Papst bald in Kroatien: Erwartungen auch für die Ökumene
Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Erwartungen steigen – in wenigen Tagen
besucht Benedikt XVI. Kroatien. Die kroatischen Bischöfe erhoffen sich vom Papstbesuch
Impulse für das Glaubensleben – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Dialog
der verschiedenen christlichen Konfessionen. In der Tat wird Benedikt XVI. in Zagreb
auch mit Vertretern der orthodoxen Kirchen der Region zusammentreffen: Ökumene – auch
sie ist ein Thema der zweitägigen Visite, die am kommenden Samstag beginnt. Darüber
haben wir mit dem ehemaligen Leiter der kroatischen Redaktion von Radio Vatikan gesprochen.
Angesichts einer Vergangenheit, die durch Faschismus, Kommunismus und bis in die 90er
Jahre währende Kriege gezeichnet ist, weiß der Kroate Aldo Sinkovic genau um den schweren
Stand der Ökumene in seinem Heimatland:
„Die ökumenische Frage ist in
Kroatien ein altes Problem und ziemlich schwierig. Ein Teil des Volkes gehört zur
serbisch-orthodoxen Kirche, vor dem Krieg waren das etwa 10 Prozent, heute wird von
sechs bis acht Prozent gesprochen. Das ist problematisch, weil die Religion in der
Region immer mit Politik verknüpft war und wird, und da ist es schwer, einen gemeinsamen
Weg zu finden. Der Erzbischof von Zagreb, Kardinal Josip Bozanic, hat ja versucht,
nach Serbien zu fahren und einen direkten Kontakt aufzunehmen. Aber man muss auch
sagen, dass von der serbischen Seite keine entsprechende Reaktion kam.“
Während
bzw. kurz nach dem Krieg zwischen Serbien und Kroatien sei es freilich noch etwas
schwieriger gewesen als heute, über Ökumene zu sprechen, so Sinkovic mit Blick auf
Papst Johannes Pauls Kroatienreisen in den 90er Jahren (erste 1994, zweite 1998).
Benedikts Vorgänger hatte damals zu Versöhnung aufgerufen und dabei auch auf die gespannten
Beziehungen zwischen den kroatischen Katholiken und serbischen Orthodoxen geschaut.
Während der Vatikan traditionell ein enges Verhältnis mit der kroatischen Kirche unterhält,
habe er es bis heute schwer, mit der serbisch-orthodoxen Seite ins Gespräch zu kommen,
meint Sinkovic:
„Offiziell scheint alles O.K., aber praktisch gibt es da
viele Probleme. Bevor Josef Ratzinger Papst wurde, war im Programm eine Reise nach
Belgrad. Bis jetzt hat man auch gedacht, dass er hinkommen wird. Natürlich – wenn
der Papst nach Belgrad kommt und vom Patriarchen empfangen wird, dann wäre es vielleicht
auch für die kroatische Kirche ein Anstoß, dass sie sich auch mehr bewegt. Aber es
ist sicher ein großes Problem. Das wird sicher auch bei dieser Reise Thema sein. Es
ist ja ein Treffen vorgesehen mit dem Vorsitzenden der serbisch-orthodoxen Kirche
in Kroatien und vielleicht gibt es da Bewegung.“
Wie in kaum einer anderen
Region der Welt ist das Verhältnis der Konfessionen auf dem Balkan überschattet durch
historische Verflechtungen von Religion und Politik. So versuchte das faschistische
Ustascha-Regime unter Ante Pavelic (1941-1945) in Kroatien sowohl die orthodoxe als
auch die katholische Seite für politische Zwecke zu vereinnahmen. Auch die kommunistische
Belgrader Regierung unter Tito, zur Zeit der Sozialistischen Republik Kroatien nach
Ende des Zweiten Weltkrieges, zielte mit ihren Verfolgungen von Kirchenvertretern
letztlich auf die Gründung einer nationalen Kirche unabhängig vom Vatikan. Leuchtendes
Vorbild des katholischen Widerstandes in Kroatien und einer vatikantreuen Kirche war
zu diesen schweren Zeiten der damalige Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac (1898-1960),
den Johannes Paul 1998 in Kroatien selig sprach. An seinem Grab in der Zagreber Kathedrale
wird Benedikt XVI. am kommenden Samstag beten.
