Abermals ist es in
Nordnigeria zu einem blutigen Anschlag der radikalislamischen Gruppe Boko Haram gekommen.
Bei dem Attentat am Sonntag auf einen Biergarten starben mindestens 25 Menschen. Das
erklärte Ziel Boko Harams ist es, Gesamtnigeria zum Islam zu bekehren und der Scharia
zu unterstellen. Was das konkret heißt, erklärt uns Achim Brick; er wirkt für das
katholische Hilfswerk misereor in Nigeria. „Keine westliche Bildung, keine
westlichen Schulen, keine westlich orientierten Werte, sondern alles entsprechend
der Scharia und dem Koran. Im Norden Nigerias gibt es teilweise keine Schulen für
die jungen Leute, sondern sie besuchen nur abends Koranschulen. Boko Haram versucht
mit Gewalt das Ziel der islamisierten Gesellschaft durchzusetzen, und zwar in Form
von Bombenanschlägen, Schießereien, überwiegend gegen Sicherheitskräfte, Polizeiposten,
teils auch Armeeposten. Das ist ihre Hauptzielgruppe.“ Vor etwa zehn Tagen
wurde in der Hauptstadt Abuja ein Bombenattentat auf das Polizeihauptquartier verübt.
Auch dieses soll auf das Konto der Gruppe gehen. Einige Beobachter meinen, dass die
Radikalislamisten von außerhalb Nigerias unterstützt werden. „Man ist nicht
sicher, ob da nicht schon die Handschrift von Al Kaida sichtbar ist. Bei dem Anschlag
auf das Polizeihauptquartier beispielsweise gibt es Hinweise, dass das ein Selbstmordattentäter
war. Traditionell war das nicht die Handschrift von Boko Haram. Wenn das der Fall
sein sollte, könnte es ein Hinweis sein, dass das eine neue Dimension aufgetan wurd,
unter Umständen von außen mitgesteuert.“ Im Zentrum und im Süden Nigerias hat
Boko Haram keinen Einfluss, sagt Achim Brick. Anders im Norden. Dort genießt die Gruppe
Sympathien von Teilen der überwiegend muslimischen Bevölkerung. Nigeria hat in den
vergangenen Monaten auch mit Attacken auf christliche Kirchen aufhorchen lassen. Der
Vielvölkerstaat hat eine hochkomplexe Ausgangslage. „Nach meiner Einschätzung
kann man das Thema Boko Haram und vielleicht Gewalt gegen Christen bzw. gegen Sicherheitskräfte
nicht isoliert betrachten. Es hat etwas mit Armut zu tun, mit Knappheit an Ressourcen,
mit unterschiedlichen Lebensformen. Also die Siedler gegen jene, die mit Rinderherden
über die Lande ziehen und einander ins Gehege kommen. Und Knappheit an Wasser. Boko
Haram sattelt sozusagen oben drauf und benutzt die ohnehin schon komplexe Gesamtsituation,
um noch mehr Gewalt zu schüren und das Land zu destabilisieren.“ (rv 27.06.2011
gs)