Die Kirche in Deutschland
macht sich auf den Weg. „Im Heute glauben – wo stehen wir“ ist der Titel der Auftaktveranstaltung
zu einem Gesprächsprozess, der fünf Jahre dauern soll. An diesem Freitag und Samstag
versammeln sich dazu in Mannheim 300 Ehren- und Hauptamtliche aus allen deutschen
Bistümern. Die Deutsche Bischofskonferenz lädt ein, will mit Geistlichen, Ordensleuten
und engagierten Laien über den Glauben und die Zukunft der Kirche diskutieren. Auf
der Vollversammlung im Herbst 2010 wurde diese Dialoginitiative beschlossen.
Nach
der Unruhe…
Der Münchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx ist
Mitglied der Steuerungsgruppe des Prozesses. Die Unruhe in der Kirche in Deutschland
und die Debatte nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle sei der äußere Anlass für
die Initiative der Bischöfe gewesen. Birgit Pottler hat mit ihm gesprochen:
„Wir
sind ja schon seit vielen Jahren in der Diskussion darüber, wie können wir in einer
pluralen Gesellschaft und angesichts einer neuen Herausforderung Kirche sein. Aber
das hat eine gewisse Dringlichkeit bekommen. Natürlich müssen die Bistümer in ihren
eigenen Bereichen und die Bischöfe in ihrer eigenen Verantwortung das tun, was sie
für richtig halten. Aber ich glaube, wir müssen auch als Kirche in Deutschland einen
solchen Selbstvergewisserungsweg gehen, damit wir uns auch neu auf den Weg machen,
um das Evangelium zu verkünden.“
Eine Art Würzburger Synode II also? Nein,
ein neues Beschlussgremium zur Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils ist nicht
geplant.
„Nein, das sollte es nicht sein. Eine Synode ist gerade nicht gewünscht.
Es geht wirklich um einen geistlichen Vergewisserungspunkt, dass wir auch als Bischöfe
einmal Hörende sind. Wir müssen lehren und lernen, wir müssen sprechen und hören.“
Hören,
nicht beschließen
Angst vor den so genannten heißen Eisen? Welche Themen
dürfen denn angesprochen werden? Was darf diskutiert werden? Die Katholische Frauengemeinschaft
startet den Dialog mit der Aussage „Die Zulassung zum Diakonat ist längst überfällig“.
Der Dachverband der katholischen Jugendverbände in Deutschland, der BDKJ, erwartet
sich immerhin eine Veränderung der Gesprächskultur. Die ist ein wichtiger Punkt –
auch für Kardinal Marx:
„Gesprächskultur in der Kirche bedeutet, immer vom
Communio-Gedanken auszugehen, von der Einmütigkeit, von der Suche nach Einmütigkeit.
Natürlich gibt es auch Streit in der Kirche, das ist ja in der ganzen Geschichte der
Kirche der Fall gewesen. Es ist eine naive Sicht, zu meinen, es habe in der Kirche
nie Auseinandersetzungen gegeben.
„Natürlich gibt es auch Streit. Das
ist immer der Fall gewesen.“
Es gibt ein gemeinsames Ringen, aber
es muss ein geistliches Ringen sein. Deshalb glaube ich, ist es nicht gut, wenn bestimmte
Gruppen Forderungen aufstellen, was geschehen muss. Wir müssen uns erst einmal geistlich
vergewissern: was ist die Mitte unseres Glaubens, was macht uns Freude im Glauben,
warum sind wir Christen, warum möchten wir, dass der Glaube weiter gegeben wird?“
Es
geht um das Evangelium. Nicht um politische Forderungen
Auf
diese „geistliche Dimension“ des Prozesses legt die Bischofskonferenz wert. „Das
heißt aber nicht, dass nicht auch die Themen angesprochen werden, die jeden bewegen.
