Welches Selbstverständnis
hat in Kroatien heute die katholische Kirche? Und welche Rolle spielt sie hinsichtlich
der Öffnung des Landes hin zur Europäischen Union? Unsere Korrespondentin in Zagreb,
Anne Preckel, hat darüber mit dem Chefredakteur der römisch-katholischen Zeitung „Glasa
Koncila“ gesprochen.
Die überregionale Wochenzeitung, die als Sprachrohr der
kroatischen Bischofskonferenz gilt, erschien zum ersten Mal am 4. Oktober 1962, um
über das Zweite Vatikanische Konzil zu berichten - auf Drängen der Zagreber Franziskaner
und mit Hilfe des ehemaligen kroatischen Erzbischofs Franjo Šeper, dem Kardinal Josef
Ratzinger Jahre später im Amt des Präfekten der Glaubenskongregation nachfolgen sollte.
Der Chefredakteur des Blattes, Nedjeljko Pintaric, scheint Kroatien und die kroatische
Kirche auch heute noch in einer Art Verteidigungssituation gegenüber dem süd-östlichen
Rand Europas zu sehen. Zugleich bekundet er Offenheit gegenüber Europa. Pintaric:
„Wir
haben in den letzten 20 Jahren verschiedenen Herausforderungen zu begegnen im sozialen
und kulturellen Bereich. Die Frage ist: wie können wir den Staat aufbauen? Wir haben
in unserer Geschichte in den letzten 1300 Jahren nie dazu die Gelegenheit gehabt.
Und in den letzten 100 Jahren hatten wir fünf Regime, unter denen wir uns nicht als
Nation ausdrücken konnten. In verschiedenen Bereichen, auch innerhalb des europäischen
Kontinents, ist unsere Kultur nicht so bekannt. Aber wie Papst Leo X. sagte (Anm.
d. Red.: im Jahr 1519, als die Christen der Region gegen die Ausbreitung des Osmanischen
Reiches Richtung Europa Widerstand leisteten), sind wir hier wirklich ,Antemurale
Cristianitatis‘ - ein Bollwerk der Christenheit. Und das ist nicht nur eine Herausforderung
für unsere Gesellschaft, sondern auch für die Zukunft des Christentums in unserer
Region, auch geopolitisch.“
Zur katholischen Kirche bekennen sich im heutigen
Kroatien zwischen 85 und 90 Prozent der Bevölkerung, von denen wiederum knapp 90 Prozent
auch ethnisch kroatisch sind. Zur serbisch-orthodoxen Kirche gehören zwischen vier
und fünf Prozent – 1991 waren es noch über zwölf Prozent. Gut ein Prozent gehören
zum Islam. Wie haben sich eigentlich die interreligiösen bzw. interkonfessionellen
Beziehungen in den letzten 20 Jahren entwickelt?
„Während des Krieges konnte
man keine ökumenischen Beziehungen aufbauen, denn die serbisch-orthodoxen Bischöfe
verließen das Land. Unser Erzbischof von Zagreb, Kardinal Bozanic, hat gesagt: Wenn
jemand dein Haus zerstört, darfst du seines nicht zerstören, sondern du musst es schützen.
Diese Haltung ist das Hauptmotiv für die Ökumene auch während des Krieges. Auch hier
in Zagreb gibt es seit 1984 jedes Jahr eine Gebetswoche für die ökumenischen Beziehungen,
auch während des Krieges gab es in Zagreb diese Treffen. Heute, 20 Jahre später, ist
Ökumene normal, es kümmern sich darum nicht nur serbische und kroatische Christen,
sondern auch andere Religionsgemeinschaften.“
Welche weiteren Konfessionen
gibt es in Kroatien?
„Wie man in den letzten Jahren gesehen hat, ist hier
in Kroatien auch die orthodoxe mazedonische Kirche präsent. Die katholische Kirche
hat der Gemeinschaft hier in Zagreb eine Kirche überlassen, so dass sie dort Liturgie
abhalten kann. In anderen angrenzenden Ländern sieht man heute, dass die Menschen
in Frieden (Anm. d. Red.: auch der Religionen) leben wollen. Eigentlich hatten sie
so ja schon lange Zeit zusammengelebt, aber der Krieg hat das zerstört. Heute geht
es in diesen Beziehungen wieder aufwärts.”
