Was feiern Christen eigentlich am kommenden Pfingst-Wochenende? Wenn überhaupt noch
eine Antwort auf diese Frage folgt, dann zumeist die - wenn auch nicht falsche, so
doch „vorgestanzte“ - Aussage: „Zu Pfingsten haben die Jünger von Jesus den Heiligen
Geist empfangen.“ Doch was bedeutet das? Welche Rolle spielt der Glaube an den Heiligen
Geist heute noch für Christen? Der Innsbrucker Theologe Jozef Niewiadomski spricht
es unumwunden aus: „Keine mehr.“ Pfingsten - dieses christliche Hochfest ist für ihn
heute vor allem eines: „eine theologische Krisenanzeige“. Im Fachjargon: „Wir stecken
in einer tiefen Krise der Pneumatologie.“ Das Pikante dabei: Gerade das Aufblühen
der auf den Heiligen Geist konzentrierten „charismatischen Bewegungen“ ist für Niewiadomski
ein Zeichen dieser Krise.
Über Jahrhunderte hinweg habe die westliche Theologie
eine „Geistvergessenheit“ entwickelt. Darüber könne auch die charismatische Erneuerung
des 20. Jahrhunderts in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht hinwegtäuschen,
ist der Theologie überzeugt. Die Gründe für die Krise seien vielfältig - sie reichen
von einer prinzipiellen Sprachlosigkeit im Blick auf den Heiligen Geist bis hin zu
einem Übermaß an geschichtlicher Leidensrealität und -erfahrung, das es den Theologen
zunehmend schwieriger macht, die Welt als Geist-durchwirkt zu beschreiben. Wenn der
Heilige Geist der „Modus der Präsenz Gottes in der Welt“ ist, dann bedeute jede Leidenserfahrung
eine Erschütterung dieses Glaubens, so Niewiadomski.
Dennoch gab und gibt
es immer wieder theologische Aufbrüche, diese Krise zu überwinden. Neben den Theologen
Heribert Mühlen und Hans Urs von Balthasar verweist Niewiadomski vor allem auf den
verstorbenen Innsbrucker Dogmatiker Raymund Schwager. Schwager hatte - etwa in Form
von Untersuchungen am biblischen Buch Hiob - herausgearbeitet, dass der Heilige Geist
ein Synonym für die Anwaltschaft für die unschuldig Leidenden, Opfer und damit für
Wahrheit und Gerechtigkeit ist - sein Gegenspieler hingegen, der Satan, steht für
Skandalisierung, Panikmache, Anklage, kurz: für all jenes, was den Pulsschlag einer
modernen pluralistischen Gesellschaft ausmacht, so Niewiadomski.
Damit
ist jedoch zugleich auch schon der Brückenschlag zu einer modernen Wiederentdeckung
des Pneumas gelungen: Es müsste der Kirche gelingen, den Heiligen Geist als unzeitgemäße
und also aneckenden Gegenstand des Glaubens neu in Erinnerung zu rufen, der die verbreiteten
Techniken der bloßen Skandalisierung und der Dämonisierung von Problemen aufdeckt.
Heiliger Geist - das ist gerade nicht der mephistophelische „Geist, der stets verneint“,
sondern der Geist, der „Ja sagt zu den Menschen in ihrer personalen Identität“, und
der sich auf die Seite der Opfer stellt, wie der Innsbrucker Theologe unterstreicht.
Paradoxerweise
verbirgt sich die Krise des Heilig-Geist-Glaubens dem Theologen zufolge nicht zuletzt
auch hinter dem weltweiten Boom an Pfingst- und charismatischen Bewegungen. Die theologischen
Defizite wurden und werden in diesen Bewegungen, die den Heiligen Geist betont wie
ein Leuchtfeuer vor sich hertragen, ausgeglichen durch ein Übermaß an Frömmigkeit
und Emotionalität – „bis hin zu Irrationalitäten“, wie Niewiadomski meint. Die Herausforderung
bestehe daher für die Kirche gerade darin, diese be-geisterten Neuaufbrüche theologisch
zu unterfüttern, ihnen das theologische Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, damit sie
dem Heiligen Geist tatsächlich alle Ehre machen: als Anwälte der Wahrheit, der unschuldig
Leidenden und der Gerechtigkeit.