Aber sie müssen sich einordnen in den gemeinsamen Weg. Deshalb haben wir in der Vorbereitung,
in der ganzen Organisation und Planung einen Schwerpunkt auf diese geistliche Dimension
gelegt, ohne dass geistlich bedeutet, man darf nicht offen auch kontrovers miteinander
sprechen. Das, glaube ich, ist ein Missverständnis von geistlicher Dimension.“
Fragen,
Fragen, Fragen
Die Verbände und Gruppierungen sagen ja zu einer geistlichen
Erneuerung. Das Image- und Vermittlungsproblem der katholischen Kirche sei nicht ihr
Einziges, sagt BDKJ-Diözesanvorsitzender Dirk Tänzler. Glaubenswissen sei auch innerhalb
der Kirche verloren gegangen und kirchliche Gruppierungen müssten wieder mehr aus
dem Glauben heraus handeln. Viele Fragen, die in Mannheim und den Folgejahren gestellt
werden, bräuchten aber auch konkrete Antworten und Lösungen. Tänzler: „Es gibt
unter anderem die Frage: Können wir nicht auch unseren Priester vor Ort mitbestimmen.
Wie weit können Laien Verantwortung übernehmen? Das sind Rückmeldungen, die wir von
Verbänden und aus Gemeinden bekommen, die über das Geistliche hinausgehen.“
Wegmarken
für den Gesprächsprozess sind der Papstbesuch 2011 in Deutschland, der Katholikentag
2012 in Mannheim, der Nationale Eucharistische Kongress 2013 in Köln, der Katholikentag
2014 und das Jubiläum zum 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen
Konzils 2015. Motor des Prozesses, das betont die Deutsche Bischofskonferenz, sollen
nicht neue und zusätzliche Veranstaltungen sein, sondern die in den Bistümern schon
bestehenden Gesprächsforen.
Die Arbeit geht weiter. Miteinander
Das
zweitägige Dialogforum in Mannheim ist ein Auftakt. Es soll keine bahnbrechenden Reformen
liefern, sondern bei der Routenplanung für den Gesprächsweg „in die Zukunft hinein“
helfen. „Da beginnt die Arbeit natürlich danach“, versichert der Münchner Erzbischof
Reinhard Marx, Mitglied der Steuerungsgruppe und mitverantwortlich für den weiteren
Verlauf. „Es nützt uns nichts, nur immer große Veranstaltungen zu haben. Die brauchen
auch eine gewisse geistliche Nachhaltigkeit. Dafür müssen wir mit Sorge tragen. Das
wird unsere Aufgabe danach sein, das ist klar. Die Arbeit geht weiter.“
Das
Gefühl der Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche müsse neu gefunden werden, bestätigt
auch der BDKJ-Vorsitzende Dirk Tänzler. Es sei gut, dass Benedikt XVI. im September
Deutschland besuche. Der Dialogprozess müsse auch auf einer weltkirchlichen Ebene
betrachtet werden.
„Der Missbrauchsskandal in Deutschland hat zu einer großen
Identitätskrise geführt, auch bei jungen Menschen. Das hat aber nicht zwingend etwas
mit Papst Benedikt XVI. zu tun. Er hat sich in vielerlei Fragen sehr klar und deutlich
positioniert. Und deswegen ist es uns wichtig, jetzt noch einmal einen Aufbruch zu
schaffen, eine Neuvergewisserung. Dazu gehören die Gespräche in Mannheim, die Gespräche
in den Diözesen, dazu gehört der Weltjugendtag aber auch der Papstbesuch im September.“
Mutmacher
Benedikt XVI.
Benedikt XVI. soll noch vor seiner Reise nach Deutschland
über den Gesprächsprozess informiert werden. Sozusagen über die Situation der Kirche
in seinem Heimatland „auf den letzten Stand gebracht werden“.
„Ich erwarte
mir vor allen Dingen, dass der Heilige Vater uns Mut macht, uns als Kirche in Deutschland,
die doch eine so reiche Tradition und auch noch so viel geistliche Kraft hat, so viele
Möglichkeiten, so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so viele Ehrenamtliche,
dass er uns Mut macht, nicht zu resignieren, sondern gerade jetzt in dieser schwierigen
Zeit das Evangelium zu verkünden. Und die Menschen warten ja auch darauf, auch wenn
sie es manchmal selber nicht wissen.
„Wir müssen uns auf die Socken
machen“
Was uns Jesus im Evangelium sagt, die Offenbarung dieses
Gottes, den Jesus seinen Vater genannt hat, ist so einzigartig, dass wir wirklich
uns auf die Socken machen müssen, auch unsere Sendung wahrzunehmen. Die Kirche wird
sich dann erneuern, wenn sie ihren Auftrag vom Herrn wahrnimmt, wenn sie ihre Arbeit
tut. Dann wird sie sich von selber erneuern.“