Völkermord, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit; Folter und Verfolgung religiöser Minderheiten – das sind
die Anklagen gegen Führer des früheren Regimes der Roten-Khmer in Kambodscha. Einige
von ihnen stehen seit Montag in Phnom Penh vor Gericht. Fast ein Viertel der damals
acht Millionen Kambodschaner sind damals umgekommen. Die überlebenden Opfer des maoistisch-kommunistischen
Regimes erhoffen sich vom Gerichtsprozess Gerechtigkeit. Späte Gerechtigkeit, denn
die Schreckensherrschaft der Roten Khmer ging vor 32 Jahren zu Ende und zog mit dem
folgenden Bürgerkrieg eine weitere blutige Spur durch die kambodschanische Geschichte.
Ulrich Dornberg ist Länderreferent für Kambodscha beim bischöflichen Hilfswerk Misereor.
Er hat schon den ersten Prozess gegen Kaing Guek Eav, den „Foltermeister“ des Rote-Khmer-Führers
Pol Pot, verfolgt.
„Viele Menschen hoffen natürlich, dass auch der Fall
Zwei mit Verurteilungen ausgeht, weil das für ihren Versöhnungsprozess und die weitere
Aufarbeitung der Vergangenheit in dem Land wichtig ist.“
Die Folgen der
Schreckensherrschaft der Roten Khmer seien auch heute in Kambodscha allgegenwärtig,
berichtet Dornberg im Gespräch mit Radio Vatikan. Keine Familie in Kambodscha sei
dabei verschont geblieben. Die auf dem Territorium verteilten Minen aus Kriegszeiten,
die bis heute immer wieder neue Opfer fordern, seien da nur eines von vielen Problemen.
„Indirekte Spuren der Vergangenheit sind zu spüren in einer Kultur der
Gewalt und in einer politischen Kultur, in der Angst und Einschüchterung immer noch
wirken. Und natürlich sieht man Folgen auch im Entwicklungsstand des Landes. Alle,
die als Intellektuelle bezeichnet wurden – und das waren häufig einfach Menschen,
die eine Fremdsprache gesprochen haben oder eine Brille getragen haben – wurden ausgemerzt.
Das hat natürlich auch das Bildungssystem in dem Land zerstört. Kambodscha versucht
erst jetzt ganz langsam, eine neue Generation qualifizierter Lehrerinnen und Lehrer
heranzubilden, die die Jugend auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten kann.“
Das Gerichtstribunal von Phnom Penh wurde 2003 nach einer Vereinbarung
mit den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Das hohe Alter der aktuell Angeklagten,
die die engsten Vertrauten von Pol Pot waren, ließ die Befürchtung aufkommen, der
Prozess komme zu spät. Auch wird erwartet, dass sich das Gerichtsverfahren mit 2.000
Nebenklägern über Jahre hinziehen wird. Weiteres Manko sei die mangelnde Erfahrung
der kambodschanischen Rechtsprechung, die sich zumindest von internationalen Stellen
unter die Arme greifen lässt, so Misereor-Experte Dornberg. Nichtsdestotrotz habe
der Gerichtsprozess gegen die Führer der Roten Khmer, der seit Montag in die Zweite
Runde gegangen ist, bisher einen positiven Effekt auf die kambodschanische Gesellschaft
gehabt:
„…dadurch, dass Nebenkläger ihre Geschichten haben einbringen können.
Dass ganz neue Arten von Verbrechen ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind, vor
allem die Verbrechen gegenüber Frauen. Dies hat sehr viel Neues bewirkt im Land, und
es wäre schade, wenn dies durch einen administrativen Akt oder einen nicht gelungenen
Verlauf des zweiten Falles gestoppt würde.“
Den Tötungen, der Zwangsarbeit
und dem Hunger fielen unter den Roten Khmer auch viele religiöse Minderheiten, darunter
Christen, zum Opfer. Allerdings habe diese Verfolgung schon vor dem kommunistischen
Regime begonnen, erzählt Dornberg:
„Ein Großteil der Christen war ethnische
Vietnamesen. Und da war es so, dass mit Billigung der Amerikaner auch anti-vietnamesische
Pogrome stattgefunden haben. Bereits in den Jahren vor 1975, als die Roten Khmer die
Macht übernahmen, ist der Anteil der Katholiken von schätzungsweise 60-70.000 runtergegangen.
Der einzige Khmer-Bischof ist damals getötet worden, weil alle religiösen Einrichtungen,
Tempel, Klöster vor allem der Buddhisten zerstört wurden. Viele sind damals Zwangsarbeit
gestorben.“
Christen machen heute nur etwa 0,2 Prozent der kambodschanischen
Bevölkerung aus. Die Kirche leide selbst unter der Armut im Land, so Dornberg. Es
gebe drei apostolische Präfekturen, die mit Nicht-Kambodschanern besetzt seien. Von
60 Priestern seien nur fünf ethnische Khmer, also Kambodschaner.
Misereor unterstützt
Kambodscha bei der Reform staatlicher Institutionen, die sich mit Landreformen und
Landrechten auseinandersetzen. Weiter unterstützt das Hilfswerk in Kambodscha Behinderte
und setzt sich in der Friedensarbeit besonders für Jugendliche ein.
Hinweis Den
ausführlichen Beitrag über eines der dunkelsten Kapitel der südostasiatischen Geschichte
hören Sie am kommenden Donnerstagabend bei Radio Vatikan im Programm.