2011-06-06 08:55:43

Kirche in Kroatien: Immer noch Bollwerk?


RealAudioMP3 Welches Selbstverständnis hat in Kroatien heute die katholische Kirche? Und welche Rolle spielt sie hinsichtlich der Öffnung des Landes hin zur Europäischen Union? Unsere Korrespondentin in Zagreb, Anne Preckel, hat darüber mit dem Chefredakteur der römisch-katholischen Zeitung „Glasa Koncila“ gesprochen.

Die überregionale Wochenzeitung, die als Sprachrohr der kroatischen Bischofskonferenz gilt, erschien zum ersten Mal am 4. Oktober 1962, um über das Zweite Vatikanische Konzil zu berichten - auf Drängen der Zagreber Franziskaner und mit Hilfe des ehemaligen kroatischen Erzbischofs Franjo Šeper, dem Kardinal Josef Ratzinger Jahre später im Amt des Präfekten der Glaubenskongregation nachfolgen sollte. Der Chefredakteur des Blattes, Nedjeljko Pintaric, scheint Kroatien und die kroatische Kirche auch heute noch in einer Art Verteidigungssituation gegenüber dem süd-östlichen Rand Europas zu sehen. Zugleich bekundet er Offenheit gegenüber Europa. Pintaric:

„Wir haben in den letzten 20 Jahren verschiedenen Herausforderungen zu begegnen im sozialen und kulturellen Bereich. Die Frage ist: wie können wir den Staat aufbauen? Wir haben in unserer Geschichte in den letzten 1300 Jahren nie dazu die Gelegenheit gehabt. Und in den letzten 100 Jahren hatten wir fünf Regime, unter denen wir uns nicht als Nation ausdrücken konnten. In verschiedenen Bereichen, auch innerhalb des europäischen Kontinents, ist unsere Kultur nicht so bekannt. Aber wie Papst Leo X. sagte (Anm. d. Red.: im Jahr 1519, als die Christen der Region gegen die Ausbreitung des Osmanischen Reiches Richtung Europa Widerstand leisteten), sind wir hier wirklich ,Antemurale Cristianitatis‘ - ein Bollwerk der Christenheit. Und das ist nicht nur eine Herausforderung für unsere Gesellschaft, sondern auch für die Zukunft des Christentums in unserer Region, auch geopolitisch.“

Zur katholischen Kirche bekennen sich im heutigen Kroatien zwischen 85 und 90 Prozent der Bevölkerung, von denen wiederum knapp 90 Prozent auch ethnisch kroatisch sind. Zur serbisch-orthodoxen Kirche gehören zwischen vier und fünf Prozent – 1991 waren es noch über zwölf Prozent. Gut ein Prozent gehören zum Islam. Wie haben sich eigentlich die interreligiösen bzw. interkonfessionellen Beziehungen in den letzten 20 Jahren entwickelt?

„Während des Krieges konnte man keine ökumenischen Beziehungen aufbauen, denn die serbisch-orthodoxen Bischöfe verließen das Land. Unser Erzbischof von Zagreb, Kardinal Bozanic, hat gesagt: Wenn jemand dein Haus zerstört, darfst du seines nicht zerstören, sondern du musst es schützen. Diese Haltung ist das Hauptmotiv für die Ökumene auch während des Krieges. Auch hier in Zagreb gibt es seit 1984 jedes Jahr eine Gebetswoche für die ökumenischen Beziehungen, auch während des Krieges gab es in Zagreb diese Treffen. Heute, 20 Jahre später, ist Ökumene normal, es kümmern sich darum nicht nur serbische und kroatische Christen, sondern auch andere Religionsgemeinschaften.“

Welche weiteren Konfessionen gibt es in Kroatien?

„Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, ist hier in Kroatien auch die orthodoxe mazedonische Kirche präsent. Die katholische Kirche hat der Gemeinschaft hier in Zagreb eine Kirche überlassen, so dass sie dort Liturgie abhalten kann. In anderen angrenzenden Ländern sieht man heute, dass die Menschen in Frieden (Anm. d. Red.: auch der Religionen) leben wollen. Eigentlich hatten sie so ja schon lange Zeit zusammengelebt, aber der Krieg hat das zerstört. Heute geht es in diesen Beziehungen wieder aufwärts.”

