Die katholische Kirche
hat verstanden, dass das Internet nicht bloß eine Pinwand ist, an der sie ihre Frohe
Botschaft zur allgemeinen Lektüre anheftet, sondern sie möchte auch im Dialog mit
und von Bloggern lernen. So resümiert einer der Teilnehmer am jüngsten Blogger-Meeting
im Vatikan, Michael Blume, das Treffen. Der evangelische Religionswissenschaftler
betreibt zwei Blogs über „Gott, Gene und Gehirn“. Er verfasste auch ein Buch mit dem
gleichen Titel. Gudrun Sailer bat Michael Blume zu einem Gespräch in das Studio von
Radio Vatikan.
„Das Spektrum der Blogger, die sich hier im Vatikan getroffen
haben, reichte von Ordensleuten, eine Karmelitin, ein Dominikaner, mehrere Franziskaner,
Jesuiten natürlich, bis zu Priestern aus Gemeinden und ganz vielen Laien. Ich erinnere
mich an eine Hausfrau, die sagte: Jetzt sind ihre Kinder groß, und sie möchte noch
etwas für den Glauben tun, oder auch an einen Techniker, der eigentlich über technische
Themen bloggt, aber auch antwortet, wenn er nach seinem Glauben gefragt wird; also
ganz unterschiedliche Menschen, die da zusammen kamen, aus allen Kontinenten. Das
war schon sehr beeindruckend. Da hat sich praktisch die Vielfalt von Kirche abgebildet.“
Blogger
sind meinungsfreudige Menschen, die ihre Ansichten ohne Scheu und mitunter auch polemisch
vertreten. Am päpstlichen Kulturrat war man sich vor dem Bloggertreffen des Risikos
bewusst, dass es auch laut und außerordentlich kontrovers zugehen könnte. Wie war’s
wirklich?
„Das Interessante ist, dass wir als Menschen nicht auf die Kommunikation
im Internet vorbereitet sind. Ich würde sagen, wir sind nicht darauf evolviert: wir
brauchen ein Gesicht, wir brauchen eine Stimme. Das alles haben wir im Internet nicht.
Dass heißt, gerade wenn es um emotionale Themen wie Religion geht, gehen die Emotionen
im Internet regelmäßig hoch. Das ist auch manchmal eine bittere Erfahrung, die man
macht. Viele Leute nutzen auch die Anonymität, um ihren Frust und ihre extremen Meinungen
kund zu tun. Wenn man die Menschen aber wirklich zusammen bringt, dann ist die Stimmung
meistens eine außerordentlich positive. Das hat sich auch gestern gezeigt: Schon beim
Eintreffen lagen sich viele in den Armen, die sich teilweise jahrelang nur online
kannten und jetzt endlich einmal in das Gesicht geschaut haben und die Stimme gehört
haben. Das war also von der Stimmung her sehr gut. Ich habe einen Kollegen gehört,
der neben mir gemurmelt hat: „Das fühlt sich ja an wie der Heilige Geist.“ Ich denke,
er wollte damit auch diese menschliche Verbindung zum Ausdruck bringen. Das hat funktioniert.“
Worüber
wurde denn diskutiert?
„Es gab ganz klassische Themen, zum Beispiel die
Frage, ob die Blogs die klassischen Medien bedrohen. Es gab aber auch Fragen, die
wirklich nur spezifisch bei diesem Bloggertreffen zur Sprache kamen; beispielsweise,
wie eine hierarchische Organisation wie die katholische Kirche mit dem Netz, mit der
Dezentralität umgehen soll; oder auch die Frage, wie man mit blasphemischen und beleidigenden
Attacken umgeht. Es war auch interessant zu hören, dass vor allem katholische Christen,
Muslime und Juden da teilweise sehr bittere Erfahrungen machen. Da ist natürlich auch
die Frage: Wie gehen wir damit um? Gehen wir darauf ein, ignorieren wir das, löschen
wir das? Da gab es sehr unterschiedliche Positionen.“
Wie ist Ihre Position
dazu?
„Die hat sich ein Stück weit geändert. Ich habe früher versucht,
auf jeden einzelnen einzugehen, habe dann aber später festgestellt, dass manche Leute
das als eine persönliche Aufwertung nehmen und eigentlich nur noch provozieren, um
weitere Antworten zu generieren. Das heißt, man meint es zwar gut, aber man generiert
vielleicht sogar die Äußerungen, die man nicht schön findet – so dass ich inzwischen
dazu übergehe, dort zu antworten, wo konstruktiv gefragt wird und den Schmutz stehen
zu lassen. Der steht ja auch für sich.”
