Die Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag in San Marino
Liebe Brüder und Schwestern!
Meine Freude ist groß, mit Euch das Brot des Wortes
Gottes und der Eucharistie brechen zu können, und Euch, liebe Sanmarinesen, meinen
herzlichsten Gruß aussprechen zu können. Ich grüße besonders die Capitani Reggenti
und die politischen wie gesellschaftlichen Autoritäten, die diese Eucharistiefeier
mit uns begehen. Ich grüße besonders herzlich Euren Bischof Luigi Negri und danke
ihm für die herzlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich alle
Priester und Gläubigen der Diözese San Marino-Montefeltro. Ich grüße jeden einzelnen
von Euch und danke ganz besonders für die Herzlichkeit und die Zuneigung, mit der
ihr mich empfangen habt. Ich bin gekommen, um mit Euch Freuden und Hoffnungen zu teilen,
Mühen und Aufgaben, Ideale und Vorhaben dieser Diözese. Ich weiß, dass es auch hier
nicht an Schwierigkeiten, Problemen und Sorgen mangelt. Euch allen möchte ich meine
Nähe versichern, ich werde im Gebet Eurer gedenken. Ich ermutige Euch, weiterhin die
menschlichen und christlichen Werte zu bezeugen, die so tief im Glauben und in der
Geschichte dieses Landstrichs und seiner Bevölkerung verwurzelt sind.
Wir feiern
heute das Fest der Dreifaltigkeit: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Wenn man an
die Dreifaltigkeit denkt, kommt einem meist der mysteriöse Aspekt in den Sinn: es
sind Drei und doch Einer, ein Gott in drei Personen. Heute lenkt die Liturgie unsere
Aufmerksamkeit jedoch auf die Liebe, die dieses erste und höchste Geheimnis unseres
Glaubens birgt. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind Einer, weil Gott Liebe
ist: der Vater gibt alles dem Sohn; der Sohn empfängt in Dankbarkeit alles vom Vater;
und der Heilige Geist ist die Frucht dieser gegenseitigen Liebe von Vater und Sohn.
Die heutigen Messtexte sprechen wirklich von Liebe: sie halten sich nicht mit den
drei göttlichen Personen auf – nur ein Satz in der zweiten Lesung erwähnt das -, aber
sie sprechen von der Liebe, die die Substanz ist.
Den ersten Text, den wir
gehört haben, aus dem Buch Exodus, und über den ich jüngst in einer Mittwochskatechese
gesprochen habe, ist überraschend, denn die Offenbarung der Liebe Gottes geschieht
nach einer großen Sünde des Gottesvolkes. Gerade war der Bund auf dem Berg Sinai geschlossen
worden, schon wird das Volk Gott untreu. Mose war noch immer weg und das Volk bittet
Aaron um einen sichtbaren Gott, einen zugänglichen, einen, den man umhertragen kann,
der für den Menschen erreichbar ist. Aaron gibt nach und arbeitet an einem Goldenen
Kalb. Als Mose vom Sinai herabsteigt, sieht er, was geschehen ist und zerbricht die
Tafeln des Bundes, zwei Steine, auf denen die „Zehn Worte“ geschrieben standen, der
konkrete Inhalt des Bundes mit Gott. Alles scheint verloren, die Freundschaft zerbrochen.
Und doch, trotz dieser schwersten Sünde des Volkes, Gott entscheidet, auf Fürbitte
Moses, dem Volk zu vergeben und lädt Mose ein, wieder auf den Berg zu steigen um erneut
Gottes Gesetz zu erhalten, die Zehn Gebote. Mose bittet Gott, sich zu offenbaren,
ihnen sein Angesicht zu zeigen. Aber Gott zeigt nicht sein Antlitz, er offenbart vielmehr
sein Wesen, seine Existenz voller Güte mit diesen Worten: „Jahwe ist ein barmherziger
und gnädiger Gott, langmütig, reich an Liebe und Treue“ (Ex 34,6). Diese Selbstdefinition
Gottes zeigt seine barmherzige Liebe: eine Liebe, die die Sünde besiegt, sie bedeckt
und ausmerzt. Es kann keine deutlichere Offenbarung geben. Wir haben einen Gott, der
davon ablässt, den Sünder zu vernichten. Wir haben einen Gott, der seine Liebe auf
noch tiefere und überraschendere Art und Weise zeigen will, gerade eben vor dem Sünder.
