Zum Verständnis der Bibel: Wer die Heilige Schrift ernst nimmt, muss auch die Geschichten
etwa von Adam und Eva oder der Sintflut ernst nehmen. Wie sind diese Geschichten mit
unserem Verständnis der Entwicklung der Welt vereinbar?
Lieber Hörer, die Bibel ist ein kompliziertes Buch. Natürlich nehme ich sie nicht
nur ernst, ich halte sie auch für wahr. Ja, auch die Geschichten von Adam und Eva
oder der Sintflut. Trotzdem müssen wir uns die Frage stellen, was das für Geschichten
sind.
Vor allem in den USA gibt es eine wachsende Bewegung, die die Geschichten
wörtlich nimmt und sie in Jahreszahlen umrechnet. Man glaubt, Daten für die Sintflut
und genaue Genealogien, also Abstammungslinien, ziehen zu können. Kritiker werfen
ein, in die so entstehende Erdgeschichte würden Dinosaurier oder der Homo Sapiens
Sapiens gar nicht hinein passen, dafür sei die Zeit zu kurz.
Ein ziemlich unsinniger
Streit wie ich finde. Denn weder widerlegt die Naturwissenschaft die Bibel, noch die
Bibel die Naturwissenschaft.
Die Schrift reflektiert die Geschichte des Volkes
Israel mit seinem Gott, oder in unserer Perspektive: die Geschichte des Volkes Israels
und der Kirche mit Gott. Und diese Erfahrungen werden wie zu allen Zeiten in Form
von Geschichte aufgeschrieben. Es gibt auch andere Formen, Poesie zum Beispiel, wie
wir sie in den Psalmen finden, auch das Buch der Weisheit und Jesus Sirach haben eigene
Formen der Übermittlung.
Die Geschichtsbücher erzählen die Geschichte. Es sind
keine Mythen in dem Sinn, dass wir sagen können, das sei ja nicht wirklich wahr, das
seien nur Bilder. Natürlich ist die Zeit keine chronologische Zeit, nicht in Kalendern
zu messen. Aber trotzdem sind es historische Erfahrungen.
Die Geschichtswissenschaft
kann damit allerdings wenig anfangen, und das ist auch gut so. Die Aussage ist theologischer
Natur, sie sagt etwas Theologisches über die Geschichte Gottes mit den Menschen aus,
über die Sünde – nicht abstrakt, sondern wie sie sich entwickelt hat, also historisch.
Sie sagt etwas über den Umgang der Menschen mit der Nähe und der Entfernung zu Gott,
der Annahme eines strafenden Gottes und dem allmählichen Entdecken der Liebe dieses
Gottes - auch das nicht abstrakt, sondern wie es sich entwickelt hat, also historisch.
Ich
nehme die Geschichten sehr ernst, und das muss ich auch, um meinen Glauben und die
Welt verstehen zu können. Nur müssen wir genau wissen, worüber wir reden.