Papst in Venedig: Eindrücke von der Piazza San Marco
Höhepunkt der Italienreise
von Papst Benedikt XVI. ist eine Messe mit Gläubigen in Mestre auf dem venezianischen
Festland, am Sonntagmorgen ab 10.00 Uhr. Am Samstagabend reiste er von Aquileia nach
Venedig, wo er am Abend Gläubige auf der zentralen Piazza San Marco traf. Unser Korrespondent
Stefan Kempis ist vor Ort und hat Atmosphärisches aus der Stadt der Gondeln eingefangen:
Venedig - eine Stadt mit päpstlicher Geschichte.
Walzerklänge auf der
Piazza San Marco: Vor dem „Café Florian“ unter den eleganten Arkaden des Platzes wird
den Touristen aufgespielt. Die Klänge erinnern daran, dass die Stadt im 19. Jahrhundert
jahrzehntelang zu Österreich gehörte – bis 1866. Wer sich allerdings zum Markusdom
hinüberdreht, der denkt nicht an Österreich, sondern an Istanbul: San Marco wirkt
wie eine verspieltere Version der „Hagia Sophia“, Hinweis auf Venedigs eminente Rolle
im Orienthandel und auf seine historische Konkurrenz mit Konstantinopel. Auf der marmorverkleideten
Fassade leuchten Mosaiken auf Goldgrund, darüber stehen auf einer langen Loggia die
berühmten vier Bronzepferde, die bei einem Kreuzzug in Konstantinopel geraubt wurden,
und noch höher, zwischen den fünf orientalisierenden Kuppeln, glänzt der Markuslöwe
in der Sonne.
12 Uhr: Die Glocken läuten zum Angelus. Gleich links vom Markusdom
steht die Residenz des Patriarchen: ein relativ neuer Bau, denn bis vor etwa zweihundert
Jahren war San Marco gar nicht seine Bischofskirche. Es war eine Staatskirche, sozusagen
die Palastkapelle des Dogen, der sie ja im elften Jahrhundert auch gebaut hatte. Aus
diesem Patriarchat sind in den letzten hundert Jahren schon drei Päpste hervorgegangen:
Pius X., Johannes XXIII., Johannes Paul I. Alle drei Patriarchen von Venedig, bevor
sie zum Nachfolger Petri gewählt wurden.
Wer in den Dom hineinwill, muss sich
hinten anstellen: Die Schlange zieht sich den ganzen Dogenpalast rechts von San Marco
entlang. Reiseführer erklären ihren Grüppchen, was sie gleich erwartet. Bei Hochwasser,
und das kommt immer wieder mal, kann man den Platz hier nur über Holzplanken oder
mit Gummistiefeln passieren. Der rot-weiße Campanile steht, vom Dom getrennt, auf
angeblich 100.000 Holzpfählen.
Wie in einer alten Höhle fühlt man sich, wenn
man die Basilika betritt: Die Füße tasten über Mosaik-Fußboden, der Boden senkt sich
immer weiter über die Jahre hinweg, der Blick verirrt sich zwischen mehr als 2.000
Säulen, viele von ihnen aus der Antike. Von oben: der Dämmer goldener Mosaiken, 13.
Jahrhundert und später, auf über 4.000 Quadratmetern. Die Mosaiken bestimmen den Gesamteindruck:
überall Gold. Szenen aus der Heilsgeschichte, von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht,
manchmal majestätische, oft anrührende Bilder in byzantinischer Steifheit. Noah und
die Arche, Einzug Jesu in Jerusalem – ein überwältigender Zyklus. Golden ist auch
die Rückseite der Altartafel ganz hinten in der Apsis: die mittelalterliche „Pala
d`Oro“: Nur in den Basiliken von Köln und Klosterneuburg, so erklärt eine Reiseleiterin
ihrer Gruppe, gibt es Vergleichbares.
Im Kontrast dazu: der dicke, aber einfache
Steinsarg unter dem Hauptaltar. Hierin ruhen angeblich die Gebeine des Evangelisten
Markus, wie so vieles andere aus Konstantinopel geklaut, schon im 9. Jahrhundert.
Ob die sterblichen Überreste tatsächlich dem Verfasser des ältesten Evangeliums gehören,
ist ungeklärt. Die Gebeine kamen über das Meer: wie so vieles, was den Reichtum Venedigs
gemacht hat. Heute schaukeln dort, an der Mole San Zaccaria rechts vom Markusdom,
die Gondeln im Wasser und warten auf Touristen.