2011-06-14 10:48:50

Benedikt XVI.: „Den Glauben nicht überstülpen“


RealAudioMP3 „Den Glauben nicht überstülpen, sondern nur vorschlagen.“ Das hat Papst Benedikt XVI. am Montagabend bei einem Auftritt in der römischen Lateranbasilika empfohlen. Als Bischof von Rom hielt er eine Grundsatzrede auf einem Pastoralkongress seines Bistums zum Thema Glaubensweitergabe. Dabei bezog sich der Papst auf einen Gedanken des Theologen Hans Urs von Balthasar: „Den Glauben nicht voraussetzen, sondern vorsetzen“. Wie Benedikt XVI. selbst in einigen seiner Schriften auf deutsch vermerkt, habe Balthasar ihm diesen Gedanken geschrieben. Davon ausgehend führte der Papst in der Lateranbasilika aus:

„Genauso ist es: Der Glaube bleibt nicht von sich aus in der Welt erhalten, er überträgt sich auch nicht automatisch von Mensch zu Mensch, sondern er muss immer verkündet werden. Und diese Verkündigung muss von jemandem ausgehen, der glaubt, hofft und liebt – jemand, der zu Christus betet und an die Kraft des Heiligen Geistes glaubt.“

Wenn Glaube nicht vorausgesetzt werden kann, muss er also immer wieder vorgeschlagen, „vorgesetzt“, verkündet werden. Dass man ihn dennoch nicht „überstülpen“ darf, das machte der Papst in seiner italienischsprachigen Rede an den Patoralkongress klar. Kein Zwang also bei der Glaubensverbreitung – das greift vor allem ein Thema Benedikts aus seiner berühmten Regensburger Rede vom September 2006 auf.

„Petrus hat am Pfingsttag nicht nur einfache Fakten verkündet, sondern hat die Geschichte Jesu mit den Erwartungen Israels und damit jedes Menschen verknüpft. Die Zuhörer in Jerusalem verstanden, dass die Auferstehung Jesu die menschliche Existenz auf eine neue Stufe heben kann. Tatsächlich geht von diesem Ereignis ein neues Verständnis der Würde des Menschen und seiner ewigen Bestimmung aus, ein neues Verständnis der Beziehung zwischen Mann und Frau, welchen Sinn das Leiden hat, und dass man sich am Aufbau der Gesellschaft beteiligen sollte. Die Antwort des Glaubens entsteht, wenn der Mensch durch Gottes Gnade entdeckt, dass Glauben das Finden des wahren, des „vollen“ Lebens bedeutet.“

Benedikt XVI. rief sein Bistum zu neuen Anstrengungen bei der Glaubensverkündigung auf: „Die frohe Botschaft muss von Neuem in den Regionen widerhallen, die eine alte christliche Tradition aufweisen.“ Die Menschen sollten „die Schönheit des Christentums neu entdecken“, statt in ihm „etwa ein Hindernis auf dem Weg zum Glück“ zu sehen.

„Wenn die Menschen Gott vergessen, wird oft auch die Person Jesu auf die eines weisen Menschen reduziert, dessen göttliche Natur man beiseitelässt oder leugnet. Diese Denkart hindert daran, die radikale Neuheit des Christentums wahrzunehmen: Wenn Jesus nicht eingeborener Sohn des Vaters ist, dann ist auch Gott nicht in die menschliche Geschichte eingetreten. Dann haben wir nur menschliche Vorstellungen von Gott. Die Inkarnation gehört vielmehr zum Kern des Evangeliums!“

Ein neues Vorschlagen des Evangeliums sei „die Aufgabe nicht nur einiger weniger, sondern aller Mitglieder der Kirche“. Sie sollten „Schönheit und Vernunft des Glaubens“ zu den Menschen unserer Zeit bringen – „mit Mut und Überzeugungskraft“. Die Botschaft laute: „Gott ist nahe, er hat sich gezeigt.“

„Viele Menschen haben den Herrn noch nicht getroffen: An sie muss sich eine spezielle Seelsorge wenden. Ich denke vor allem an Erwachsene, die nicht getauft sind oder die sich vom Glauben und von der Kirche entfernt haben. Die pastorale Aufmerksamkeit für sie ist heute dringlicher denn je. Wir sollten uns voller Vertrauen an diese Aufgabe machen, haben wir doch die Gewissheit, dass die Gnade Gottes auch heute im Herzen des Menschen wirkt.“

Die ersten Boten des Evangeliums seien die Eltern, so Benedikt XVI.: Sie sollten nicht zögern, ihr Kind schon kurz nach der Geburt taufen zu lassen. „Die Kinder brauchen Gott schon von Anfang an“, so der Papst wörtlich, „und sie sind auch fähig, seine Größe zu ermessen, zu ihm zu beten, den Unterschied zwischen Gut und Böse zu erfassen.“ Der Papst bat die Eltern auch, sich bei der religiösen Erziehung ihrer Kinder an die Kirche zu halten.

„Der heilige Cyprian sagt: Keiner kann Gott zum Vater haben, wenn er nicht die Kirche zur Mutter hat. Darum sagen wir ja auch nicht „Vater mein“, sondern „Vater unser“, denn nur im „Wir“ der Kirche sind wir seine „Kinder“. Das Wort des Glaubens riskiert, stumm zu bleiben, wenn es nicht eine Gemeinschaft findet, die es in die Praxis umsetzt, die es lebendig und anziehend macht. Das Evangelium soll keine Utopie sein, sondern eine volle und reale Existenzform!“

Benedikt XVI. rief am Montagabend im Lateran auch zu einer Renaissance des Sakraments der Firmung auf. Und er hatte eine Ermahnung für Religionslehrer und Katechisten parat:

„Katechese ist ein kirchliches Tun. Darum sollen die Katechisten den Glauben der Kirche lehren und bezeugen, nicht ihre Interpretation davon. Die Treue zum Glauben der Kirche darf aber einhergehen mit einer katechetischen Kreativität, die den Kontext einbezieht: die Kultur und das Alter der Zuhörer.“

Im Bistum Rom gibt es schätzungsweise über 8.000 ehrenamtliche Katechisten, die etwa den Kommunions- oder Firmunterricht in den Pfarreien leiten. Der Geistliche Andrea Lonardo ist ihr Koordinator von Bistumsseite aus. Er sagte uns:

„Der größte Teil unserer Katechisten sind Frauen: etwa drei Viertel. Der Anteil der Eheleute unter den Katechisten wächst. Ein Viertel der Katechisten sind junge Leute – 26 Prozent. Die Zahl von über 8.000 Katechisten im Bistum ist eine Schätzung, keiner kennt die genaue Zahl. Das liegt daran, weil ihre Arbeit ehrenamtlich und sozusagen diskret ist. Es gibt auch kein Katechisten-Register... Ohne sie wäre Katechese unmöglich, das ist klar. Hier haben wir sozusagen den Schlussstein, der den ganzen Bau von Glaubensweitergabe aufrecht hält.“

(rv 14.06.2011 sk/pr)








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