2011-06-07 13:19:42

Indien: Kinder, die im Steinbruch schuften


RealAudioMP3 Manche Themen liegen einfach auf der Straße. Das Thema Kinderarbeit zum Beispiel. Das liegt bei uns in Deutschland oder Österreich buchstäblich auf der Straße – genauer gesagt: in Fußgängerzonen, auf Gartenplatten, auf öffentlichen Plätzen, überall wo Pflastersteine aus Granit verwendet werden. Die Steine kommen aus Indien, erzählt Benjamin Pütter aus Freiburg.

Weil es einfach viel billiger ist als deutscher Stein oder europäischer. Viel billiger deswegen, weil die Arbeitsbedingungen dort unter aller Vorstellungskraft sind, also einfach überhaupt keine Schutzmaßnahmen - und deswegen viel, viel billiger sind zu produzieren. Und der Seeweg kostet einfach nicht viel. Es gibt so viele Schiffe, die hin- und herfahren und die Ladung haben, die einfach zu leicht ist. Und man braucht Beiladung, schwere Steine und kriegt die für einen Appel und ein Ei ins Schiff.“

Benjamin Pütter ist kein Steine-Experte: Er ist Experte für das Thema Kinderarbeit. Und zwar beim katholischen deutschen Hilfswerk Misereor. Der Theologe und Politologe hat selbst ein Kind, eine Tochter. Und er weiß, dass die 50.000 Tonnen Granit, die jährlich ihren Weg von Indien nach Deutschland finden, in der Regel von Kindern im Steinbruch bearbeitet werden.

Das sind Kinder, die die Schulden der Eltern oder Großeltern abarbeiten müssen und dafür nie zum Ende kommen können, weil die Schulden ständig mehr werden. Zum Beispiel: Die Eltern haben Schulden von 100 Euro gemacht. Der Geldverleiher hat da mal gleich zwei Nullen auf dem Papier hinzugefügt. Die Eltern haben mit dem Fingerabdruck unterschrieben, weil sie nicht lesen und schreiben können. Und für 10.000 Euro die Zinsen - das ist dann so ungefähr, was ein Kind abarbeiten kann. Aber nicht mehr, sondern eher weniger, und die Schulden werden immer mehr. Das nennt man Sklaverei!“

Sklaverei, bei der die Gesundheit des Kindes kaputtgemacht wird. Und auch jede Aussicht auf Zukunft. Denn solche Kinder sterben, wenn sie schon als Kleinkinder mit dem Steineklopfen angefangen haben, in der Regel mit dreißig, 35 Jahren.

„Die Lebenserwartung von einem Erwachsenen, wenn er mit sechzehn bis achtzehn in den Steinbruch kommt, ist auch gerade mal vierzig Jahre. Das heißt, das macht tot, so eine Arbeit. Das wissen wir auch: Die Silikose, die Steinstaublunge ist hier eine anerkannte Berufskrankheit. In Indien nicht, dort ist nur die Tuberkulose als Krankheit anerkannt, aber nicht die Silikose.“
Kaum zu glauben, aber die Steinbrüche Indiens, in denen Pflastersteine – auch für den deutschen Markt – geklopft werden – sie sind eine Art Kindergarten: Die meisten Arbeiter fangen dort schon als Kleinkinder an.
„Sie spielen mit einem Hammer, mit einem kleinen Hammer. Sie werden größer - der Hammer wird größer. Das ist die einzige Entwicklung, die sie in diesem Leben durchmachen!“
Und dann gibt es da ja auch noch die Steinbrüche, in denen nicht kleine Pflastersteine geklopft werden, sondern Zwanzig-Tonnen-Blöcke. Grabsteine zum Beispiel. Jeder dritte deutsche Grabstein kommt aus Indien.
Sechs Jahre ist es her, da hat Benjamin Pütter in Freiburg einen Verein namens Xertifix gegründet. Der bietet ein Gütesiegel – für Steine, die nicht mit Kinderarbeit hergestellt wurden. Pütter will die Kinder aus den indischen Steinbrüchen herausholen – und mehr noch:
„Ich möchte, dass Kinder dort in die Schule gehen können. Und genau das macht dieses Siegel Xertifix; eben nicht nur Verhinderung der Kinderarbeit, und die Kinder gehen hinterher in die Prostitution oder irgendwas, das möchte ich nicht. Nein, ich möchte, dass die Kinder dann auch wirklich, wenn sie aufgehört haben im Steinbruch zu arbeiten, in die Schule gehen können und Zukunftsperspektiven haben.“
Wer in einem deutschen Baumarkt Granit kauft, etwa um zuhause im Garten einen Plattenweg zu verlegen, der sollte den Verkäufer fragen, woher der Stein kommt. Die meisten Händler wissen das ganz genau, sagt Pütter.
„Ein Stein ist wie ein Fingerabdruck. Jeder Stein hat seinen eigenen Fingerabdruck. Es gibt keine zwei geologisch gleichen Granitsteinbrüche zum Beispiel. Jeder Berg ist anders. Und insofern ist es ganz einfach, erst mal die Herkunft zu wissen.“

Am Pfingstsonntag ist Welttag gegen Kinderarbeit.

(rv / material des erzbistums freiburg 07.06.2011 sk)








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