Es gibt im englischen und auch im
deutschen Sprachraum einzelne Webseiten, auf denen Diffamierung Strategie ist, und
die sich bedauerlicherweise als „katholisch“ bezeichnen. Wir werden immer wieder als
Radio Vatikan gefragt, was denn die offizielle Position des Heiligen Stuhles zu solchen
Seiten sei – der Heilige Stuhl hat sich dazu aber noch nicht geäußert. Ich gebe die
Frage gerne an Sie weiter, wie soll man mit solchen diffamierenden Seiten umgehen?
„Ich
glaube, dass man Insel von Qualität im Internet schaffen kann, dass man positive Angebote
machen sollte. Es ist nicht sinnvoll und möglich, andere Bereiche zu kontrollieren,
aber man kann bessere Angebote machen, und man kann dazu noch gute Angebote untereinander
vernetzen, so dass man sich gegenseitig unterstützt. Wenn dann auf bestimmten Seiten
sich die Leute nur noch gegenseitig in ihrer Abneigung gegenüber Juden, Christen oder
Muslimen bestätigen, dann muss man sich das nicht antun. Man muss sich da nicht zum
Reibebaum machen lassen, aber man kann Angebote schaffen, wo man sagt, wenn Ihr Euch
wirklich informieren wollt, werft einen Blick hierauf. Ich kann persönlich nur sagen,
dass Menschen eigentlich sehr interessiert sind, an religiösen Themen, gerade auch,
wenn sie wissenschaftlich angeboten werden. Ich hoffe, dass in Zukunft beispielsweise
die Päpstliche Akademie der Wissenschaften eine aktive Rolle im Internet einnehmen
wird. Dass beispielsweise die katholische Kirche kein Problem mit der Evolutionstheorie
hat, wissen viele Leute gar nicht, die teilweise furchtbare Klischees über die katholische
Kirche mit sich herumtragen.“
Ist Ihres Wissens der Vatikan die erste religiöse
Großinstitution, die so ein Bloggertreffen einberufen hat?
„Es gab und
gibt eine ganze Anzahl von Bloggertreffen von religiösen Akteuren, beispielsweise
auch auf den Kirchentagstreffen in Deutschland. Dort werden Blogger inzwischen eingebunden.
Ich muss aber sagen, dass der Vatikan gestern gezeigt hat, dass er da eine andere
Professionalität bereits erreicht hat: Es wurde gefragt, was man als Blogger denn
brauchen könnte, dass heißt, es war das Bemühen zu erkennen, eine Kommunikationsstrategie
zu entwickeln, die mit den Bloggern arbeitet und nicht nur Pressemitteilungen herausschickt.
Und da muss ich sagen: ich wüsste kein Bloggertreffen, das so weit war. Und noch ein
Novum habe ich gestern erlebt: ich glaube, es war das erste internationale Bloggertreffen
der Geschichte, das mit einem Vaterunser geendet hat“. (lacht)
Dabei wird
dem Vatikan gerne vorgeworfen, seine Kommunikation sei so vorgestrig, es käme immer
wieder zu gewaltigen Pannen, das haben Sie beim Bloggertreffen nicht so wahrgenommen?
„Faszinierend
war zu sehen, dass es innerhalb der vatikanischen Institutionen unterschiedliche Wahrnehmungen
auf das Web 2.0 gibt. Ein Sohn von einem bloggenden Vater, der dabei war, meinte:
„Papa, guck mal, die widersprechen sich ja.“ Und ein österreichischer Blogger strich
sich durch den Bart und meinte: „Deswegen mögen wir unsere Kirche auch so.“ Also es
war schon zu erkennen, dass der Vatikan auch in sich vielstimmiger ist, als dass man
das auf den ersten Blick von außen wahrnimmt. Aber da ist ein Bemühen. Die katholische
Kirche ist auf dem Weg. So wie sie sich im Bereich Umweltschutz quasi bewegt hat –
Papst Benedikt wird hier ja auch „il papa verde“, der grüne Papst genannt - so könnte
auch das Internet ein Bereich sein, in dem die katholische Kirche eine positive Rolle
spielt. Sie ist auf dem Weg.“
Die Blogger sollten ja dem Vatikan auch Tipps
geben, woran er in seiner Kommunikation noch arbeiten kann. Welche Tipps haben sich
denn die Vatikan-Leute aus Ihrer Beobachtung besonders zu Herzen genommen?