Die Zeit der großen Ideologien
– sie ist auch in Kroatien vorbei. Dennoch reichen in dem Land noch so manche Schatten
der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein und schlagen sich gesellschaftlich nieder.
Höhepunkt von Benedikts Papstreise nach Kroatien ist eine Messe am kommenden Sonntag
im Zagreber Hippodrom, und zwar anlässlich des Nationalen Familientages der kroatischen
Katholiken. Dieser Programmpunkt kommt nicht von Ungefähr, erklärt Sinkovic:
„Ein
großes Thema ist natürlich die Familie, die große Probleme hat, auch historisch gesehen
vom Kommunismus her gesehen. Da waren Scheidungen normal, und Abtreibungen wurden
von der Regierung unterstützt – das hat Spuren hinterlassen. Und der Kirche ist es
bis heute nicht gelungen, eine Linie zu finden, die Familie zu unterstützen und ihr
zu helfen. Man hat verschiedene Schulen gemacht, Winterschule, Sommerschule, auf denen
Bürger, Theologen und in der Pastoral tätige Menschen über diese Probleme sprechen
können und nach Lösungen suchen.“
Neben dieser moralischen Krise hat das
Land weiter einen Korruptionsskandal in der Politik am Hals, der das Land viel Geld
gekostet hat – wir haben in einer unserer letzten Sendungen davon berichtet. Zudem
seien die Folgen der Weltwirtschaftskrise in dem Land aufgrund der jüngsten Kriegsvergangenheit
besonders zu spüren:
„Arbeitslosigkeit, Probleme mit dem Lohn, die Leute
werden wie auch hier in Italien oder anderen europäischen Ländern täglich entlassen,
die Jugend sieht keine Perspektive. Es gibt also wirklich große Probleme. Aber in
Kroatien merkt man das viel mehr als in anderen Ländern, wegen des letzten Krieges.
Die Situation hat sich gerade ein wenig normalisiert, und jetzt kommt wieder eine
Krise, die die Menschen zweifeln lässt. Vor allem die Jugend sieht keine Zukunft.“
Die
Perspektive eines EU-Beitrittes – dieser ist eventuell schon für das kommende Jahr
geplant – gebe den Menschen nur begrenzt Hoffnung, erzählt Sinkovic weiter. Zudem
habe die Verurteilung der beiden ehemaligen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac
die Skepsis gegenüber der europäischen Union wachsen lassen. Die in Kroatien als „Befreier“
verehrten Männer waren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Krieges
zu hohen Haftstrafen verurteilt worden.
„Kroatien hat von Anfang an die
Institution des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag begrüßt (und auch klare Regeln
darüber, wie man und wie man nicht kämpfen kann). Was die Leute und einige Bischöfe,
die sich ziemlich deutlich dagegen ausgesprochen haben, enttäuscht hat, war die starke
Verurteilung der Generäle, die wahrscheinlich schuldig sind, dass es nicht alles so
geklappt hat, wie es klappen sollte, aber diese so starke Strafe war nicht zu erwarten.
Die sind bis zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, natürlich hat man da auch Elemente
verwendet, die ganz falsch waren, obwohl es natürlich auch Tatsachen gibt. Aber im
Grunde genommen glaube ich auch, dass ein wenig übertrieben wurde... “
Die
katholische Kirche habe hier eine vermittelnde Funktion, so Sinkovic. Sie könne wie
der Papstbesuch dazu beitragen, die Überzeugung der Bevölkerung vom EU-Beitritt Kroatiens
zu steigern.
„Einige Bischöfe, besonders Kardinal Bozanic von Zagreb, versuchen
alles Mögliche zu tun, dass Kroatien in die EU aufgenommen wird. Das ist schwer, es
gibt ja verschiedene Punkte, auf die Kroatien verzichten muss, aber andererseits rechnen
die Menschen damit, dass sie von der EU auch materiell etwas bekommen können. Natürlich
wird es Probleme geben, das wird nicht ohne Schmerzen vonstattengehen. Aber ich hoffe,
dass sich das weiter gut entwickeln wird und dass die EU-skeptischen Bischöfe – die
in der Minderheit sind – dass die ihre Meinung ändern werden. Der Großteil der Kirche
ist jedenfalls für die EU. Die Gegner, das ist einfaches Volk auf regionaler Ebene,
das sich nicht darüber bewusst ist, was es alles von der EU bekommen kann.“