2011-06-09 10:47:24

Pfingsten - eine theologische Krisenanzeige


Was feiern Christen eigentlich am kommenden Pfingst-Wochenende? Wenn überhaupt noch eine Antwort auf diese Frage folgt, dann zumeist die - wenn auch nicht falsche, so doch „vorgestanzte“ - Aussage: „Zu Pfingsten haben die Jünger von Jesus den Heiligen Geist empfangen.“ Doch was bedeutet das? Welche Rolle spielt der Glaube an den Heiligen Geist heute noch für Christen? Der Innsbrucker Theologe Jozef Niewiadomski spricht es unumwunden aus: „Keine mehr.“ Pfingsten - dieses christliche Hochfest ist für ihn heute vor allem eines: „eine theologische Krisenanzeige“. Im Fachjargon: „Wir stecken in einer tiefen Krise der Pneumatologie.“ Das Pikante dabei: Gerade das Aufblühen der auf den Heiligen Geist konzentrierten „charismatischen Bewegungen“ ist für Niewiadomski ein Zeichen dieser Krise.


Über Jahrhunderte hinweg habe die westliche Theologie eine „Geistvergessenheit“ entwickelt. Darüber könne auch die charismatische Erneuerung des 20. Jahrhunderts in Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht hinwegtäuschen, ist der Theologie überzeugt. Die Gründe für die Krise seien vielfältig - sie reichen von einer prinzipiellen Sprachlosigkeit im Blick auf den Heiligen Geist bis hin zu einem Übermaß an geschichtlicher Leidensrealität und -erfahrung, das es den Theologen zunehmend schwieriger macht, die Welt als Geist-durchwirkt zu beschreiben. Wenn der Heilige Geist der „Modus der Präsenz Gottes in der Welt“ ist, dann bedeute jede Leidenserfahrung eine Erschütterung dieses Glaubens, so Niewiadomski.


Dennoch gab und gibt es immer wieder theologische Aufbrüche, diese Krise zu überwinden. Neben den Theologen Heribert Mühlen und Hans Urs von Balthasar verweist Niewiadomski vor allem auf den verstorbenen Innsbrucker Dogmatiker Raymund Schwager. Schwager hatte - etwa in Form von Untersuchungen am biblischen Buch Hiob - herausgearbeitet, dass der Heilige Geist ein Synonym für die Anwaltschaft für die unschuldig Leidenden, Opfer und damit für Wahrheit und Gerechtigkeit ist - sein Gegenspieler hingegen, der Satan, steht für Skandalisierung, Panikmache, Anklage, kurz: für all jenes, was den Pulsschlag einer modernen pluralistischen Gesellschaft ausmacht, so Niewiadomski.


Damit ist jedoch zugleich auch schon der Brückenschlag zu einer modernen Wiederentdeckung des Pneumas gelungen: Es müsste der Kirche gelingen, den Heiligen Geist als unzeitgemäße und also aneckenden Gegenstand des Glaubens neu in Erinnerung zu rufen, der die verbreiteten Techniken der bloßen Skandalisierung und der Dämonisierung von Problemen aufdeckt. Heiliger Geist - das ist gerade nicht der mephistophelische „Geist, der stets verneint“, sondern der Geist, der „Ja sagt zu den Menschen in ihrer personalen Identität“, und der sich auf die Seite der Opfer stellt, wie der Innsbrucker Theologe unterstreicht.


Paradoxerweise verbirgt sich die Krise des Heilig-Geist-Glaubens dem Theologen zufolge nicht zuletzt auch hinter dem weltweiten Boom an Pfingst- und charismatischen Bewegungen. Die theologischen Defizite wurden und werden in diesen Bewegungen, die den Heiligen Geist betont wie ein Leuchtfeuer vor sich hertragen, ausgeglichen durch ein Übermaß an Frömmigkeit und Emotionalität – „bis hin zu Irrationalitäten“, wie Niewiadomski meint. Die Herausforderung bestehe daher für die Kirche gerade darin, diese be-geisterten Neuaufbrüche theologisch zu unterfüttern, ihnen das theologische Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, damit sie dem Heiligen Geist tatsächlich alle Ehre machen: als Anwälte der Wahrheit, der unschuldig Leidenden und der Gerechtigkeit.


(kap 09.06.2011 sk)







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