2011-05-08 15:47:42

Papstreise: Erste Einschätzung


Eine erste Bilanz zur Papstreise zieht unser Korrespondent Stefan Kempis in einem Kollegengespräch mit uns.


Was ist der Hauptakzent bei der Papstreise in Italiens Nordosten bisher?


Mir fällt auf, dass der Papst sehr wenig von der Vergangenheit spricht und sehr konsequent der Versuchung widersteht, die Kirchenväter zu zitieren, wie er das sonst gerne macht. Und das, obwohl er eine der großen Ortskirchen der frühen Christenheit besucht. Stattdessen geht es ihm ganz eindeutig um die Gegenwart der Kirche hier: „Christsein ist heute oft oberflächlich – etwas, das mit dem eigenen Leben nichts mehr zu tun hat“, so war die Diagnose Benedikts in seiner Predigt in Mestre. Er sieht die Christen von heute wie die Emmausjünger, die Jerusalem verlassen: „voller Zweifel, Trauer und Enttäuschung“, „sie glauben nicht mehr an die Kraft und die lebendige Anwesenheit des Herrn“. Gegen diese Einstellung will Benedikt die Neuevangelisierung in Gang setzen, das ist ganz eindeutig sein Hauptakzent bei dieser Reise.


Was schlägt der Papst denn konkret vor, um den Glauben in Italien-Nordost und überhaupt im Westen wiederzubeleben?


Konkrete Rezepte hat er kaum, jedenfalls spricht er hier nicht von Reformideen, sondern ruft „Seid heilig, stellt Christus in die Mitte eures Lebens!“ Einen Vorschlag hat er aber bei der Mestre-Messe immerhin doch gemacht: Ob sich die Kirchen, die historisch einmal zum Patriarchat von Aquileia gehört haben, nicht neu zusammenschließen und eine Art „geistliche Einheit“ bilden könnten. Daraus würden sich, meint er, schnell ganz handfeste Projekte ergeben, angesichts des Einwanderungs-Phänomens etwa. Nur mal zur Erinnerung: Von Aquileia aus und unter seiner Inspiration haben sich in der frühen Kirche rund zwanzig Bistümer gebildet: nicht nur im Veneto oder in Südtirol, sondern auch München und Regensburg, Wien und Salzburg, Laibach und Zagreb – bis nach Ungarn hinein. Wenn Papst Benedikt nächsten Monat nach Kroatien reist, könnte er in Zagreb auf das Thema „geistliche Wiederbelebung der alten Kirchenprovinz Aquileia zurückkommen.


Wie kommt die Papstreise bei den Menschen an?


Die Freude, mal vom Papst besucht zu werden und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, ist groß bei den Menschen in Aquileia, Mestre, Venedig: Sie fühlen sich sonst weitab vom Schuss, vergessen im Grenzland. Die Bilder, wie der Papst im Motorboot von Mestre nach Venedig zurückfuhr, waren wirklich unvergeßlich: ein Freudenfest. Sonne, historische Fahnen, Menschen auf den Brücken über den Kanälen, um den Papst zu begrüßen, überall blumengeschmückte Boote und Schiffchen, Glockengeläut. Ich habe mehrere Leute gefragt, was sie denn dem Papst sagen würden, wenn sie mit ihm sprechen könnten – und sie alle meinten nach einem Moment des Überlegens: „Segnen Sie uns, Heiliger Vater.“ Es ist schon interessant, dass sie sich keine Sätze zum Zölibat oder zur Empfängnisverhütung ausdenken, sondern sich einfach freuen. Allerdings gibt es überall großen Unmut über die Sicherheitsmaßnahmen; viele sind deswegen zu Hause geblieben.


(rv 08.05.2011 sk)







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