2011-05-31 14:01:27

Papst bald in Kroatien: Erwartungen auch für die Ökumene


Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Erwartungen steigen – in wenigen Tagen besucht Benedikt XVI. Kroatien. Die kroatischen Bischöfe erhoffen sich vom Papstbesuch Impulse für das Glaubensleben – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Dialog der verschiedenen christlichen Konfessionen. In der Tat wird Benedikt XVI. in Zagreb auch mit Vertretern der orthodoxen Kirchen der Region zusammentreffen: Ökumene – auch sie ist ein Thema der zweitägigen Visite, die am kommenden Samstag beginnt. Darüber haben wir mit dem ehemaligen Leiter der kroatischen Redaktion von Radio Vatikan gesprochen. Angesichts einer Vergangenheit, die durch Faschismus, Kommunismus und bis in die 90er Jahre währende Kriege gezeichnet ist, weiß der Kroate Aldo Sinkovic genau um den schweren Stand der Ökumene in seinem Heimatland:

„Die ökumenische Frage ist in Kroatien ein altes Problem und ziemlich schwierig. Ein Teil des Volkes gehört zur serbisch-orthodoxen Kirche, vor dem Krieg waren das etwa 10 Prozent, heute wird von sechs bis acht Prozent gesprochen. Das ist problematisch, weil die Religion in der Region immer mit Politik verknüpft war und wird, und da ist es schwer, einen gemeinsamen Weg zu finden. Der Erzbischof von Zagreb, Kardinal Josip Bozanic, hat ja versucht, nach Serbien zu fahren und einen direkten Kontakt aufzunehmen. Aber man muss auch sagen, dass von der serbischen Seite keine entsprechende Reaktion kam.“

Während bzw. kurz nach dem Krieg zwischen Serbien und Kroatien sei es freilich noch etwas schwieriger gewesen als heute, über Ökumene zu sprechen, so Sinkovic mit Blick auf Papst Johannes Pauls Kroatienreisen in den 90er Jahren (erste 1994, zweite 1998). Benedikts Vorgänger hatte damals zu Versöhnung aufgerufen und dabei auch auf die gespannten Beziehungen zwischen den kroatischen Katholiken und serbischen Orthodoxen geschaut. Während der Vatikan traditionell ein enges Verhältnis mit der kroatischen Kirche unterhält, habe er es bis heute schwer, mit der serbisch-orthodoxen Seite ins Gespräch zu kommen, meint Sinkovic:

„Offiziell scheint alles O.K., aber praktisch gibt es da viele Probleme. Bevor Josef Ratzinger Papst wurde, war im Programm eine Reise nach Belgrad. Bis jetzt hat man auch gedacht, dass er hinkommen wird. Natürlich – wenn der Papst nach Belgrad kommt und vom Patriarchen empfangen wird, dann wäre es vielleicht auch für die kroatische Kirche ein Anstoß, dass sie sich auch mehr bewegt. Aber es ist sicher ein großes Problem. Das wird sicher auch bei dieser Reise Thema sein. Es ist ja ein Treffen vorgesehen mit dem Vorsitzenden der serbisch-orthodoxen Kirche in Kroatien und vielleicht gibt es da Bewegung.“

Wie in kaum einer anderen Region der Welt ist das Verhältnis der Konfessionen auf dem Balkan überschattet durch historische Verflechtungen von Religion und Politik. So versuchte das faschistische Ustascha-Regime unter Ante Pavelic (1941-1945) in Kroatien sowohl die orthodoxe als auch die katholische Seite für politische Zwecke zu vereinnahmen. Auch die kommunistische Belgrader Regierung unter Tito, zur Zeit der Sozialistischen Republik Kroatien nach Ende des Zweiten Weltkrieges, zielte mit ihren Verfolgungen von Kirchenvertretern letztlich auf die Gründung einer nationalen Kirche unabhängig vom Vatikan. Leuchtendes Vorbild des katholischen Widerstandes in Kroatien und einer vatikantreuen Kirche war zu diesen schweren Zeiten der damalige Zagreber Erzbischof Alojzije Stepinac (1898-1960), den Johannes Paul 1998 in Kroatien selig sprach. An seinem Grab in der Zagreber Kathedrale wird Benedikt XVI. am kommenden Samstag beten.

