2011-06-08 11:59:03

Vladimir Stankovic: Leben und Leiden mit Kardinal Stepinac


RealAudioMP3 Ein Mann „beispielhafter Menschlichkeit“, ein „Kompass“ in schweren Zeiten – nicht nur die Päpste, hier wörtlich Benedikt XVI. und Johannes Paul II., singen bis heute ein Loblied auf den kroatischen Kardinal Aloisius Viktor Stepinac. Auch Kroatiens Katholiken, die den Seligen schon mit dem letzten Papstbesuch in ihrem Land gern heilig gesehen hätten. Der ehemalige Generalvikar der Erzdiözese Zagreb, Vladimir Stankovic‘, kannte den Kardinal persönlich. Er hat Kardinal Stepinac‘ bewegtes Leben selbst als Seminarist bzw. junger Priester ganz aus der Nähe mitverfolgen können und ist Stepinac‘ auch nach dessen Verurteilung zu Gefängnis und Hausarrest durch die Kommunisten mehrmals begegnet. Anne Preckel hat Stankovic in Zagreb getroffen; der heute über 80-jährige Geistliche wohnt direkt gegenüber der Zagreber Kathedrale, also nur ein Paar Schritten vom Grab des Seligen entfernt.

„Schon 1940, ich war damals 10 Jahre alt, in der dritten Volksschulklasse, habe ich zusammen mit anderen Schülern das Sakrament der Firmung durch den Erzbischof empfangen. Er selbst war damals als Bischof erst 42 Jahre alt. Ich habe den Erzbischof dann auch später getroffen, denn ein Jahr später bin ich nach Zagreb in das Knabenseminar ins Gymnasium gekommen. Ich kann mich daran erinnern, dass unser Erzbischof Stepinac‘ uns einmal im Jahr im Seminar für einige Tage besuchte. Er hat dann mit uns die Heilige Messe gefeiert und mit unseren Professoren gesprochen. Für uns Schüler waren das immer besondere Tage voller Spannung. Unsere Seminarleiter haben uns zu besonderen Festlichkeiten mit in den Dom genommen, um zum Beispiel an der Osterfeier mit dem Erzbischof teilzunehmen“

Johannes Paul II. hat Stepinac‘ im Jahr 1998 ja im kroatischen Wallfahrtsort Marija Bistrica selig gesprochen. Benedikts Vorgänger bezeichnete den kroatischen Primas als „Kompass“ in schweren Zeiten – Stepinac soll ja nicht nur dem damaligen kommunistischen Regime in der Sozialistischen Republik Kroatien die Stirn geboten haben, sondern schon zuvor, zur Zeit des Faschismus, kein Blatt vor den Mund genommen haben – auch wenn es da heute, ähnlich wie zu Papst Pius XII., unterschiedliche Meinungen gibt. Kritiker fragen, ob er sich da nicht noch mehr hätte einsetzen können… Was ist Ihnen denn persönlich zur Zeit des Zweiten Weltkrieges vom Kardinal in Erinnerung geblieben?

„In Erinnerung ist mir ganz besonders das Christkönigsfest im Oktober 1943 geblieben. An diesem Festtag hat unser Erzbischof seine berühmte Predigt gegen Rassismus gehalten. Die damalige Ustascha-Regierung hat ihm das sehr übel genommen, ebenso die Deutschen hier in Zagreb. Wir alle befürchteten, dass es für ihn deshalb zu einer Festnahme kommen könnte.“

Ja, in dieser berühmten Predigt hat der Kardinal ja ganz klar jede Form von Rassismus und religiöser Verfolgung verurteilt. Er hat sich auch selbst in seiner Erzdiözese, er wurde ja 1937 zum Erzbischof der Stadt ernannt, für ethnisch und religiös Verfolgte eingesetzt, für Juden und Zigeuner – wohlwissend, dass er sich auf Messers Schneide bewegte. Zu kommunistischer Zeit unter Tito kam Stepinac‘ dann von 1946 bis 1951 ins Gefängnis – nach einem regelrechten Schauprozess, in dem er als Kollaborateur der Faschisten und politischer Umstürzler dargestellt wurde. Haben Sie den Prozess gegen Stepinac damals verfolgen können?

„Ja und nein. In den Gerichtssaal beim Prozess im Jahr 1946 konnten nur ausgewählte Leute mit hineinkommen – nur wenige Kirchenamtsträger, alle anderen waren Kommunisten. In unserem Seminar wurde damals keine Tageszeitung nicht ausgelegt, so konnten wir diesbezüglich nichts erfahren. Aber das nahe liegende, staatliche Militärkrankenhaus hat den Prozess mittels Lausprecher übertragen, so konnten wir das auch mithören. Unsere Vorgesetzten haben uns sehr vorsichtig darüber informiert.“

Schon bevor Stepinac‘ ins Gefängnis kam, wurde eine regelrechte Hatz auf Geistliche veranstaltet. Stepinac soll jungen Priestern bei der Weihe gesagt haben: „Ich schicke euch in ein Blutbad“ – er war sich durchaus schon vor dem Prozess um die Gefahren bewusst, die sein Handeln für ihn selbst und die ihm anvertrauten Geistlichen mit sich brachte. Trotzdem blieben viele ihm treu und versuchten wie Stepinac‘, sich der Unmenschlichkeit des Regimes nicht zu beugen. Konnten Sie mit dem Kardinal noch irgendeinen Kontakt halten, als er dann ins Gefängnis kam?

