„Den Glauben nicht
überstülpen, sondern nur vorschlagen.“ Das hat Papst Benedikt XVI. am Montagabend
bei einem Auftritt in der römischen Lateranbasilika empfohlen. Als Bischof von Rom
hielt er eine Grundsatzrede auf einem Pastoralkongress seines Bistums zum Thema Glaubensweitergabe.
Dabei bezog sich der Papst auf einen Gedanken des Theologen Hans Urs von Balthasar:
„Den Glauben nicht voraussetzen, sondern vorsetzen“. Wie Benedikt XVI. selbst in einigen
seiner Schriften auf deutsch vermerkt, habe Balthasar ihm diesen Gedanken geschrieben.
Davon ausgehend führte der Papst in der Lateranbasilika aus:
„Genauso ist
es: Der Glaube bleibt nicht von sich aus in der Welt erhalten, er überträgt sich auch
nicht automatisch von Mensch zu Mensch, sondern er muss immer verkündet werden. Und
diese Verkündigung muss von jemandem ausgehen, der glaubt, hofft und liebt – jemand,
der zu Christus betet und an die Kraft des Heiligen Geistes glaubt.“
Wenn
Glaube nicht vorausgesetzt werden kann, muss er also immer wieder vorgeschlagen, „vorgesetzt“,
verkündet werden. Dass man ihn dennoch nicht „überstülpen“ darf, das machte der Papst
in seiner italienischsprachigen Rede an den Patoralkongress klar. Kein Zwang also
bei der Glaubensverbreitung – das greift vor allem ein Thema Benedikts aus seiner
berühmten Regensburger Rede vom September 2006 auf.
„Petrus hat am Pfingsttag
nicht nur einfache Fakten verkündet, sondern hat die Geschichte Jesu mit den Erwartungen
Israels und damit jedes Menschen verknüpft. Die Zuhörer in Jerusalem verstanden, dass
die Auferstehung Jesu die menschliche Existenz auf eine neue Stufe heben kann. Tatsächlich
geht von diesem Ereignis ein neues Verständnis der Würde des Menschen und seiner ewigen
Bestimmung aus, ein neues Verständnis der Beziehung zwischen Mann und Frau, welchen
Sinn das Leiden hat, und dass man sich am Aufbau der Gesellschaft beteiligen sollte.
Die Antwort des Glaubens entsteht, wenn der Mensch durch Gottes Gnade entdeckt, dass
Glauben das Finden des wahren, des „vollen“ Lebens bedeutet.“
Benedikt
XVI. rief sein Bistum zu neuen Anstrengungen bei der Glaubensverkündigung auf: „Die
frohe Botschaft muss von Neuem in den Regionen widerhallen, die eine alte christliche
Tradition aufweisen.“ Die Menschen sollten „die Schönheit des Christentums neu entdecken“,
statt in ihm „etwa ein Hindernis auf dem Weg zum Glück“ zu sehen.
„Wenn
die Menschen Gott vergessen, wird oft auch die Person Jesu auf die eines weisen Menschen
reduziert, dessen göttliche Natur man beiseitelässt oder leugnet. Diese Denkart hindert
daran, die radikale Neuheit des Christentums wahrzunehmen: Wenn Jesus nicht eingeborener
Sohn des Vaters ist, dann ist auch Gott nicht in die menschliche Geschichte eingetreten.
Dann haben wir nur menschliche Vorstellungen von Gott. Die Inkarnation gehört vielmehr
zum Kern des Evangeliums!“
Ein neues Vorschlagen des Evangeliums sei „die
Aufgabe nicht nur einiger weniger, sondern aller Mitglieder der Kirche“. Sie sollten
„Schönheit und Vernunft des Glaubens“ zu den Menschen unserer Zeit bringen – „mit
Mut und Überzeugungskraft“. Die Botschaft laute: „Gott ist nahe, er hat sich gezeigt.“
„Viele
Menschen haben den Herrn noch nicht getroffen: An sie muss sich eine spezielle Seelsorge
wenden. Ich denke vor allem an Erwachsene, die nicht getauft sind oder die sich vom
Glauben und von der Kirche entfernt haben. Die pastorale Aufmerksamkeit für sie ist
heute dringlicher denn je. Wir sollten uns voller Vertrauen an diese Aufgabe machen,
haben wir doch die Gewissheit, dass die Gnade Gottes auch heute im Herzen des Menschen
wirkt.“
Die ersten Boten des Evangeliums seien die Eltern, so Benedikt
XVI.: Sie sollten nicht zögern, ihr Kind schon kurz nach der Geburt taufen zu lassen.
„Die Kinder brauchen Gott schon von Anfang an“, so der Papst wörtlich, „und sie sind
auch fähig, seine Größe zu ermessen, zu ihm zu beten, den Unterschied zwischen Gut
und Böse zu erfassen.“ Der Papst bat die Eltern auch, sich bei der religiösen Erziehung
ihrer Kinder an die Kirche zu halten.
„Der heilige Cyprian sagt: Keiner
kann Gott zum Vater haben, wenn er nicht die Kirche zur Mutter hat. Darum sagen wir
ja auch nicht „Vater mein“, sondern „Vater unser“, denn nur im „Wir“ der Kirche sind
wir seine „Kinder“. Das Wort des Glaubens riskiert, stumm zu bleiben, wenn es nicht
eine Gemeinschaft findet, die es in die Praxis umsetzt, die es lebendig und anziehend
macht. Das Evangelium soll keine Utopie sein, sondern eine volle und reale Existenzform!“
Benedikt
XVI. rief am Montagabend im Lateran auch zu einer Renaissance des Sakraments der Firmung
auf. Und er hatte eine Ermahnung für Religionslehrer und Katechisten parat:
„Katechese
ist ein kirchliches Tun. Darum sollen die Katechisten den Glauben der Kirche lehren
und bezeugen, nicht ihre Interpretation davon. Die Treue zum Glauben der Kirche darf
aber einhergehen mit einer katechetischen Kreativität, die den Kontext einbezieht:
die Kultur und das Alter der Zuhörer.“
Im Bistum Rom gibt es schätzungsweise
über 8.000 ehrenamtliche Katechisten, die etwa den Kommunions- oder Firmunterricht
in den Pfarreien leiten. Der Geistliche Andrea Lonardo ist ihr Koordinator von Bistumsseite
aus. Er sagte uns:
„Der größte Teil unserer Katechisten sind Frauen: etwa
drei Viertel. Der Anteil der Eheleute unter den Katechisten wächst. Ein Viertel der
Katechisten sind junge Leute – 26 Prozent. Die Zahl von über 8.000 Katechisten im
Bistum ist eine Schätzung, keiner kennt die genaue Zahl. Das liegt daran, weil ihre
Arbeit ehrenamtlich und sozusagen diskret ist. Es gibt auch kein Katechisten-Register...
Ohne sie wäre Katechese unmöglich, das ist klar. Hier haben wir sozusagen den Schlussstein,
der den ganzen Bau von Glaubensweitergabe aufrecht hält.“