Katholische Soziallehre Johannes XXIII.: Liebe als Antrieb, Gerechtigkeit als Ziel
Genau vor 50 Jahren
veröffentlichte Papst Johannes XIII. seine Enzyklika Mater et Magistra, „Mutter
und Lehrmeisterin“. Es ist eine Sozialenzyklika in der Tradition der großen Enzykliken,
beginnend mit Rerum Novarum von Papst Leo XIII., vor 120 Jahren. Aus Anlass des Jubiläums
hatte der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden zu einem Kongress nach Rom
eingeladen:
„Es war eine sehr gute Initiative des Päpstlichen Rates für
Gerechtigkeit und Frieden, weil es ein Jubiläum ist, das würdig ist, so gefeiert zu
werden. Die Aktualität der Enzyklika ist sehr groß, vor allem was den Einsatz für
das Gemeinwohl angeht. Das ist ein fundamentales Prinzip der katholischen Soziallehre,
das in der Politik häufig vergessen wird.“
So sieht es Kardinal Oscar Rodriguez
Maradiaga, der Erzbischof von Honduras und Präsident von Caritas Internationalis.
Der Veranstalter, Kardinal Peter Turkson, Leiter von Justitia et Pax, formuliert das
Anliegen des Kongresses gegenüber Radio Vatikan so:
„Wir möchten die Menschen
vor allem an diese Enzyklika erinnern und an die Situation, aus der heraus diese Enzyklika
entstanden ist. Und wir wollen daran erinnern, was in der Zwischenzeit, in diesen
50 Jahren, passiert ist. Der Hintergrund für Mater et Magistra ist die Entkolonisierung
Afrikas, mittlerweile sind wir schon wieder bei einer Art Neokolonialismus angekommen,
wenn es um die Kontrolle der wichtigsten Ressourcen geht. Darüber wurde gesprochen“
Ausgehend
von diesem Fokus habe man sich konkreten Fragen zugewandt, die sich im Augenblick
stellen:
„Zum Beispiel das Thema Landwirtschaft und die Ungleichheit, wenn
es um das Festsetzen von Agrarprodukten weltweit geht. In Europa werden Subventionen
gezahlt, in Afrika nicht, wie kann man dann erwarten, dass Afrika auf dem internationalen
Markt wettbewerbsfähig wird? Diese Ungerechtigkeit, über die schon die Enzyklika sprach,
existiert immer noch. Vor 50 Jahren wurde es thematisiert, 50 Jahre später gibt es
sie immer noch.“
Auch wenn dies wie eine ausschließlich negative Analyse
wirkt, so betont Turkson doch, dass es nicht nur um Betroffenheit geht. Der Umgang
mit der Soziallehre der Kirche müsse sich ein großes Vorbild nehmen: die Lehre Jesu.
„Es
ist etwas Grundsätzliches. Das Evangelium Jesu Christi war nicht für alle da, sondern
für die, die bereit waren, sich zu ihm zu bekehren. Für diese Menschen wirkt die Frohbotschaft.
Dasselbe gilt für die Soziallehre der Kirche: Sie hat wunderbare Sachen zu sagen,
sein Leben ändern und so weiter. Aber sie ist in Wirklichkeit für diejenigen, die
bereit sind, wirklich etwas zu tun.“
Benedikt XVI. empfing die Teilnehmer
des Kongresses am vergangenen Montag in Audienz. In seiner Ansprache betonte er die
Aktualität der Enzyklika von Johannes XXIII.:
„In der Enzyklika Mater et
Magistra hat Papst Roncalli mit seiner Vision der der Menschheitsfamilie dienenden
Kirche die katholische Soziallehre – den seligen Papst Johannes Paul II. vorwegnehmend
– als wesentlichen Teil des Auftrages der Kirche formuliert, weil sie integraler Teil
unserer Vorstellung vom christlichen Leben ist.“
Besonders kritisierte
Benedikt XVI. die Weltfinanzmärkte, die nach der Krise sofort wieder zu Kreditverträgen
übergegangen seien, die „grenzenlose Spekulation“ ermöglichten. Die Spekulation weite
sich auch auf Nahrungsmittel, Wasser und Grundstücke aus, und treibe so ohnehin bereits
arme Menschen noch tiefer ins Elend. Auch die steigenden Energiepreise könnten sich
nachteilig auf Umwelt und Mensch auswirken, dann nämlich, wenn ausschließlich mit
kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen nach alternativen Energieformen gesucht
werde. Die Soziallehre der Kirche müsse im Leben der Kirche ihren festen Platz
haben, und zwar im Leben der gesamten Kirche:
„Die Gläubigen dürfen nicht
nur Nutznießer und passive Empfänger sein, sondern sie sind Beteiligte an der Verwirklichung,
genauso wie sie wichtige Mitarbeiter sind an der Formulierung, dank der besonderen
Erfahrungen in ihren jeweiligen Fachgebieten. Für den seligen Johannes XXIII. hat
die Soziallehre der Kirche die Wahrheit als Licht, die Liebe als Antriebskraft und
die Gerechtigkeit zum Ziel.“
Hier dürfe es nach Johannes XXIII. einen legitimen
Pluralismus der Meinungen und Anschauungen in der Kirche geben, so der Papst. In gegenseitigem
Respekt diskutiert würde dieser wesentliche Teil der Kirche weiter entwickelt. Man
müsse nur das Fundament, das die Enzyklika fest im Blick habe, immer zum Zentrum haben:
„Tatsächlich
verfällt ohne die Kenntnis des wahren Gemeinwohls die Nächstenliebe zu Sentimentalismus,
verliert die Gerechtigkeit ihr Maß, das Prinzip der universalen Richtung verliert
ihr Recht. Mit Bezug auf die Grundlagen dieser Gerechtigkeit wird unterstrichen, dass
sie, um dauerhaft zu sein, auf dem Gemeinwohl fußen muss.“