Benedikt XVI.: „Reißt die Tore weit auf für Christus! Was Johannes Paul erbat, das
hat er selbst als erster vorgemacht“
Seine Predigt begann
Papst Benedikt XVI. mit Gedanken an die nun sechs Jahre zurückliegende Beerdigung
seines Vorgängers.
„Groß war der Schmerz über den Verlust, aber noch größer
war die Erfahrung einer unendlichen Gnade, die Rom und die ganze Welt umfing: die
Gnade, die wie die Frucht des ganzen Lebens meines geliebten Vorgängers und besonders
seines Zeugnisses im Leiden war. Schon an jenem Tag spürten wir den Duft seiner Heiligkeit
ausströmen, und das Volk Gottes hat auf viele Weisen seine Verehrung für ihn zum Ausdruck
gebracht. Daher wollte ich, dass sein Seligsprechungsprozess- unter entsprechender
Beachtung der Vorschriften der Kirche ziemlich rasch vorangehen konnte. Und heute
ist der erwartete Tag gekommen; er ist schnell gekommen, weil es dem Herrn so gefallen
hat: Johannes Paul II. ist selig!“
Die Feier der Seligsprechung sei ganz
bewusst auf diesen Tag gelegt worden, den Johannes Paul der Feier der Göttlichen Barmherzigkeit
gewidmet habe. Gleichzeitig sei er selbst am Vorabend dieses Festes gestorben. Schließlich
sei der 1. Mai das Fest Josefs des Arbeiters, alles Elemente, die helfen würden, Johannes
Paul zu verstehen.
„Heute erstrahlt vor unseren Augen im vollen geistlichen
Licht des auferstandenen Christus die Gestalt des geliebten und verehrten Johannes
Paul II. Heute wird sein Name der Schar der Heiligen und Seligen hinzugefügt, die
er während der fast 27 Jahre seines Pontifikates heilig- und seliggesprochen hatte.
Dabei hatte er nachdrücklich an die allgemeine Berufung zum hohen Maß des christlichen
Lebens – zur Heiligkeit – erinnert, wie sie die Konzilskonstitution Lumen gentium
über die Kirche bekräftigt hatte. Alle Glieder des Volkes Gottes – Bischöfe, Priester,
Diakone, Laien, gottgeweihte Männer und Frauen – wir alle sind auf dem Weg zur himmlischen
Heimat.“
Die Botschaft, für die Johannes Paul stand, habe er bereits zu
Beginn seines Pontifikates verkündet:
„’Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt
die Tore weit auf für Christus!’ Was der neugewählte Papst von allen erbat, das hat
er selbst als erster vorgemacht: Er hat die Gesellschaft, die Kultur, die Bereiche
der Politik und der Wirtschaft für Christus geöffnet. Mit der Kraft eines Riesen –
die er von Gott erhalten hat – hat er eine Tendenz umgedreht, die unumkehrbar erscheinen
mochte. Mit seinem Zeugnis des Glaubens, der Liebe und des apostolischen Mutes, das
von einer großen Menschlichkeit begleitet wurde, hat dieser beispielhafte Sohn der
polnischen Nation den Christen auf der ganzen Welt geholfen, keine Angst zu haben,
sich Christen zu nennen, zur Kirche zu gehören und vom Evangelium zu sprechen. Mit
einem Wort, er hat uns geholfen, keine Angst vor der Wahrheit zu haben, denn die Wahrheit
ist die Garantie der Freiheit. Noch einmal ganz kurz, er hat uns die Kraft wiedergegeben,
an Christus zu glauben, weil Christus Redemptor hominis, der Erlöser des Menschen
ist“
Zum Abschluss der Predigt erinnerte sich Benedikt XVI. aber auch an
seine eigene Zeit als Mitarbeiter des neuen Seligen
„Ab 1982, als er mich
als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre nach Rom berief, konnte ich ihn
23 Jahre lang aus der Nähe erleben und habe seine Person immer mehr geschätzt. Mein
Dienst wurde durch seine spirituelle Tiefe und den Reichtum seiner Intuition getragen.
Sein beispielhaftes Beten hat mich immer berührt und erbaut: Er tauchte ein in die
Begegnung mit Gott, auch inmitten der vielfältigen Obliegenheiten seines Dienstes.
Und dann sein Zeugnis im Leiden: Der Herr hat ihm allmählich alles genommen, aber
er ist stets der „Fels“ geblieben, wie Christus es gewollt hat. Seine tiefe Demut,
die in der inneren Einheit mit Christus wurzelte, hat es ihm erlaubt, die Kirche weiter
zu leiten und der Welt eine noch beredtere Botschaft zu geben – gerade in der Zeit,
als seine physischen Kräfte abnahmen. … Selig bist du, geliebter Papst Johannes Paul
II., weil du geglaubt hast! Wir bitten dich, stärke vom Himmel her weiter den Glauben
des Volkes Gottes. Amen.“