Ein Paar Fakten zur Struktur
und zum Glaubensleben: Die katholische Kirche in Kroatien gliedert sich aktuell in
fünf große Kirchenprovinzen oder Metropolien: Zagreb, Split, Zadar, Rijeka und Dakovo-Osijek.
Von den kirchlichen Orden sind in Kroatien heute die Franziskaner, die bereits Anfang
des 13. Jahrhunderts erste Klöster gründeten, zahlenmäßig am stärksten vertreten.
Der zweitstärkste Orden im Land ist der der Jesuiten, seit 1552 in Kroatien, gefolgt
von den Dominikanern. Das hört sich nach einem dichten Netz katholischer Gemeinden
und Glaubensgemeinschaften an. Das Vertrauen in die Kirche sei zwar im letzten Jahrzehnt
leicht zurückgegangen (1997 - 63 Prozent; 2009 - 52 Prozent, Quelle: Studie kroat.
Bischofskonferenz), allerdings bestimme die katholische Kirche stark den Zeitgeist
und die öffentliche Meinung, so Glasa Koncila-Chef Pintaric. Welche Rolle spielt sie
hinsichtlich der bevorstehenden Integration Kroatiens in die Europäische Union?
„Unsere
Bischöfe haben ein Dokument über die Europäische Union veröffentlicht. Normalerweise
sind wir in der Kirche für die Europäische Union, für Europa, aber nicht sofort und
ohne Frage. Man muss in der Gesellschaft ein positives Klima schaffen und darüber
informieren, was die Europäische Union bedeutet, nicht nur im wirtschaftlichen und
politischen Sinn, sondern in allen Bereichen. Sicher müssen wir viele Dinge verbessern
im Bildungsbereich, aber man kann sich ja auch andere Länder als Beispiel anschauen,
zum Beispiel Polen. Und man kann sich an einem Punkt gemeinsamen Interesses treffen.
Wirtschaftlich ist die EU wichtig; für unseren Tourismus und auch für möglich Exporte
aus unserem Land.“
„Kroatien ist offen für die EU“, unterstrich der Zagreber
Erzbischof, Kardinal Josip Bozanic in diesen Tagen. Es brauche allerdings eine „Logik
des Austausches“: nur in der beiderseitigen Kenntnis der eigenen Identität, Kultur,
Geschichte und Bräuche, könnten die Völker Europas ein „gemeinsames Haus“ bauen, so
der Kardinal weiter. Kroatien sei dazu berufen, eine „Brücke“ in Europa zu sein. Was
kann Kroatien der EU Positives bringen, was die EU Kroatien? Dazu Pintaric:
„Etwas
Positives kann uns die EU sicher im Bereich der Gesetze bringen. Man muss ja nicht
nur die geschriebenen Gesetze kennen, sondern auch die im alltäglichen Bereich, zum
Beispiel in der Arbeitswelt. Und wie Johannes Paul II. damals sagte: Europa muss mit
beiden Lungen atmen. Wir brauchen Europa nicht nur als Markt, sondern auch als kulturellen
Austausch, mit Leib und Seele. Das kann man ja in der Geschichte unseres Landes sehen,
die auch Austausch mit anderen Völkern hier in der Region bedeutet. Da geht es um
die Frage, wie man Beziehungen aufbauen kann, nicht nur politisch, sondern auch kulturell.
Das müsste auch der Kommunikation mit Europa zugutekommen.“
Glasa Koncila
berichtet über Vorgänge in der römisch-katholischen Kirche in Kroatien und auf dem
gesamten Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, zudem über das griechisch-katholische
Bistum Križevci in Kroatien und über die dem Bistum angehörigen griechisch-katholischen
Christen in Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien, weiter über Ereignisse
in der römisch-katholischen Kirche weltweit.
(rv / Institut für Osteuropäische
Geschichte Wien / Kroatische Bischofskonferenz 05.06.2011 pr)