisher sichere Planungsgrundlagen, deswegen konnte der Dienst auch noch nicht anlaufen.“ Auf Dauer werde es keinen Notstand geben – weder in der Bundeswehr noch in den sozialen Einrichtungen. Und wenn doch, dann sei das nicht die Schuld junger Menschen.

Abschaffung der Wehrpflicht richtig. Aber überstürzt.

Die katholischen Jugendverbände in Deutschland fordern seit vielen Jahren die Abschaffung der Wehrpflicht und eine breite gesellschaftliche Diskussion über ihren Sinn. Die so genannte Wehrgerechtigkeit sei ohnehin nicht mehr gegeben gewesen, nach den geänderten Richtlinien wurde seit 2003 teilweise weniger als ein Zehntel eines Geburtenjahrgangs einberufen. Die jetzige Bundeswehrreform wurde mit der heißen Nadel gestrickt, die praktische Umsetzung war mangelhaft, meint BDKJ-Präses Rapp:
„Diese Eile in der Abschaffung der Wehrpflicht, die Eile, etwas Neues sich einfallen zu lassen, wie mit dem Wegfallen des Zivildienstes umzugehen ist, die ist politisch verschuldet. Und da hätte uns allen, allen Beteiligten, mehr Zeit wirklich gut getan. Dafür hätte man die Wehrpflicht durchaus auch erst ein Jahr später aussetzen können, wenn es dann dazu führt, dass alle Rahmenbedingungen rechtzeitig geklärt werden können.“

Freiwillige sind keine Lückenfüller.

Doch der Bundesfreiwilligendienst ist nun einmal angelaufen. Anders als der Zivildienst kein Selbstläufer, kein Pflicht-Ersatzdienst, sondern ein Angebot. Lücken im sozialen Netz dürften – wie im Übrigen schon mit dem Zivildienst – nicht gestopft werden, warnt der BDKJ-Präses. Im Mittelpunkt stehe die Persönlichkeitsentwicklung derer, die sich engagieren wollen. Rapp:
„Zivildienst war Pflichtdienst und spülte die jungen Menschen automatisch in die Einsatzstellen und das Sozialsystem hinein. Jetzt müssen sich die sozialen Einrichtungen neu aufstellen, neu einrichten und ganz deutlich noch einmal sagen, wir möchten den jungen Menschen ein Angebot machen, das zunächst den jungen Menschen hilft, aber sie helfen damit auch uns in unseren Aufgaben.“
Junge Menschen seien nicht dazu da, Dienste zu tun, die nicht auch andere Menschen tun könnten. „Hier müssen normale Arbeitsverhältnisse einziehen, das heißt dann muss auch Geld in das Sozialsystem einfließen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gleicher Meinung. „Der Bund nimmt jetzt relativ viel Geld in die Hand, 350 Millionen um solche Freiwilligendienstplätze zu schaffen und ich glaube, die Einrichtungen sollten das annehmen als eine Ergänzung, damit mehr Menschlichkeit, mehr Zeit da ist, um Menschen auch Angebote zu unterbreiten, aber niemals um die Kernaufgaben zu erfüllen.“

Abiturienten auf der Suche

Ehrenamtliches Engagement, ein sozialer Dienst – das hilft auch bei der Suche nach dem richtigen Arbeitsplatz, nach dem eigenen Weg. Das bestätigen drei junge Männer aus München; die Kollegen vom dortigen Kirchenradio haben ihre Meinungen eingeholt. Alle drei haben Abitur gemacht und absolvieren jetzt ihren Bundesfreiwilligendienst bei der Caritas.
„Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich 2012 mache, ob ich mit dem Studium oder mit einer Ausbildung beginne. Beim Bundesfreiwilligendienst hat man – zumindest bei der Caritas – mit behinderten Menschen zu tun, mit Leuten, die auf einen angewiesen sind, und man muss schauen, wie man mit so einer schwierigen Situation zurechtkommt. Das ist eine sinnvolle Möglichkeit, die Zeit zu überbrücken… Das ist eine gute Möglichkeit, sich sozial zu engagieren. Ich sehe die Arbeit mit Behinderten als Herausforderung, weil man vielmehr gefordert wird, als in normalen 400-Euro-Jobs… Ich habe mir gedacht, dass es für die eigene Persönlichkeit einiges bringt, wenn man mit behinderten Menschen zusammen arbeitet.“

(rv 22.07.2011 bp)








All the contents on this site are copyrighted ©.