Ein Paar Fakten zur Struktur und zum Glaubensleben: Die katholische Kirche in Kroatien gliedert sich aktuell in fünf große Kirchenprovinzen oder Metropolien: Zagreb, Split, Zadar, Rijeka und Dakovo-Osijek. Von den kirchlichen Orden sind in Kroatien heute die Franziskaner, die bereits Anfang des 13. Jahrhunderts erste Klöster gründeten, zahlenmäßig am stärksten vertreten. Der zweitstärkste Orden im Land ist der der Jesuiten, seit 1552 in Kroatien, gefolgt von den Dominikanern. Das hört sich nach einem dichten Netz katholischer Gemeinden und Glaubensgemeinschaften an. Das Vertrauen in die Kirche sei zwar im letzten Jahrzehnt leicht zurückgegangen (1997 - 63 Prozent; 2009 - 52 Prozent, Quelle: Studie kroat. Bischofskonferenz), allerdings bestimme die katholische Kirche stark den Zeitgeist und die öffentliche Meinung, so Glasa Koncila-Chef Pintaric. Welche Rolle spielt sie hinsichtlich der bevorstehenden Integration Kroatiens in die Europäische Union?

„Unsere Bischöfe haben ein Dokument über die Europäische Union veröffentlicht. Normalerweise sind wir in der Kirche für die Europäische Union, für Europa, aber nicht sofort und ohne Frage. Man muss in der Gesellschaft ein positives Klima schaffen und darüber informieren, was die Europäische Union bedeutet, nicht nur im wirtschaftlichen und politischen Sinn, sondern in allen Bereichen. Sicher müssen wir viele Dinge verbessern im Bildungsbereich, aber man kann sich ja auch andere Länder als Beispiel anschauen, zum Beispiel Polen. Und man kann sich an einem Punkt gemeinsamen Interesses treffen. Wirtschaftlich ist die EU wichtig; für unseren Tourismus und auch für möglich Exporte aus unserem Land.“

„Kroatien ist offen für die EU“, unterstrich der Zagreber Erzbischof, Kardinal Josip Bozanic in diesen Tagen. Es brauche allerdings eine „Logik des Austausches“: nur in der beiderseitigen Kenntnis der eigenen Identität, Kultur, Geschichte und Bräuche, könnten die Völker Europas ein „gemeinsames Haus“ bauen, so der Kardinal weiter. Kroatien sei dazu berufen, eine „Brücke“ in Europa zu sein. Was kann Kroatien der EU Positives bringen, was die EU Kroatien? Dazu Pintaric:

„Etwas Positives kann uns die EU sicher im Bereich der Gesetze bringen. Man muss ja nicht nur die geschriebenen Gesetze kennen, sondern auch die im alltäglichen Bereich, zum Beispiel in der Arbeitswelt. Und wie Johannes Paul II. damals sagte: Europa muss mit beiden Lungen atmen. Wir brauchen Europa nicht nur als Markt, sondern auch als kulturellen Austausch, mit Leib und Seele. Das kann man ja in der Geschichte unseres Landes sehen, die auch Austausch mit anderen Völkern hier in der Region bedeutet. Da geht es um die Frage, wie man Beziehungen aufbauen kann, nicht nur politisch, sondern auch kulturell. Das müsste auch der Kommunikation mit Europa zugutekommen.“

Glasa Koncila berichtet über Vorgänge in der römisch-katholischen Kirche in Kroatien und auf dem gesamten Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, zudem über das griechisch-katholische Bistum Križevci in Kroatien und über die dem Bistum angehörigen griechisch-katholischen Christen in Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien, weiter über Ereignisse in der römisch-katholischen Kirche weltweit.


(rv / Institut für Osteuropäische Geschichte Wien / Kroatische Bischofskonferenz 05.06.2011 pr)








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