Der Dubliner Erzbischof
Diarmuit Martin ruft angesichts der sich zuspitzenden Missbrauchsdebatte in Irland
zu Besonnenheit auf. Der irische Premierminister Enda Kenny hatte dem Heiligen Stuhl
in einer Parlamentsdebatte am Mittwochnachmittag erneut Behinderung der staatlichen
Aufklärungsarbeit zu Missbrauchsfällen vorgeworfen. Erzbischof Martin nahm zu dem
Vorwurf am Mittwochabend in einem Interview Stellung.
Im Fall der Diözese
Cloyne hätten Mitglieder der Kirche die vom Vatikan aufgestellten Normen missachtet,
stellt Erzbischof Martin in dem Interview mit dem nationalen Sender RTE klar, wenige
Stunden nach der Parlamentsdebatte. Diese Normen seien bereits seit dem Jahr 2001
in Kraft. Man müsse die Frage stellen, was die Missachtung dieser Regeln über die
irische Kirche aussage, gibt der Geistliche zu bedenken. Wut und Scham empfinde er
darüber, was den kirchlichen Missbrauchsopfern angetan worden sei. Angesichts der
jüngsten Polemik dürfe die Zusammenarbeit der Kirche und Zivilgesellschaft jetzt
aber nicht zusammenbrechen, warnte der Erzbischof:
„Ich will keine Polarisierung
zwischen Kirche und Hilfsorganisationen sehen, wir sollten alle zusammenarbeiten,
um Kinder zu schützen.“
Die irische Regierung dürfe jetzt nicht von eigenen
Verantwortlichkeiten ablenken, so der Erzbischof weiter, der weiter Bedauern über
das fehlende Eingeständnis von Fehlern in staatlichen Institutionen äußert. Zudem
sieht Martin die Diskussion in dieser Form als kontraproduktiv für den begonnenen
Prozess der Heilung und Versöhnung an. So lenkt der Geistliche, der Missbrauchsopfern
noch Ende Februar in der Dubliner St. Mary`s-Pro-Kathedrale die Füße wusch, im Gespräch
mit RTE die Aufmerksamkeit auf das tatsächliche Leid der Opfer.
„Am Sonntag
habe ich über das Thema der Vergebung gesprochen. Wir haben eine Klageliturgie gemacht
in unserer Kathedrale, das war sehr bewegend: Opfern fanden den Mut zu sprechen. Wie
fühlen sie sich heute, wenn sie das sehen?“
Er persönlich sei bei der eigenen
Aufklärungsarbeit im Übrigen niemals vom Vatikan behindert worden, fügt Martin an.
Mehr als 7.000 Dokumente habe er der Murphy-Kommission übergeben und jeden Missbrauchsfall
einzeln angegeben:
„Der Vatikan hat mir deswegen nie irgendwelche Vorhaltungen
gemacht. Die bestehenden Normen sind wichtig!“
Hintergrund Im
Rahmen der staatlichen Aufklärungskampagne zu Missbrauch in der irischen Kirche hatte
eine Untersuchungskommission in der südirischen Diözese Cloyne in den letzten Tagen
schwere Vorwürfe gegen den Vatikan und den ehemaligen Bischof von Cloyne, John Magee,
erhoben. Der Vorwurf gegenüber dem Geistlichen, in einer Reihe von Fällen nicht die
Polizei eingeschaltet zu haben, war allerdings schon im Jahr 2008 von der Kirche selbst
thematisiert worden; sie hatte damals eine Untersuchung der Missbrauchsfälle und des
kirchlichen Umgangs damit durchgeführt. Weiter ist in der Debatte die Rede von
einem Schreiben aus dem Jahr 1997, in dem der Vatikan irischen Bischöfen davon abgeraten
haben soll, pädophile Priester der Polizei zu melden. Der Vatikan hat am vergangenen
Dienstag eine Stellungnahme zu den Vorwürfen angekündigt.