Um 11 Uhr an diesem
Samstag beginnt in Zagreb der Besuch von Papst Benedikt XVI. auf der anderen Seite
der Adria. Bei seiner zweitägigen Visite in Kroatien trifft er mit Vertretern aus
Kirche, Politik und Zivilgesellschaft zusammen; Höhepunkt ist eine Messe mit Familien
am Sonntagmorgen im Zagreber Hippodrom. Unsere Kollegin Anne Preckel ist schon vor
Ort und hat sich umgehört und umgeschaut, wie der Papstbesuch in der kroatischen Hauptstadt
aufgenommen wird.
„Benedictus qui venit“ prangt am Turm des Zagreber Wahrzeichens,
der Kathedrale im historischen Stadtkern „Kaptol“. Ein Paar Schritte weiter wird auf
dem Ban-Jelačić-Platz noch an der Bühne gewerkelt, von der der Papst am Samstagabend
die Zagreber Jugend begrüßt. Der Papstbesuch soll Kroatiens Kirche inspirieren und
stärken, so Erzbischof Marin Srakic, Vorsitzender der kroatischen Bischofskonferenz.
Kurz nach Kriegsende war Versöhnung in der Bevölkerung größtes Anliegen der kroatischen
Kirche. Heute gelte es neue Probleme anzugehen, so Srakic: vor allem die Säkularisierung,
die auch in Kroatien Jugend und Familien auf die Probe stellt, und weiter eine allgemeine
Sinnkrise, die aus Frustration der Menschen über korrupte Politiker und die schwächelnde
Wirtschaft entsteht. Die politische Führung des Landes sieht den Papstbesuch vor allem
als letzten Anstoß für Kroatiens EU-Beitritt, der schon im kommenden Jahr Realität
werden könnte, im Land selber aber umstritten ist. „Der Heilige Stuhl unterstützt
den Beitritts Kroatiens in die EU“, rief der kroatische Außenminister Gordan Jandrokovic
in diesen Tagen noch ins Gedächtnis. Und diesen Ton wird wohl auch Präsident Ivo Josipovic
anschlagen, wenn er den Papst am Samstag am Flughafen begrüßt. Josipovic hat zusammen
mit der kroatischen Premierministerin Jadranka Kosor im eigenen Land stark die Werbetrommel
für einen EU-Beitritt Kroatiens gerührt – unbeirrt durch Kritik aus nationalistischen
Kreisen.
Unabhängigkeit Auffällig ist, dass in Kroatien in
diesen Tagen immer wieder – ob aus dem Mund von Politikern oder Kirchenvertretern
– das Wort „Unabhängigkeit“ fällt. Die erlangte Kroatien erst vor 20 Jahren, im Juni
1991, das Jubiläum steht kurz bevor. Außenminister Jandrokovic nennt das Thema EU-Beitritt
und kroatische Unabhängigkeit im gleichen Atemzug. Erzbischof Srakic, Kopf der kroatischen
Bischofskonferenz, erinnert an die hervorragenden Beziehungen Kroatiens zum Heiligen
Stuhl; dieser erkannte Kroatiens Unabhängigkeit als einer der ersten Staaten an. Und
dann, fährt Srakic fort, bringe Benedikts Visite ja auch „politische Erleichterung“
und „diplomatische Unterstützung“ für das kroatische Volk, „das in den letzten Jahren
von Seiten einiger europäischer Regierungen einer bemerkenswert demütigenden Politik
unterworfen“ worden sei. Der Erzbischof meint damit wohl vor allem das Den Haager
Urteil über den in Kroatien als „Befreier“ verehrten Ex-General Ante Gotovina – obwohl
das Kriegsverbrechertribunal eine Einrichtung der UNO ist. Benedikts apostolische
Visite in Kroatien sei „eine Einladung an alle Regierungen in Europa, die europäische
Identität Kroatiens anzuerkennen“, so Srakic weiter. EU-Integration ja, aber bitte
unter Berücksichtigung der kroatischen Autonomie, auch hinsichtlich der Aufarbeitung
der eigenen Kriegsvergangenheit, so könnte man das wohl interpretieren.
In
der Presse wurde der Papstbesuch bisher durchweg positiv aufgenommen: Wenn Benedikt
kommt, dann richten sich die Augen der Welt auf ein Land, das in der letzten Zeit
nur in Zusammenhang mit Korruption und Kriegsverbrechern in die Schlagzeilen geriet.
Dieser positive Ton der Presse hat vor allem kroatische Kirchenvertreter überrascht.
Schließlich wurde in Kroatien in den vergangenen Wochen nicht nur gegen die EU und
das Gotovina-Urteil des UNO-Tribunals gewettert, sondern teilweise auch gegen die
katholische Kirche. Nicht aber gegen den Papst: Benedikt XVI. ist willkommen, und
gern erinnert man sich an die Besuche seines Vorgängers. Johannes Paul II. machte
den Kroaten drei mal Mut, während und kurz nach dem kroatischen Unabhängigkeitskrieg
in den 90er Jahren und zuletzt 2003, als das Land politisch und wirtschaftlich wieder
an Fahrt gewann.
Benedikt XVI. war übrigens schon zu Kardinalszeiten in Zagreb,
das war noch während der „Sozialistischen Republik Kroatien“ im Jahr 1982, als Ratzinger
die Leitung der Kongregation für die Glaubenslehre übernahm und damit in die Fußstapfen
des damals verstorbenen Zagreber Erzbischofs Franjo Seper trat. Wach vor Augen hat
dies noch der ehemalige Generalvikar von Zagreb, Monsignor Vladimir Stankovic. Er
wird an seiner Terrasse im Domkapitel direkt gegenüber der Kathedrale ein Schild zum
Papstbesuch anbringen, auf dem in Deutsch geschrieben steht: „Benedikt, Freund der
Kroaten“.