Die Menschen in Libyen
fühlen sich verraten von Europa und besonders von Italien. Nach den „gezielten Bombardierungen“
der NATO im Land herrsche Entsetzen, sagte im Gespräch mit uns Bischof Giovanni Innocenzo
Martinelli, apostolischer Vikar in Tripolis und selbst Italiener.
„Es ist
ein Widerspruch, dass Italien sich an den NATO-Kriegseinsätzen in Libyen beteiligt.
Das libysche Volk und die Menschen, die ich traf, fühlen sich verraten: verraten in
einer Freundschaft, in einer langen Zusammenarbeit zwischen Italien und Libyen. Den
Leuten ist unverständlich, dass da nun „gezielt“ Bomben abgeworfen werden sollen.
Was heißt „gezielt“? Worauf zielen sie?“
In der Nacht auf diesen Donnerstag
sei es zu einem Bombenabwurf in der Nähe seiner Residenz gekommen, erzählte Martinelli.
„Es ist verrückt zu denken, man könne eine Stadt bombardieren und dabei keine zivilen
Opfer haben“, so der Bischof wörtlich. Er registriert aber auch mehr und mehr Bemühungen,
den Konflikt in und mit Libyen auf dem Verhandlungsweg zu lösen.
„Doch,
Hoffnungszeichen gibt es. Mehr und mehr Länder haben sich gegen den Krieg ausgesprochen.
Ich weiß nicht, warum das kaum in den Nachrichten vorkommt. In die Nachrichten schaffen
es jene Staaten, die in den Krieg ziehen. Aber einzelne Länder wollen an einem Dialog
arbeiten. Das ist, denke ich, der richtige Weg. Die Anwendung von Gewalt führt zu
nichts.“
Unterdessen denkt die Nato sechs Wochen nach Beginn des internationalen
Luftkriegs gegen das libysche Regime daran, ihren militärischen Druck sogar noch zu
erhöhen. Der Kommandeur der Nato-Angriffe sprach von „Erfolgen“. „Die Zahl der zivilen
Opfer würde weitaus höher liegen, wäre die Nato nicht in Libyen“, sagte der französische
General Charles Bouchard. Die jüngsten Angriffe auf Gaddafis Kommandozentrale in der
Hauptstadt Tripolis trügen zu einem Ende der Gewalt bei und schaffen „eine Umgebung
für Dialog und Diplomatie“, so der General. Der Krieg in Libyen hat inzwischen mehr
als 600.000 Menschen zur Flucht aus dem Land getrieben, gab die Internationale Organisation
für Migration (IOM) bekannt. (rv/diverse 28.04.2011 gs)