2011-07-10 13:24:22

Südsudan: Gefahr für Christen im Norden? - Unser Wocheninterview


RealAudioMP3 Der Südsudan ist unabhängig, weltweit wurde die Geburt dieses neuen Staates begrüßt. Experten warnen aber vor negativen Folgen für die Christen im muslimisch geprägten Nordsudan. Anne Preckel hat darüber mit Daniel Ottenberg vom Hilfswerk „Open Doors“ gesprochen.

„Für die Christen im Nordsudan bedeutet dies – bei aller Freude - wahrscheinlich nichts Gutes. Man kann das daran festmachen, dass der Präsident des Nordsudan, Omar Baschir bereits im Dezember 2010 erklärt hat, dass man - wenn die Unabhängigkeit kommen wird, und das war damals noch nicht klar - keine Rücksicht mehr nehmen müsse auf andere Ethnien und Religionen. Die Scharia könne so durchgesetzt werden, wie man sie verstehe, ohne auf internationale Beziehungen Rücksicht nehmen zu müssen.“

Der Nordsudan ist ja muslimisch geprägt. Im Südsudan gibt es dagegen mehr Christen und Anhänger von Naturreligionen. Welche Rolle haben Christen im Nordsudan überhaupt bisher gespielt?

„Die Christen im Nordsudan sind meist Arbeitsmigranten aus dem Süden und waren als solche geduldet. Sie hatten in Khartum sogar eine gewisse Freiheit ihren Glauben zu leben. Es gibt in Khartum durchaus große Kirchen. Wir hören aber dass inzwischen 75 Prozent der katholischen Christen geflohen sind und eine große Wanderungsbewegung in den Süden zu verzeichnen ist. Die Christen haben Sorge, dass nach der Unabhängigkeit die Scharia durchgesetzt wird.“

Der Nordsudanesische Bischof Markham Gassis befürchtet, dass hat er neulich in einem Pressegespräch in Wien geäußert, neben der Einschränkung der Religionsfreiheit in Nordsudan auch Massenausweisungen von Südsudanesen, und weiter berichtete der Bischof, dass in Khartum Christen in hohen politischen Funktionen durch Muslime ersetzt würden. Haben Sie ähnliche Informationen?

„Diese Informationen habe ich zwar nicht, aber das passt natürlich in das allgemeine Bild. Man muss sehen, dass vieles noch nicht befriedet ist. Die Frage ist auch, wie die Regierung im Nordsudan sich weiter verhalten wird. Präsident Al-Bashir hat noch letzte Woche gesagt, dass man um die Grenzprovinzen kämpfen werde. Das Regime versucht seine Macht zu festigen, und da passt es durchaus ins Bild, dass Christen durch regimetreue muslimische Beamte ersetzt werden und ihnen die Staatsbürgerschaft aberkannt wird."

Wenn es jetzt tatsächlich zu einem Exodus aus dem Nordsudan kommt, und Hunderttausende in den Süden zurückkehren, was bedeutet das denn für den noch jungen Staat Südsudan und welche Rolle spielt da die Kirche?

„Es ist richtig, auch wir haben gehört, dass Hunderttausende auf der Flucht sind und ihre Flucht aus dem Norden planen. Für den Süden stellt das natürlich ganz große Probleme. Es gibt praktisch noch keinen Staat, seit sechs Jahren jetzt diese umfassende Friedensabkommen, aber viele Fragen sind noch überhaupt nicht geklärt. Ein Problem ist das Öl, das überwiegend im Süden liegt, aber über den Norden transportiert werden muss. Die Frage ist, wie werden die Einnahmen aufgeteilt. Ein weiteres Problem: Es gibt kaum Arbeitsplätze im Südsudan und es besteht die Gefahr der Vetternwirtschaft.
Die Kirchen können hoffentlich eine einigende Funktion ausüben. Soweit mir bekannt ist, haben die Kirchen bisher gesagt, sie werden diese Teilung nicht mit nachvollziehen. Das heißt, es wird auf katholischer Seite beispielsweise weiterhin eine gemeinsame Bischofskonferenz geben. Es wird also keine Bischofskonferenz für den Norden geben und eine für den Süden, sondern eine Gemeinsame, von daher ist die Hoffnung, dass die Kirche eine Brückenfunktion haben wird.“

Der Südsudan ist ja ethnisch gesehen sehr heterogen und in religiöser Hinsicht christlich-animistisch geprägt. Es gibt aber auch zum Beispiel arabischsprachige Schwarzafrikaner und die Lord’s Resistance Armee. Ist mittlerweile mehr Frieden eingekehrt oder ist eher der Gegenteil der Fall?

„Im Süden selbst ist im Moment mehr Ruhe eingekehrt. Zumindest hören wir jetzt nichts von Übergriffen gegen Christen oder gegen andere Minderheiten. Allerdings gibt es weiterhin starke Grenzkonflikte. Vielen Christen sympathisieren in diesen Regionen mit der Befreiungsarmee. Von daher sind Übergriffe nicht immer nur mit Christenverfolgung zu erklären. Allerdings haben wir auch Nachrichten, dass islamistische Milizen mit „Allahu al-Akbar“ auf Kirchen losstürmen, sie niederbrennen und auch einzelne Christen umbringen. Diese Verfolgungen haben aber immer auch eine politische Dimension. Ich bin daher eher vorsichtig von einer wahren Befriedung zu sprechen."

Eine abschließende Frage: Es gibt einen Berg von Problemen, aber nichtsdestotrotz ist der Süd Sudan nun unabhängig. Wie sehen die Christen das im Land, wie ist die Stimmung?

„Die Stimmung ist, ich würde mal sagen, vorsichtig optimistisch. Man freut sich, dass die Unabhängigkeit erstmal ohne Blutvergießen erreicht wurde. Vo neun Monaten hätte keiner gedacht, dass überhaupt die Abstimmung stattfinden kann, einigermaßen in Frieden und auch frei und fair. Jetzt hat nicht nur die Abstimmung stattgefunden, sondern es wurde sogar die Unabhängigkeit erklärt und ein neuer Staat gegründet. Allerdings sehen die Christen durchaus auch die Schwierigkeiten, die mit dieser Unabhängigkeitserklärung verbunden sind. Und deswegen ist es so wichtig dass die Christen am Aufbau des Staates mitarbeiten, auch auf politischer Ebene. Das jeder seinen Glauben frei leben kann, also eben auch die Muslime die im Südsudan sind.“

(rv 10.07.2011 pr)









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