2011-05-04 12:07:20

Beten für bin Laden? Reaktionen auf die US-Aktion


Beten für bin Laden? Ja doch, das sollten Christen tun – sagt der französische Kardinal Albert Vanhoye. In der italienischen Zeitung „Il Messaggero“ äußert der Bibelwissenschaftler und Jesuit Vanhoye, Christen müssten für den Seelenfrieden Osama bin Ladens beten, auch wenn der Terrorist ihr Feind gewesen sei. Das Evangelium sei in dieser Hinsicht sehr eindeutig.
„Ich habe für die Seele Osama bin Ladens gebetet“, so Kardinal Vanhoye wörtlich. Man solle für ihn beten „wie für die Opfer des 11. September“, also der von Bin Laden initiierten Anschläge von 2001 in New York und Washington. Und wörtlich: „Jesus verpflichtet uns dazu, unseren Feinden zu vergeben. Das Vaterunser, das wir jeden Tag beten, verlangt das von uns: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern! Man kann das nicht beten mit Rachegefühlen im Herzen oder voller Hass unseren Feinden gegenüber.“

Nigeria
Viele Kirchenführer rund um den Globus äußern sich ähnlich wie der Kardinal. Der nigerianische Erzbischof Ignatius Ayau Kaigama findet, auch bin Laden hätte eigentlich vor Gericht gestellt werden müssen. Man könne Menschen nicht einfach umbringen, nur weil sie kriminell seien, so Kaigama. Dies führe sonst in letzter Konsequenz zum „Recht des Dschungels“. Nach Einschätzung des Erzbischofs, der auch Vize-Präsident der nigerianischen Bischofskonferenz ist, sind mit dem Tod Bin Ladens die grundlegenden Probleme des Terrorismus weiter ungelöst. In Indien bedauert Pater Babu Joseph, Sprecher der Bischofskonferenz, den gewaltsamen Tod des Terroristen. „Er hätte sich bekehren, den Weg der Gewalt und des Terrorismus verlassen und ein neues Leben der Versöhnung und des Friedens beginnen können“, meinte der Priester der Steyler Missionare.

Pakistan
Auch der italienische Soziologe Massimo Introvigne ruft Pakistan dringend dazu auf, Christen vor möglichen Repressalien durch al-Quaida-Terroristen und deren Verbündete zu schützen. Introvigne ist Repräsentant bei der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) für den Kampf gegen Rassismus, Intoleranz und Diskriminierung von Christen. Internetseiten für den Djihad hätten bereits „zum Niederreißen von Kirchen und zum Töten von Christen aufgerufen“. Als Autor einer Biographie Bin Ladens hält Introvigne dessen Tod vom symbolischen Gesichtspunkt her für „fundamental, aber nicht als Zerschlagung des Al-Quaida-Netzwerks“. Introvigne ist an diesem Mittwoch zu einem Besuch im Vatikan.

Philippinen
Für den philippinischen Bischof von Isabela, Martin Jumoad, bedeutet allerdings der Tod Bin Ladens den „Sieg des Guten über das Böse“. Seine Prälatur liegt in der Provinz Basilan, wo militante Islamisten, die „Abu Sayyaf“, ihr Trainingslager hatten und häufig auch die christlichen Gemeinden in dieser Zone angriffen. Jumoad hofft, dass der Tod von bin Laden die Islamisten vor seiner Haustür schwächt.

Israel
Der Lateinische Weihbischof von Jerusalem, William Shomali, verspricht sich von bin Ladens Tötung längerfristig „eine positive Wende“. Natürlich würden „andere bin Ladens auftreten“, aber es sei doch „schon sehr positiv, dass das Symbol des al-Quaida-Extremismus getroffen worden ist“.

Peru
Eine interessante Reaktion auf die Kommandoaktion in Pakistan kommt vom Staatspräsidenten von Peru, Alan Garcia: Der Tod von bin Laden sei aus seiner Sicht „das erste Wunder“ des neuen Seligen Johannes Paul II. Der Papst, der am Sonntag kurz vor der Tötung bin Ladens selig gesprochen wurde, habe die Welt „von der Inkarnation des Bösen, des Verbrechens und des Hasses befreit“. Garcia ist übrigens Träger des Friedensnobelpreises – wie auch US-Präsident Barack Obama, der die Aktion gegen bin Laden vom 1. Mai autorisiert hatte.

Irak
Durch das Verschwinden Bin Ladens werde es nicht mehr Frieden geben als früher und sein Tod werde die harmonische Koexistenz der Religionen nicht vereinfachen. Das sagt der Erzbischof von Kirkuk, Louis Sako. Es brauche eine langfristige erzieherische Kampagne, um die jungen Muslime zu einem moderaten Islam zu führen, der das Andere akzeptiert und die Unterschiede respektiert, so der Erzbischof. Denn der Krieg mache die Dinge nur komplizierter und helfe nicht, einen positiven Wandel herbeizuführen. Unterdessen hat der irakische Botschafter in Italien, Saiwan Barzani, versichert, dass die Regierung alles unternehmen werde, um die Kirchen und die christliche Gemeinschaft im Irak zu schützen. Nach dem Tod von Al-Kaida Führer Osama bin Laden wächst unter den Christen im Irak die Angst vor Rache und Vergeltung.

Deutschland
In Deutschland sind viele Kirchenleute verstimmt darüber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer ersten Reaktion Freude über den Tod bin Ladens gezeigt hatte. „Man kann sich als Mensch und erst recht nicht als Christ über den Tod eines Menschen freuen“, sagt Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen, der auch deutscher Militärbischof ist. Die Würde eines Menschen sei immer zu achten, und die Kirche werde eine solche Form der Tötung niemals gutheißen. Sie werde immer daran erinnern, dass es auch bei Tyrannen eine strenge ethische Abwägung geben müsse. „Es wäre besser gewesen, wenn sich bin Laden vor einem Gericht seiner Verantwortung gestellt hätte“, so Overbeck wörtlich.

Auch die katholische Friedensbewegung „Justitia et Pax“ sieht Merkels Freude über den Tod des Terrorchefs kritisch. Auch wenn der Einsatz militärischer Gewalt aus ethischer Sicht im Extremfall bejaht werden könne, so erscheine es doch befremdlich, wenn der Tod von Menschen bejubelt werde - das sagte der Vorsitzende der Deutschen Kommission von Justitia et Pax, Bischof Stephan Ackermann, in Trier. Die Genugtuung der Amerikaner könne er allerdings verstehen, denn sie wären „in besonderer Weise Zielscheibe des Terrorismus von al Kaida geworden“.
Auch die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach, ging zu den Äußerungen der CDU-Vorsitzenden Merkel auf Distanz. „Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern“, meinte sie. Fischbach gehört dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an. Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält nichts von Freude über die Tötung bin Ladens. Er sei darüber zwar erleichtert, empfinde aber kein Triumphgefühl: „Uns Deutschen ist hoffentlich jede Feier von militärischen Erfolgen vergangen“, fügte er hinzu. In der Frage, ob die Tötung Bin Ladens durch US-Elitesoldaten mit einer christlichen Überzeugung vereinbar ist, wollte sich Thierse nicht festlegen. „Ein ganz einfaches Urteil zu fällen, fällt mir schwer“, sagte er. Und weiter: „Ich glaube, dass es überhaupt keine politische Entscheidung gibt, von der man sagen kann, sie ist christlich“, denn im Evangelium stünden keine politischen Anweisungen.

(rv/messaggero/domradio/kna/ucanews/zenit/asianews 04.05.2011 sk)







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