„Ich konnte ihn natürlich weder sehen, noch mit ihm sprechen in dem Lepoglava-Gefängnis. Ich war aber im Jahr 1947 vielleicht nur 200 Meter weit von ihm entfernt im Lepoglava-Gefängnis. Ich kam damals dorthin, um meinen Vater dort zu besuchen, der für zwei Jahre eingesperrt wurde. Später habe ich erfahren, dass der gleiche Staatsanwalt meinen Vater und den Kardinal zu Gefängnisstrafen verurteilt hat.“

Was hat Ihnen Ihr Vater davon erzählt?

„Ja, er hat mir erzählt, wie er und seine Mitgefangenen den Kardinal voller Ehrfurcht betrachtet haben, bei seinen Spaziergängen im Hof. Seine Anwesenheit als Kardinal war für sie ermutigend, weil sie alle politische Gefangene waren.“

Stepinac‘ kam 1951 unter Hausarrest. Er durfte in seinen Geburtsort nach Krašić zurückkehren, wurde aber rund um die Uhr durch die lokale Polizei bewacht. Haben Sie dann wieder Kontakt zu ihm aufnehmen können?

„Unsere Vorgesetze im Seminar durften uns nichts öffentlich über ihn berichten. Aber wir, Theologen und Studenten, haben andere Wege gefunden. Wir sind nämlich in kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen mit Fahrrädern von Zagreb aus nach Krašić aufgemacht, das war eine 45 km lange Strecke, und trotz der ständigen Polizeiwache vor dem Pfarrhaus gelang es uns, durch den Keller ins Haus zu kommen und mit dem kardinal zu sprechen! Ich persönlich war auf diese Weise zwei Mal bei ihm in Krašić. Das erste Mal im Jahr 1955, um an seiner Heiligen Messe in der Pfarrkirche teilzunehmen und anschließend mit ihm in der Sakristei zu sprechen. Ich erinnere mich – das war am 9. April 1956 – bin ich als Diakon mit unserem Vizedirektor und noch einem Kollegen zu ihm gefahren, und wir konnten mit ihm auch zu Mittag essen und normal sprechen.“

Was ist Ihnen von dieser Begegnung in Erinnerung geblieben, was hat er gesagt?

„Unser Kardinal hat sich über die Umstände im Priesterseminar informieren lassen. Zuerst hat er uns gewarnt vor einem Priesterverein, der das kommunistische Regime befürwortete. Mit dieser Vereinigung wollten die Kommunisten die Kirche regieren, um sie besser manipulieren zu können. In anderen kommunistischen Ländern hat sich diese Vereinigungen später „pacem in terris“, also „Friedenspriester“ genannt.“

Ja, und dieser scheinbar kirchenkonforme Name konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dieser Priestervereinigung um Kollaborateure des kommunistischen Regimes handelte. Stepinac‘ hat junge Priester also davor gewarnt, mit dem Regime in irgendeiner Form zusammenzuarbeiten. Dementsprechend setzte er den Bestrebungen der Machthaber, einen Keil in die katholische Glaubensgemeinschaft zu treiben, stets kompromisslose Treue gegenüber dem Heiligen Stuhl entgegen – auch noch, als er von den Machthabern massiv unter Druck gesetzt wurde. 1953 wurde er von Papst Pius XII. zum Kardinal ernannt – aus der Ferne, denn Stepinac saß ja in Ex-Jugoslawien fest. Wie sah Ihre Beziehung dann zum Kardinal Stepinac‘ aus, Sie selbst waren zu der Zeit Priester, hatten Sie Kontakt?

„Ja, aber nur schriftlich und heimlich. Es ist bekannt, dass Stepinac vielen geheim geschrieben hat, vor allem den Priestern, um sie in der Berufung zu stärken und zu festigen. Als junger Priester war ich Kaplan im Sisak, das ist heute Sitz der neuen Diözese. Dort im Krankenhaus arbeitete eine Ordensschwester, die aus Krašić stammte, und immer wieder zu ihren Angehörigen heim fuhr. Sie erzählte dem Kardinal von meinen pastoralen Tätigkeiten im Sisak und er schrieb mir einige Briefe. Leider musste ich diese Briefe alle vernichten, weil damals die Behörden einen Prozess gegen mich in Sisak vorbereitet haben, bei dem ich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Aber ich habe dann letztlich Straferlass bekommen und bin nicht ins Gefängnis gekommen.“

Der Kardinal ist dann im Jahr 1960 gestorben, aufgrund einer Krankheit, die er im Gefängnis bekam. Haben Sie es geschafft, zu seiner Beerdigung zu kommen?

„Gott sei Dank, ja! Aber nur unter Schwierigkeiten. An diesem Tag, das war am 13. Februar 1960, war die ganze Stadt Zagreb voller Polizei, die die Menschen aus den Zügen rausgeholt haben, die zur Beerdigung angereist sind. Ich bin aus Sisak mit dem Zug gegen 4.00 Uhr morgens nach Zagreb gefahren und konnte bis zum Dom gelangen, der schon voller Menschen war, auch der Vorplatz. In Kolonnen sind Menschen stundenlang an seinem offenen Sarg vorbeigezogen, um seinen Leichnam mit einem Gegenstand zu berühren – mit Rosenkränzen, Bildchen und Gebetsbüchern, um sie als Reliquien aufzubewahren. Es herrschte schon damals die allgemeine Überzeugung, dass ein Heiliger gestorben ist.“


Hoffnung auf Heiligsprechung
Die Kirche in Kroatien hofft auf eine Heiligsprechung von Aloisius Stepinac. Von staatlicher Seite wurde der Kardinal erst nach Ende des Kommunismus und mit der Unabhängigkeit Kroatiens in den 90er Jahren rehabilitiert: Man erkannte den gegen ihn geführten Prozess als haltlos an.

(rv 04.06.2011 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.