Die Zeit der großen Ideologien – sie ist auch in Kroatien vorbei. Dennoch reichen in dem Land noch so manche Schatten der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein und schlagen sich gesellschaftlich nieder. Höhepunkt von Benedikts Papstreise nach Kroatien ist eine Messe am kommenden Sonntag im Zagreber Hippodrom, und zwar anlässlich des Nationalen Familientages der kroatischen Katholiken. Dieser Programmpunkt kommt nicht von Ungefähr, erklärt Sinkovic:

„Ein großes Thema ist natürlich die Familie, die große Probleme hat, auch historisch gesehen vom Kommunismus her gesehen. Da waren Scheidungen normal, und Abtreibungen wurden von der Regierung unterstützt – das hat Spuren hinterlassen. Und der Kirche ist es bis heute nicht gelungen, eine Linie zu finden, die Familie zu unterstützen und ihr zu helfen. Man hat verschiedene Schulen gemacht, Winterschule, Sommerschule, auf denen Bürger, Theologen und in der Pastoral tätige Menschen über diese Probleme sprechen können und nach Lösungen suchen.“

Neben dieser moralischen Krise hat das Land weiter einen Korruptionsskandal in der Politik am Hals, der das Land viel Geld gekostet hat – wir haben in einer unserer letzten Sendungen davon berichtet. Zudem seien die Folgen der Weltwirtschaftskrise in dem Land aufgrund der jüngsten Kriegsvergangenheit besonders zu spüren:

„Arbeitslosigkeit, Probleme mit dem Lohn, die Leute werden wie auch hier in Italien oder anderen europäischen Ländern täglich entlassen, die Jugend sieht keine Perspektive. Es gibt also wirklich große Probleme. Aber in Kroatien merkt man das viel mehr als in anderen Ländern, wegen des letzten Krieges. Die Situation hat sich gerade ein wenig normalisiert, und jetzt kommt wieder eine Krise, die die Menschen zweifeln lässt. Vor allem die Jugend sieht keine Zukunft.“

Die Perspektive eines EU-Beitrittes – dieser ist eventuell schon für das kommende Jahr geplant – gebe den Menschen nur begrenzt Hoffnung, erzählt Sinkovic weiter. Zudem habe die Verurteilung der beiden ehemaligen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac die Skepsis gegenüber der europäischen Union wachsen lassen. Die in Kroatien als „Befreier“ verehrten Männer waren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Krieges zu hohen Haftstrafen verurteilt worden.

„Kroatien hat von Anfang an die Institution des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag begrüßt (und auch klare Regeln darüber, wie man und wie man nicht kämpfen kann). Was die Leute und einige Bischöfe, die sich ziemlich deutlich dagegen ausgesprochen haben, enttäuscht hat, war die starke Verurteilung der Generäle, die wahrscheinlich schuldig sind, dass es nicht alles so geklappt hat, wie es klappen sollte, aber diese so starke Strafe war nicht zu erwarten. Die sind bis zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, natürlich hat man da auch Elemente verwendet, die ganz falsch waren, obwohl es natürlich auch Tatsachen gibt. Aber im Grunde genommen glaube ich auch, dass ein wenig übertrieben wurde... “

Die katholische Kirche habe hier eine vermittelnde Funktion, so Sinkovic. Sie könne wie der Papstbesuch dazu beitragen, die Überzeugung der Bevölkerung vom EU-Beitritt Kroatiens zu steigern.

„Einige Bischöfe, besonders Kardinal Bozanic von Zagreb, versuchen alles Mögliche zu tun, dass Kroatien in die EU aufgenommen wird. Das ist schwer, es gibt ja verschiedene Punkte, auf die Kroatien verzichten muss, aber andererseits rechnen die Menschen damit, dass sie von der EU auch materiell etwas bekommen können. Natürlich wird es Probleme geben, das wird nicht ohne Schmerzen vonstattengehen. Aber ich hoffe, dass sich das weiter gut entwickeln wird und dass die EU-skeptischen Bischöfe – die in der Minderheit sind – dass die ihre Meinung ändern werden. Der Großteil der Kirche ist jedenfalls für die EU. Die Gegner, das ist einfaches Volk auf regionaler Ebene, das sich nicht darüber bewusst ist, was es alles von der EU bekommen kann.“

(rv 30.05.2011 pr)








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