Das Gebet wird ein tragendes Element des Friedenstreffens der Religionen in Assisi
sein. Das schreibt Kardinal Jean-Louis Tauran, der Präsident des Päpstlichen Rates
für den interreligiösen Dialog, in der Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“. Das
Treffen mit Papst Benedikt und hochrangigen Vertretern der großen Religionen der Welt
findet am 27. Oktober in Assisi, der Stadt des heiligen Franziskus, statt. Anlass
ist der 25. Jahrestag der ersten Begegnung dieser Art mit Papst Johannes Paul II.
im Jahr 1986.
„Es ist selbstverständlich, dass das Gebet den Beginn, den Ablauf
und den Schluss jeder Handlung eines Christen markiert“, schreibt der Kardinal. Zwischen
dem Dialog mit Gott – dem Gebet – und jenem mit den anderen gebe es eine quasi natürliche
Beziehung. „Das gilt besonders auch für das heikle Feld des Dialogs zwischen Gläubigen
der verschiedenen Religionen“. So begännen selbst die Gespräche des Päpstlichen Dialogrates
mit muslimischen Partnern jeweils mit einem Gebetsmoment, entweder in Gestalt einer
Zeit der Stille oder einer Lesung aus dem Evangelium oder dem Koran. Auch den gemeinsamen
Mahlzeiten bei solchen Gesprächen geht laut Tauran ein stilles Gebet oder eine, so
wörtlich, „Anrufung“ voraus, „die theologisch für beiden Seiten akzeptabel ist“.
Das
Friedenstreffen in Assisi werde also „Gebetsmomente“ umfassen, die „als Dialog jedes
Gläubigen mit Gott oder mit dem Absoluten“ aufzufassen sind, „jeder nach der eigenen
religiösen Tradition oder seiner Suche nach der Wahrheit“. Damit entkräftet Tauran
bereits im vorhinein geäußerte Befürchtungen, in Assisi werde es zu synkretistischen
Handlungen kommen, etwa zu „gemeinsamen“ Gebeten von Gläubigen verschiedener Religionen.
Derartige Vorwürfe waren nach den bisherigen Friedenstreffen in Assisi mit Papst Johannes
Paul II. in einigen katholischen Kreisen laut geworden.
Kardinal Tauran, dessen
Dikasterium das Treffen am 27. Oktober vorbereitet, gab in seinem Artikel für die
Vatikanzeitung überdies erste Einzelheiten des Ablaufs bekannt. Demnach werden die
Teilnehmer zunächst der ersten drei Friedenstreffen gedenken, die 1986, 1994 und 2002
in Assisi stattfanden. Neben Papst Benedikt werden Exponenten anderer Delegationen
zu diesem Punkt das Wort ergreifen. Danach werden die Anwesenden das Versprechen erneuern,
das damals feierlich in Assisi abgegeben wurde und in dem es um Anstrengungen für
den Frieden geht. „Der Inhalt dieses `Dekalogs` hat sich als prophetisch erwiesen
und bewahrt seine Aktualität bis heute“, schreibt Tauran. „Denken wir an die zweite
Verpflichtung: ´Wir bemühen uns, die Menschen zu gegenseitigem Respekt und Wertschätzung
zu erziehen, damit ein friedliches und solidarisches Zusammenleben zwischen Angehörigen
verschiedener Ethnien, Kulturen und Religionen möglich wird.`“
Dialog zwischen
den Religionen diene in keinem Fall der Einebnung der Unterschiede, betonte Tauran.
„Er ist keine Verhandlung diplomatischen Zuschnitts und zielt nicht darauf, eine globale
Religion zu schaffen, die von allen akzeptiert wird“. Echter Dialog diene vielmehr
dazu, die Religion des anderen und seine darauf gründenden ethischen Verhaltensweisen
besser kennen zu lernen. „Es geht darum, den anderen kennenzulernen, so wie er ist,
so wie er das Recht hat zu sein, nicht so, wie man sagt dass er sei oder, schlimmer
noch, wie man ihn gerne hätte“. Aus der direkten und objektiven Kenntnis des anderen
heraus wüchsen gegenseitiger Respekt und Wertschätzung, Verständnis, Vertrauen und
Freundschaft.