So gibt er stets die Möglichkeit zur Bekehrung und Vergebung.
Das Evangelium
vervollständigt diese Offenbarung, denn es zeigt, bis zu welchem Punkt Gott seine
Barmherzigkeit gezeigt hat. Der Evangelist Johannes überliefert dieses Wort Jesu:
„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder,
der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). In
der Welt gibt es das Böse, Egoismus und Bosheit. Gott könnte kommen, um diese Welt
zu richten, um das Böse zu vernichten, um, die die im Finstern leben zu züchtigen.
Aber er zeigt, dass er die Welt liebt, dass er den Menschen liebt, ungeachtet seiner
Schuld, und er sendet sein kostbarstes Gut: seinen eingeborenen Sohn. Er sendet ihn
nicht nur, sondern er schenkt ihn der Welt. Jesus ist der Sohn Gottes, der für uns
geboren wurde, der für uns gelebt hat, der die Kranken geheilt, den Sündern vergeben
hat, der alle angenommen hat. Indem er auf die Liebe seitens des Vaters geantwortet
hat, hat der Sohn selbst sein Leben für uns gegeben: am Kreuz erreicht die barmherzige
Liebe Gottes ihren Höhepunkt. Am Kreuz erwirbt der Sohn Gottes für uns die Teilhabe
am Ewigen Leben. Sie wird uns mitgeteilt durch die Gabe des Heiligen Geistes. Im Geheimnis
des Kreuzes sind so die drei göttlichen Personen präsent: der Vater, der seinen eingeborenen
Sohn für das Heil der Welt hingibt; der Sohn, der bis zum Äußersten den Plan Gottes
erfüllt; der Heilige Geist – von Jesus im Augenblick des Todes ausgegossen -, der
kommt, um uns am göttlichen Leben teilhaben zu lassen, um unsere Existenz zu verwandeln,
damit sie von der Liebe Gottes beseelt sei.
Liebe Brüder und Schwestern! Der
Glaube an den dreieinen Gott macht auch diese Ortskirche von San Marino-Montefeltro
aus, im Verlauf ihrer langen und ruhmreichen Geschichte. Die Evangelisierung dieser
Region wird den Heiligen Steinmetzen Marinus und Leo zugeschrieben. Man sagt, sie
kamen Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. aus Dalmatien mit dem Schiff nach Rimini. Für
ihr heiligmäßiges Leben soll der eine von Bischof Gaudenzius zum Priester, der andere
zum Diakon geweiht worden sein. Der Bischof schickte demnach beide ins Landesinnere,
einen auf den Berg Feretro, der dann den Namen des Heiligen Leo erhielt, den anderen
auf den Berg Titano, der später den Namen des Heiligen Marinus erhielt. Jenseits dieser
historischen Fragen – deren Beantwortung jetzt nicht unsere Aufgabe ist – ist es interessant
zu erklären, wie Marinus und Leo in das Leben dieses Landstrichs neue Perspektiven
und Werte brachten. Mit dem Glauben an Gott, der sich in Jesus Christus offenbart
hat, gaben sie den Ausschlag für die Entstehung einer neuen Kultur und einer Gesellschaft,
die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, den Menschen als Bild Gottes und deshalb
Eigner von Rechten, die jeder menschlichen Jurisdiktion vorausgehen. Die Verschiedenartigkeit
der verschiedenen Volksgruppen – Römer, Goten und später Langobarden – die ihnen begegneten,
mitunter auch von großen Auseinandersetzungen begleitet, fanden im gemeinsamen Bezug
zum Glauben einen wirksamen Faktor zur Ausbildung einer Ethik, einer Kultur, eines
Sozialgefüges und in gewisser Weise auch einer Politik. Es war für sie offensichtlich,
dass ein Plan zur Zivilisation nicht erfüllt sein konnte, bevor nicht alle Mitglieder
des Volkes zu einer lebendigen und gut strukturierten christlichen Gemeinde geworden
seien. Man kann folglich sagen, dass der Reichtum dieses Volkes, dass Eurer Reichtum,
liebe Sanmarinesen, der Glaube gewesen ist. Dieser Glaube hat eine wahrhaft einzigartige
Kultur geschaffen. Neben dem Glauben muss aber auch an die absolute Treue zum Bischof
von Rom erinnert werden. Die Kirche war ihm immer in Verehrung und Zuneigung verbunden.
