Binnen weniger Tage
sind in Brasiliens Amazonasgebiet vier Menschen ermordet worden, darunter ein Ehepaar.
Öko-Aktivisten, Bauern, Menschenrechtler leben gefährlich in Brasiliens hohem Norden,
wie eh und je. Flavio Giovenale ist der Bischof von Abaetetuba im Bundesstaat Parà,
nicht weit von der Mündung des Amazonas. Er sagt:
„Das Problem ist die Ungerechtigkeit
– die Tatsache, dass es noch keine klaren Regeln über Grundeigentum gibt. So ist es
völlig ungeklärt, welche Rechte eine kleine Bauernfamilie gegenüber Großproduzenten
hat, die zum Beispiel ein Sägewerk oder eine Riesen-Plantage unterhalten. Leider glauben
hier in der Gegend immer noch viele, man könnte Probleme im Wildwest-Stil lösen.“
Seit
1988 starben deutlich über tausend Menschen wegen solcher Landstreitigkeiten, doch
nur etwa hundert Fälle schafften es überhaupt bis vor ein Gericht.
„Das
liegt erstens daran, dass die Morde in sehr entlegenen und kaum bevölkerten Gegenden
passieren. Und zweitens ist es ein sehr großes Risiko, vor Gericht als Zeuge aufzutreten.
Und wegen der Korruption ist es schwierig, irgendwelche Dokumente aufzutreiben, die
beweisen, dass man legaler Eigentümer eines Landstücks ist.”
Vor 23 Jahren
wurde der Aktivist Chico Mendes ermordet – der bis heute bekannteste Mord in diesen
Breiten. Seither hat sich, so sagt der Bischof, vor allem das Umweltbewusstsein bei
den Menschen am Amazonas stärker entwickelt. Die Kirche hat aus seiner Sicht bei ihrem
Eintreten für die Menschen am Amazonas „sehr starke Mittel“:
„Vor allem
die Kampagne für Brüderlichkeit in jeder Fastenzeit – mit der sozialen Thematik und
der Einladung zu einem neuen Lebensstil erreichen wir fast alle Brasilianer, nicht
nur die Katholiken. Viele Kirchenleute und Laien sind in diesem Bereich engagiert.
Außerdem haben wir die Landpastoral und christlich-ökologische Gruppen in einigen
Bistümern.“
Das Abgeordnetenhaus in Brasilia hat vor kurzem ein Landgesetz
verabschiedet, das von Umweltschützern kritisiert wird. Die Abstimmung geschah ausgerechnet
an dem Tag, an dem im Amazonasgebiet ein Ehepaar umgebracht wurde, das sich für die
Umwelt einsetzte.
„Das Schlimmste ist: Als ein Abgeordneter in der Kammer
von diesem Mord gesprochen hat, um zu verhindern, dass das Gesetz verabschiedet wurde,
da haben einige der Abgeordneten sogar noch dem Mörder Beifall geklatscht! Es gibt
viele, die ausschließlich auf wirtschaftliche Interessen schauen, ganz egal welcher
Preis dafür zu zahlen ist. Auch die Kirche ist sehr besorgt über das neue Gesetz –
und zwar, weil es Leuten, die bis Jahresende 2010 illegal Regenwald abgeholzt haben,
eine Amnestie gibt. Wir hoffen, dass sich im Senat noch ein paar Änderungen am Gesetz
durchsetzen lassen: auch um die Kleinbauern zu beschützen. Denn dieses Gesetz schert
Kleine und Große alle über einen Kamm...“