Claudia Roth: „EU verweigert Solidarität, während Kirche schon hilft“
„Wo ist die Solidarität,
wo ist die Nächstenliebe, wo ist das christliche Verantwortungsbewusstsein? Denn noch
einmal: Es sind auch Christen unter den Verfolgten, die Hilfe suchen. Und dass auf
die Worte Papst Benedikts überhaupt nicht gehört wird, ist auch bemerkenswert schäbig!“
Diese Frage stellt die deutsche Grünen-Politikern Claudia Roth zur aktuellen Flüchtlingsproblematik;
sie ist derzeit auf Reisen in Tunesien und Italien, um sich über das Flüchtlingsproblem
zu informieren. Während Europa über die Aufnahme der Flüchtlinge aus Tunesien und
Libyen streite, leiste die Kirche schon gute Hilfsarbeit, meint die Politikerin im
Interview mit dem Kölner Domradio. Auch in den umbrechenden Ländern selbst müsse den
Menschen unter die Arme gegriffen werden, erinnert Roth mit Blick auf Tunesien: „Die
Demokratiebewegung braucht Anerkennung, man muss denen jetzt helfen beim Aufbau von
demokratischen Institutionen. Hier sind auch die Partnerstädte, wie zum Beispiel Köln,
zu mobilisieren, Brücken zu bauen. Köln ist Partnerstadt von Tunis, Münster von Monastir
- also dabei sein und helfen lautet das Gebot der Stunde! Zweitens: ökonomische Hilfe.
Die jungen Menschen, die diese Revolution der Würde, so nennt man das hier, ja begonnen
haben, die sagen: Wir wollen Zukunft, wir wollen einen Job, wir wollen eine Perspektive.
Diese Menschen sind oft sehr, sehr gut ausgebildet. Gerade im Bereich der erneuerbaren
Energien, für eine andere Energiepolitik und -wirtschaft gäbe es viele, viele Möglichkeiten.(
…) Aber es braucht auch eine finanzielle Unterstützung, zum Beispiel für all diejenigen,
die als Flüchtlinge nach Tunesien kommen.“
Neben den libyschen und tunesischen
Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen gebe es in diesen Länder viele Flüchtlinge aus
Schwarzafrika, darunter zum Beispiel politische Flüchtlinge aus Eritrea, so Roth.
Unter diesen 10-12.000 Menschen befänden sich auch zahlreiche Christen. Wenigsten
diese Leute müsse Europa aufnehmen. Alles andere wäre eine „zynische Verweigerung
von humanitärer und menschlicher Solidarität“, so die Politikerin wörtlich. Von dem
Vorstoß Italiens und Frankreichs, das Schengen-Abkommen zu modifizieren, hält Roth
dementsprechend gar nichts: „Denn natürlich sind die flüchtenden Menschen aus
Libyen, aus schwarzafrikanischen Ländern, wo sie unterdrückt und gequält werden, nicht
Flüchtlinge Tunesiens oder nur Italiens und Frankreichs, wobei Italien mit 20.000
Flüchtlingen mit Verlaub gesagt auch nicht an seine Grenzen stößt, sondern es ist
eine europäische Verantwortung. Wir müssen doch als Europäer sagen: Es geht hier um
unsere Nachbarschaft. (…) Also bräuchte es eine europäische Flüchtlingspolitik, die
solidarisch Flüchtlinge in Europa aufnimmt und auch solidarisch verteilt.“
Weiter
brauche es eine „moderne Einwanderungspolitik“ auch für vor allem junge Menschen,
die in Europa studieren und arbeiten wollten. Schließlich komme dieses Potential den
„jungen Demokratien“ in deren Heimatländern auch wieder zugute, so Roth.