Genannt werden muss außerdem die erwiesene Aufmerksamkeit gegenüber der großen Tradition
der Ostkirche und die tiefe Verehrung der Jungfrau Maria.
Ihr seid zurecht
stolz und dankbar, wie sehr der Heilige Geist durch die Jahrhunderte hindurch in Eurer
Kirche gewirkt hat. Aber Ihr wisst auch: die beste Art, ein Erbe hochzuschätzen ist,
es zu pflegen und zu bereichern. Ja, Ihr seid aufgerufen, diesen kostbaren Nachlass
in einem der entscheidendsten Momente der Geschichte weiter zu entwickeln. Eure Mission
muss heute grundlegenden und rasanten kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Umwälzungen begegnen, Umwälzungen, die für neue Leitlinien stehen, die
die Geisteshaltung verändert haben, Bräuche und Empfindungen. Auch hier, wie anderswo,
mangelt es nicht an Schwierigkeiten und Hindernissen. Schuld daran sind vor allem
die hedonistischen Lebensentwürfe, die den Geist verdunkeln und Gefahr laufen, jede
Moral auszulöschen. Es ist die Versuchung erwacht, nicht den Glauben als Reichtum
des Menschen zu sehen, sondern seine persönliche und soziale Macht, seine Intelligenz,
seine Kultur und seine Fähigkeit zur Manipulation, in wissenschaftlicher, technologischer
und sozialer Hinsicht. Auch hier hat man damit begonnen, den Glauben und die christlichen
Werte durch angebliche Reichtümer zu ersetzen, Reichtümer, die sich am Ende als substanzlos
offenbaren, nicht fähig, das große Versprechen des Wahren, des Guten, des Schönen
und des Gerechten zu halten, das Versprechen, das Eure Vorfahren jahrhundertelang
mit der Erfahrung des Glaubens identifiziert haben. Nicht vergessen werden darf die
Krise nicht weniger Familien, die durch die verbreitete psychologische und geistliche
Fragilität der Ehepartner verstärkt wird. Nicht vergessen werden darf auch die große
Mühe, die viele Erzieher haben, Jugendliche beständig und gut auszubilden. Dies hängt
von zahlreichen Unsicherheiten ab, in erster Linie vom sozialen Stand und der Möglichkeit,
Arbeit zu finden.
Liebe Freunde! Ich weiß gut um den Einsatz eines jeden Mitglieds
dieser Ortskirche, das christliche Leben in seinen verschiedenen Bereichen zu fördern.
Ich sporne alle Gläubigen an, Sauerteig in der Welt zu sein und so in Montefeltro
und San Marino als Christen aufzutreten, präsent, engagiert und glaubwürdig. Die Priester
und Ordensleute sollen stets in herzlicher und tatkräftiger kirchlicher Gemeinschaft
leben, dem Ortsbischof helfen und auf ihn hören. Auch bei Euch braucht es dringend
neue Priesterberufungen und Ordensberufungen: ich rufe die Familien und Jugendlichen
dazu auf, ihr Herz zu öffnen und bereit zu sein, auf den Ruf des Herrn zu antworten.
Man bereut es nie, Gott gegenüber großherzig zu sein! Euch Laien fordere ich auf,
Euch aktiv in die Gemeinschaft einzubringen, so dass ihr neben Euren besonderen gesellschaftlichen,
politischen, sozialen und kulturellen Aufgaben Zeit und Bereitschaft für das pastorale
Leben finden könnt. Liebe Sanmarinesen! Bleibt dem Erbe in Treue fest verbunden, das
durch den Impuls Eurer großen Patrone, Marinus und Leo, in den Jahrhunderten aufgebaut
wurde. Ich rufe den Segen Gottes auf Euren Weg herab – heute und morgen – und Euch
alle empfehle ich der „Gnade Jesu Christi, des Herrn. Der Liebe Gottes und der Gemeinschaft
des Heiligen Geistes“ (vgl. 2Kor 13,11). Amen!