„Mein
Eindruck war, dass zwei Botschaften angekommen sind: die eine ist, dass die Leute
im Vatikan gesehen habe, dass auch die Blogger ganz dezentral häufig die gleichen
positiven oder negativen Erfahrungen machen wie sie. Das war ein Zusammenrücken. Der
große Anbieter von vatikanischen Medien und der kleine Blogger oder die kleine Bloggerin,
die in ihrer Freizeit einige Texte einstellt, waren plötzlich auf einer Erfahrungsebene.
Das wird mit Sicherheit bleiben. Das Zweite ist: Es wurde der Wunsch nach Inhalten
geäußert: Es ist nicht damit getan, wenn man Zusammenschnitte von päpstlichen oder
kirchlichen Ereignissen nur zur Verfügung stellt, sondern man sollte beispielsweise
auch inhaltliche Videos, Darstellungen von bestimmten Lehren, die sich in kleinen
Clips auch einbinden lassen, auf Blogs stellen. Für den Vatikan ist das ja auch eine
Chance, den Bloggern inhaltlich etwas anzubieten und eine Rückmeldung zu bekommen.
Er hat damit eine vermittelte Kommunikation. Es ist unmöglich, das alles selber zu
tun. Niemand kann Millionen Fragen beantworten. Aber wenn Sie einige tausend Blogger
in der Welt haben, die Ihre Botschaft aufgreifen, nach außen geben und diskutieren,
und dann rückmelden, was gut ankommt und was nicht, dann entsteht so ein Zwischenraum.
Ich glaube, der hat auch die Vertreter des Vatikan fasziniert.“
Die katholische
Kirche ist ja seit jeher davon überzeugt, sie hat die Botschaft, und die muss sie
in die Welt hinaustragen – also eine klar gerichtete Kommunikation von A nach B. Die
Bloggerwelt steht demgegenüber für eine große Auffächerung, ja eine Zersplitterung
der Kommunikationswege. Macht das den Leuten im Vatikan Angst?
„Diese Erfahrung
macht eigentlich jeder, der im Internet aktiv ist. Insofern kann ich sie nur bestätigen.
Aber je genauer man hinschaut, umso komplexer wird die Welt, und Blogs sind häufig
ja Spezialforen. Sie haben einen bloggenden Priester, der über Filme bloggt und über
katholische Spuren in der Filmkultur. Das ist natürlich eine ganz andere Botschaft
als vielleicht der Blog einer Gebetsbewegung. Von dem her bilden die Blogs die Vielfalt
der Welt ein Stück weit ab und diskutieren mit ihnen. Das hat mich beeindruckt, dass
auch der hohe Vertreter des Vatikan, Erzbischof Celli, der am Anfang gesprochen hat,
betonte, es ginge ihnen nicht nur darum, Botschaften hinauszusenden, sondern auch
darum, im Dialog zu lernen. Diesen Geist konnten sie rüberbringen, indem sie nicht
nur Mails verschickten, sondern auch geschrieben haben: kommt einmal zu uns. Die Debatten
gingen bis in den späten Abend weiter. Mein Eindruck war schon, dass der Vatikan verstanden
hat, dass Web 2.0 keine Pinwand ist, an der man nur die eigene Botschaften aufhängt,
sondern ein Ort des Dialoges.“
Das Bloggertreffen vom 2. Mai im Vatikan
war das erste einer Serie. Wie geht es jetzt weiter?
„Ich hoffe, dass die
katholische Kirche ihrem Mut ein Stück weit treu bleibt. Ich bin mir ziemlich sicher,
wenn er gekonnt hätte, hätte auch Paulus damals gebloggt. Er hat damals alle modernen
Mittel der Kommunikation seiner Zeit verwendet, und ich glaube, die große Chance liegt
in der Verzahnung der Medienangebote, die der Vatikan schon hat. Da könnte sich etwas
ganz Neues entwickeln. Das würde der Kirche gut tun, es würde aber auch dem WorldWideWeb
gut tun.“