Hildegard Burjan: „Eine Selige für ganz Österreich“
Hildegard Burjan war
eine „Christin mit prophetischer Kraft“ und wird eine „Selige für ganz Österreich“
sein. Das sagte die Vizepostulatorin im Seligsprechungsprozess, Ingeborg Schödl, an
diesem Mittwoch in einem Gespräch mit der österreichischen Agentur Kathpress. Die
vatikanische Kommission für Selig-und Heiligsprechungen hatte am Dienstag die Seligsprechung
der Sozialpionierin empfohlen.
Burjan (1883-1933) gilt als eine der großen
Gestalten der christlichen Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Vizepostulatorin und Biografin Schödl hebt hervor:
„Dass sie eine Frau
war, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die in ihrem Agieren und in ihrem Denken fast
schon im 21. Jahrhundert angekommen war. Sie hat Projekte initiiert, die Ende des
20. Jahrhunderts erst auf anderen Gebieten angedacht wurden. Sie hat sich Dinge getraut,
von denen wir manchmal heute noch nur träumen können.“
Burjan setzte sich
entschieden für die Gleichberechtigung der Frau, für die Bekämpfung der Kinderarbeit
und für die Überwindung sozialer Missstände ein. Zu ihren wichtigsten politischen
Forderungen zählte „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Frauen. Sie gründete Sozialvereine
und die Schwesterngemeinschaft „Caritas Socialis“. Für Ingeborg Schödl ist sie Vorbild
für Frauen heute – in Gesellschaft und Kirche:
„Sie hat als verheiratete
Frau und Mutter eine religiöse Gemeinschaft gegründet und war die Vorsteherin dieser
Gemeinschaft. Wir reden so viel über die Stellung der Frau in der Kirche, was Burjan
gemacht hat, ist doch etwas ganz Tolles. Manchmal trug sie auch die Schwesterntracht.
Dieser Schritt ist ja etwas ganz Revolutionäres.“
1919 zog Burjan als erste
christlich-soziale Abgeordnete in das österreichische Parlament ein. Als im Jahr 1920
Neuwahlen anstanden, zog sich Burjan aus Rücksicht auf ihre stark angeschlagene Gesundheit
und wegen der zunehmenden antisemitischen Strömungen auch innerhalb ihrer Partei aus
dem Parlament zurück, blieb aber weiter politisch aktiv. Obwohl sie nur kurze Zeit
dem Parlament angehörte, galt sie schon bald als dessen „Gewissen“. Schödl:
„Das
Engagement des Christen in der Welt hat sie sehr intensiv praktiziert. Ich würde mir
wünschen, das sich das heute etliche zum Vorbild nehmen würden. Es wird ja immer gesagt,
politisches Engagement gehört zum praktischen Christentum!“
Das Seligsprechungsverfahren
für Hildegard Burjan läuft seit 1963. Das Kardinalskollegium der zuständigen Vatikankongregation
hat am Dienstag das für die Seligsprechung nötige Wunder bestätigt. Nach Angaben der
Erzdiözese Wien betrifft es die Heilung einer Frau, die sich im Gebet an Hildegard
Burjan gewandt hatte. Infolge mehrerer Operationen hatte sie kein Kind zur Welt bringen
können. Dass sie später drei gesunden Kindern das Leben schenkte, ist für die den
Fall begutachtenden Ärzte nach medizinischem Standpunkt unerklärlich.
Als letzter
Schritt auf dem Weg zur Seligsprechung steht nun noch die Unterschrift des Papstes
aus. Als persönlichen „Wunschtermin“ nannte die Vizepostulatorin im Verfahren, Ingeborg
Schödl, den 30. Januar, den Geburtstag Hildegard Burjans. – Sie wurde 1883 im sächsischen
Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren, studierte in Zürich Literatur und
Philosophie und in Berlin Sozialwissenschaft. Im Jahr 1907 heiratete sie den gebürtigen
Ungarn Alexander Burjan, einen der führenden Industriellen seiner Zeit. Nach Heilung
von einer schweren Krankheit war sie zur katholischen Kirche konvertiert.